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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.06.2022

Originelle, absurde, verstörende Kurzgeschichtensammlung ohne Tabus, Grenzen und Kompromisse!

23 Uhr 12 – Menschen in einer Nacht
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

In einer Sommernacht treffen an einer Autobahn-Raststätte 12 eigenwillige, gänzlich verschiedene Persönlichkeiten aufeinander und werden Zeug·innen, wie eine ältere ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

In einer Sommernacht treffen an einer Autobahn-Raststätte 12 eigenwillige, gänzlich verschiedene Persönlichkeiten aufeinander und werden Zeug·innen, wie eine ältere Dame über die Leitplanke auf die Fahrbahn klettert…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise / Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche, männliche und tierische Perspektive
Kapitellänge: lang
Tiere im Buch: - Im Buch werden Tiere (Pferde, Delphine) verletzt, vernachlässigt, gequält und getötet (genauer: ein grausamer Tod steht einem Tier unmittelbar bevor, wird jedoch nicht näher beschrieben).
Triggerwarnung: Tod von Menschen und Tieren, Tierquälerei, psychische Krankheiten und Störungen, Mord, Blut, Gewalt, sexualisierte Gewalt, Ausbeutung von Mensch und Tier, Misogynie
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: N+tte, Schla+++, Tussi, Schnalle

Warum dieses Buch?

Das Debüt der Autorin („Das wirkliche Leben“) war das beste Buch, das ich 2020 gelesen habe und ich habe es sooo geliebt. Deshalb wäre es auch vollkommen egal gewesen, welches Buch die Autorin herausgebracht hätte – egal ob Roman, Kinderbuch oder Gärtnerei-Fachbuch –, ich hätte es gelesen!

Kurzrezension

Das hat mir gefallen…

Schreibstil (4 Lilien)

Dass Adeline Dieudonné gut schreiben kann, beweist sie auch in ihrem neuen Buch wieder. Ihre Sprache ist angenehm lesbar, roh, kraftvoll und bildlich und enthält vereinzelte poetische Beschreibungen und kreative, gelungene Metaphern. Ganz so fesselnd und mitreißend wie in ihrem Debüt erzählt sie dieses Mal aber nicht.

„Der Fernseher war für Julianne, was das Lagerfeuer für Steinzeitmenschen gewesen sein musste. Es vertrieb die Dunkelheit, wärmte sie und beschützte sie vor Angreifern.“ Seite 50

Idee / Geschichte / Themen / Umsetzung (4 Lilien)

Mit ihrem Debütroman „Das wirkliche Leben“ hat mich die Autorin tief berührt und beeindruckt. Dementsprechend hoch waren meine Erwartungen an „23 Uhr 12“. In ihrem neuesten Werk präsentiert Adeline Dieudonné eine große Bandbreite an Themen – und auch dieses Mal schreckt sie weder vor Tabus noch vor den Grenzen des guten Geschmacks zurück. Mord, Tierquälerei, Gewissenlosigkeit, Ausbeutung, Wahnsinn – die Klaviatur der menschlichen Abgründe beherrscht die Autorin virtuos. Garniert wird das Ganze noch mit viel Absurdität, unrealistischen Sexszenen, einem Hauch Gesellschaftskritik und einer großen Portion schwarzem Humor. „23 Uhr 12“ ist ein kompromissloses Buch der Extreme, ein Buch, das unangenehm und befremdlich ist, das oft verstört und einen inneren Widerwillen auslöst, ein Buch, das einen immer wieder beeindruckt („Wie mutig! Wie kreativ!“), das einem manchmal aber auch zu weit geht, Ekel hervorruft und einem den Mund offen stehen lässt („Das hat sie gerade nicht wirklich geschrieben, oder?!“). In manchen Momenten weiß man nicht, ob man auflachen oder entsetzt oder schockiert oder vielleicht sogar beleidigt sein soll – so habe ich mich noch nie bei einem Buch gefühlt!

Präsentiert bekommen wir kurze Einblicke ins Leben von 11 Menschen und einem Pferd, die sich zufälligerweise alle zur gleichen Zeit an einer Autobahnraststätte aufhalten. Diese 12 Geschichten hängen allerdings nur lose zusammen, ein richtiger Roman ist das für mich nicht. Ich bin eigentlich kein Fan von Kurzgeschichtensammlungen, habe mich aber trotzdem erstaunlich gut unterhalten gefühlt. Jede Geschichte ist originell, interessant, hebt sich von den anderen ab und bleibt in Erinnerung, aber: Es ist natürlich nicht möglich, auf den wenigen Seiten, die pro Person zur Verfügung stehen, in die Tiefe zu gehen. Doch genau von dieser emotionalen Tiefe hat der Debütroman der Autorin gelebt – im direkten Vergleich kann „23 Uhr 12“ also nur verlieren. Obwohl das Buch ohne Zweifel eine spannende, ungewöhnliche, interessante und unterhaltsame Leseerfahrung war, bleibe ich doch etwas enttäuscht zurück, weil ich nicht das bekommen habe, was ich mir erhofft hatte: nämlich mehr von dem, was ich an „Das wirkliche Leben“ so geliebt habe. Das ist aber natürlich Kritik auf hohem Niveau. Das nächste Werk der Autorin (ich hoffe auf einen zusammenhängenden Roman) werde ich mir deshalb natürlich wieder nicht entgehen lassen!

„Ihre Freundin Rose ist vor ein paar Wochen von ihrem Chef geschwängert worden. Alica hat ihr geraten, sich bei der Botschaft Hilfe zu holen. Aber Rose hat sich lieber vor einen Zug geworfen.“ Seite 41

Spannung & Atmosphäre (4 Lilien)

Auch wenn es aufgrund des Aufbaus des Romans keinen durchgehenden Spannungsbogen gab, wollte ich immer wissen, wie es weitergeht. Es gelingt der Autorin gut, innerhalb der Kapitel spannende und atmosphärische Momente zu erschaffen und die Leser·innen mit unerwarteten Wendungen am Ball zu halten.

Das lässt mich zwiegespalten zurück…

Figuren (3,5 Lilien)

Es sind extreme, teilweise schreckliche Schicksale, kuriose Situationen, eigenwillige Persönlichkeiten – man könnte sogar sagen, es ist eine Ansammlung von psychischen Störungen und Krankheiten –, auf die man im Buch trifft. Hat man eine Figur einmal kennengelernt, vergisst man sie nicht mehr und verwechselt sie später auch nicht; im Gegenteil, die Charaktere brennen sich sein, obwohl man ihnen nur wenige Seiten lang über die Schulter schauen darf. Genug Zeit für eine liebevolle, tiefgehende Ausarbeitung, fürs Verstehen der Figuren, fürs Mitfühlen und Mitfiebern bleibt aber leider nicht. Überhaupt wirken die meisten Figuren mehr wie überzeichnete, klischeehafte Karikaturen als wie echte Menschen. Außerdem sind viele davon so unsympathisch, dass es unmöglich ist, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen.

„Seine Augen lauerten tief in den Höhlen, wie zwei kleine Köter, die bereit waren loszukläffen.“ Seite 16

Feminismus (3 Lilien)

Aus feministischer Sicht ist das Buch sehr schwer zu beurteilen. Es gibt zwar starke Frauenfiguren und das Buch besteht den Bechdel-Test, aber es kommen gegenderte Beleidigungen und problematische Ansichten vor und die Sexszenen sind teilweise so unrealistisch und so durch den Male Gaze geprägt, dass ich sie eher einem Mann zugetraut hätte als einer Autorin. Frauen sind gleichzeitig eiskalte Killerinnen und werden als Gebärmaschinen gesehen, das Buch reproduziert gleichzeitig Geschlechterklischees bzw. veraltete Vorstellungen von Geschlechterrollen und kritisiert sie bzw. bricht sie im nächsten Atemzug auf. Ich vergebe in dieser Kategorie daher etwas ratlose 3 Sterne/Lilien.

Das hat mir nicht gefallen:

---

Mein Fazit

„23 Uhr 12“ ist eine originelle, absurde, schwarzhumorige Kurzgeschichtensammlung ohne Tabus, Grenzen und Kompromisse, die einen gleichzeitig amüsiert, beeindruckt, schockiert und leicht verstört zurücklässt. Wer nach einem unvergleichlichen, ungewöhnlichen Leseerlebnis der Extreme sucht, wird mit diesem Buch viel Freude haben, aber wer sich ein tiefgründiges „Das wirkliche Leben 2“ mit liebenswerten Figuren erhofft, wird bitter enttäuscht werden. Wenn man weiß, worauf man sich einlässt (und das wisst ihr nach meiner Rezension ja jetzt), kann dieses kleine Büchlein aber durchaus Spaß machen und für einige unterhaltsame Lesestunden sorgen!

Wer allerdings das Debüt der Autorin („Das wirkliche Leben“) noch (immer!) nicht gelesen hat (vorwurfsvoller Blick meinerseits 😉), der sollte unbedingt zuerst das lesen! Es ist ein großartiges, berührendes Buch, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte!

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Umsetzung: 4 Lilie
Worldbuilding: 4 Lilien
Einstieg: 4 Lilien
Ende: 3 Lilien
Schreibstil: 4 Lilien
Dialoge: 4 Lilien
Figuren: 3,5 Lilien
Spannung: 4 Lilien
Wendungen: 5 Lilien ♥
Atmosphäre: 4 Lilien
Emotionale Involviertheit: 3,5 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 3 Lilien
Einzigartigkeit: 5 Lilien ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir vier Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.06.2022

Gewohnt gute Unterhaltung, aber nicht der beste Band der Reihe!

Das Vermächtnis der Orphans
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Vor seinem Ausstieg war er ein Auftragskiller der Regierung, jetzt nutzt Evan seine außergewöhnlichen Fähigkeiten, um Menschen in Not zu helfen. In den letzten Jahren ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Vor seinem Ausstieg war er ein Auftragskiller der Regierung, jetzt nutzt Evan seine außergewöhnlichen Fähigkeiten, um Menschen in Not zu helfen. In den letzten Jahren hat er vielen davon das Leben gerettet, doch der Preis war hoch. Deshalb beschließt er: Noch eine letzte Rettungsmission, dann hört er als „Nowhere Man“ auf. Doch dieser letzte Auftrag scheint immer gefährlicher zu werden und einfach kein Ende zu nehmen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #5 von (aktuell) 7
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: hauptsächlich männliche Perspektive
Kapitellänge: kurz

Tiere im Buch: +/- Im Buch werden Hunde zu Hundekämpfen gezwungen, verletzt und gequält (keine genauen Beschreibungen). Es wird kein Tier getötet. Der Protagonist verletzt auch in einer Notsituation keine Tiere, ein Hund wird sogar gerettet.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Gewalt, Blut, Tierquälerei, Erbrechen
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Hu++söhne, Bitch (wird aber nie für Frauen verwendet)

Warum dieses Buch?

Ich verfolge diese Reihe und ihren liebenswürdigen Helden schon seit Band 1. Jedes Mal fühlt sich das Lesen an wie heimkommen. Deshalb war auch dieser 5. Band natürlich wieder Pflichtlektüre für mich!

Kurzrezension

Das hat mir gefallen…

+ die liebevoll ausgearbeiteten, authentischen Figuren, die auch dieses Mal wieder die größte Stärke dieses Thrillers sind. Im Mittelpunkt steht erneut Evan – der knallharte, erstklassig ausgebildete, absolut tödliche Geheimagent mit dem großen Herz. Auch seine rebellische, wilde, hochintelligente Ziehtochter Joey und der süße Hund namens „Hund“ haben sich in mein Herz geschlichen. Diese Reihe zu lesen, ist für mich immer wie heimkommen – und das liebe ich!
+ der flüssige, für einen Thriller perfekt geeignete Schreibstil, der sowohl in Actionszenen als auch in ruhigeren, emotionalen Momenten überzeugt.
+ die für diese Thriller-Reihe typischen actionreichen Kämpfe & unglaublichen Heldenmomente, die auch dieses Mal wieder großen Spaß gemacht haben. Waffenkunde gibt es wie immer gratis dazu!
+ der Feminismus. Auch dieses Mal treffen wir wieder auf viele intelligente und starke Frauenfiguren und erneut wird gänzlich auf Sexismus und großteils auch auf Geschlechterstereotype verzichtet. Mich überrascht es immer wieder positiv, wie wenig „Male Gaze“ in den Büchern von Gregg Hurwitz zu finden ist, obwohl es sich bei Agenten-Geschichten doch um ein so männlich geprägtes Genre handelt: Er verzichtet darauf, Frauen zu objektifizieren und sexualisieren, und präsentiert sie uns stattdessen als Menschen mit Ecken und Kanten – und das liebe ich an ihm!
+ die Themen (Familie, Liebe, Opfer, Schuld), die auch dieses Mal wieder tiefgründig behandelt werden.
+ die unerwarteten Wendungen, die immer wieder für eine Überraschung gut sind.

"Er sieht aus wie ein ganz normaler Mann. Aber das ist er nicht." E-Book, Position 271

Das lässt mich zwiegespalten zurück…

~ der Spannungsbogen. Auch Band 5 hat mich wieder einige Stunden lang gut unterhalten, aber der beste Band der Reihe ist es nicht. Das liegt daran, dass die Geschichte eher langsam ins Rollen kommt, dass in der Mitte einige ruhigere Passagen vorkommen und dass das hohe Erzähltempo und die atemlose Spannung der Vorgängerbände dieses Mal nicht erreicht werden.
~ die Länge der Reihe. Eigentlich wäre die Reihe als Trilogie angelegt gewesen, mittlerweile gibt es 7 Bände (auf Englisch). Ich hoffe, dass der Autor bald zum Ende kommt, weil ich es nicht mag, wenn sich Reihen ewig in die Länge ziehen und dabei schlimmstenfalls immer schlechter werden. Trotzdem freue ich mich schon jetzt auf Band 6, den ich natürlich wieder lesen werde. Hoffentlich erscheint auch die vor langer Zeit angekündigte Serie bald, auf die freue ich mich nämlich schon sehr!

"Aber ich möchte, dass du eines tust. Sieh mich an. Sie mich ganz genau an. Und frag dich: Sehe ich aus, als ob ich Angst hätte? " eBook, Position 1897

Das hat mir nicht gefallen…

- die Übersetzung (zumindest stellenweise), weil viele englische Begriffe einfach nicht übersetzt werden. Wie sollen das Menschen, die nicht gut Englisch können, verstehen? Die ganze Zeit im Internet nachzuschlagen, macht beim Lesen sicher keinen Spaß!

"Jedes Mal meldete er sich mit demselben Satz: ‚Brauchen Sie meine Hilfe?' und dann griff er ein, um die Unschuldigen zu beschützen, weil es sonst niemand tat." E-Book, Position 271

Mein Fazit

Auch Band 5 ist wieder unterhaltsam und wurde mit viel Herz geschrieben – das beste Buch der Reihe ist er aber nicht. Gewohnt stark präsentieren sich auch dieses Mal die Figuren, der Schreibstil und die tiefgründigen Themen, dafür schwächelt der Thriller etwas bei der Spannung und beim Tempo. Das ist natürlich Kritik auf hohem Niveau, deshalb freue ich mich schon jetzt auf Band 6! Fans der Reihe können hier unbesorgt zugreifen – und wer die Reihe noch nicht kennt, sollte das so schnell wie möglich ändern! Viel Spaß!

Bewertung

Idee: 4 Lilien
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Tiefe: 5 Lilien ♥
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 4 Lilien
Ende: 5 Lilien ♥
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Protagonist: 5 Lilien ♥
Figuren: 5 Lilien ♥
Spannung: 3 Lilien
Tempo: 3 Lilien
Wendungen: 4 Lilien
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥
Einzigartigkeit: 5 Lilien ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 4 zufriedene Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.06.2022

Actionreich und spannend, aber leider kamen die Gefühle zu kurz!

Cainstorm Island – Der Gejagte
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Der 17-jährige Parkour-Sportler Emilio lebt mit seiner hoch verschuldeten Familie auf einem armen Kontinent, der von der Welt der Reichen durch eine unüberwindbare ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Der 17-jährige Parkour-Sportler Emilio lebt mit seiner hoch verschuldeten Familie auf einem armen Kontinent, der von der Welt der Reichen durch eine unüberwindbare Barriere getrennt ist. Eines Tages erhält er ein unwiderstehliches Angebot: Ihm wird ein Chip ins Gehirn gepflanzt, der jeden Tag live überträgt, was er mit seinen Augen sieht; dafür wird er gut bezahlt. Am Anfang läuft es gut – bis Emilio live auf Sendung aus Notwehr den Anführer einer Gang tötet. Gleichzeitig wird er zum Video-Star und Gejagten…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 von (aktuell) 2
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: kurz
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Warum dieses Buch?

Ich habe vor der Lektüre nur Gutes über dieses Buch gehört. Außerdem ist „Cainstorm Island“ eine deutsche Dystopie, was mich zusätzlich neugierig gemacht hat!

Kurzrezension

Das hat mir gefallen…

+ der anschauliche, flüssige, angenehm lesbare (und für Jugendliche perfekt passende) Schreibstil, durch den sich das Buch schnell weglesen lässt.
+ die vielversprechende, interessante, spannende Grundidee (Junge tötet im Livestream in Notwehr einen Ganganführer und schwebt daraufhin in Lebensgefahr).
+ den sympathischen Protagonisten, den ich mochte und mit dem ich mitfiebern konnte.
+ die überraschenden Wendungen, der actionreiche Plot und das Spannungslevel, das konstant hochgehalten wird.
+ der Feminismus. Es gibt in diesem dystopischen Jugendthriller viele intelligente, mächtige und (körperlich) starke Frauen und keine gegenderten Beleidigungen, und den Bechdel-Test besteht er auch. Ein Punkt wird für die vereinzelt vorkommenden Geschlechterstereotype und uncoole Aussagen (z. B. die, dass eine Frau „schon fast zu muskulös“ sei) abgezogen.

„Mord und Totschlag ziehen bei ihnen [den Zuschauer·innen] immer. Inzwischen kenne ich sie gut. Für ein paar blutige Geschichten an einem langweiligen Donnerstagnachmittag sind sie immer zu haben. Echtes Drama aus sicherer Entfernung.“ E-Book, Position 29

Das lässt mich zwiegespalten zurück…

~ die dystopische Welt, die schon okay war, aber leider nicht viel Neues bietet.
~ die Atmosphäre, die an manchen Stellen noch dichter hätte sein können.
~ die interessanten Themen (Armut, Familie, Zusammenhalt, Freundschaft, Selbstfindung), bei deren Behandlung mir allerdings oft Tiefe fehlte.
~ die Figuren. Einige Charaktere fand ich gut gelungen, andere bleiben leider blass und austauschbar. In mein Gedächtnis gebrannt hat sich leider keiner davon, ich werde sie wohl alle schnell wieder vergessen haben…

„Sie hat Prinzipien, aber sie ist eine Killerin mit blutbespritzter Hose, einem Messer, das in ihrem Gummistiefel steckt, und einer Pistole.“ E-Book, Position 2306

Das hat mir nicht gefallen…

- der Mangel an Emotionen. Es gibt Action und Wendungen im Überfluss, aber die Gefühle bleiben dabei leider auf der Strecke. Das Buch konnte mich emotional nicht wirklich erreichen.
- das Drama, das ich in manchen Momenten wirklich übertrieben fand.

Mein Fazit

„Cainstorm Island“ eignet sich perfekt als actionreicher, spannender, recht feministischer Jugendbuch-Snack für zwischendurch – große Gefühle oder zu viel Tiefe sollte man hier aber nicht erwarten. Kurz: Kann man lesen – wer es nicht tut, verpasst aber auch nichts Weltbewegendes.

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Tiefe: 3 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 3,5 Lilien
Einstieg: 4 Lilien
Ende: 4 Lilien
Schreibstil: 4 Lilien
Protagonist: 4 Lilien
Figuren: 3,5 Lilien
Spannung: 5 Lilien
Wendungen: 4 Lilien
Atmosphäre: 3 Lilien
Emotionale Involviertheit: 2,5 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 4 Lilien
Einzigartigkeit: 3 Lilien

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 4 Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.08.2021

Unterhaltsamer, diverser, feministischer Thriller mit kleinen Schwächen, den ich sehr gerne gelesen habe!

Der Countdown-Killer - Nur du kannst ihn finden
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Vor 20 Jahren erstellte er einen Countdown aus Leichen, jedes Opfer ein Jahr jünger als das andere. Doch dann brach die Mordserie überraschend ab – der Countdown-Killer ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Vor 20 Jahren erstellte er einen Countdown aus Leichen, jedes Opfer ein Jahr jünger als das andere. Doch dann brach die Mordserie überraschend ab – der Countdown-Killer konnte nie gefasst werden. In ihrem True-Crime-Podcast versucht Elle den Cold Case zu lösen- und plötzlich verschwindet jemand, der genau in SEIN Beuteschema passt. Ist ein Nachahmer unterwegs oder ist der Mörder von damals zurück, um sein Werk doch noch zu vollenden?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figuraler Erzähler
Perspektive: hauptsächlich weibliche Perspektive, einzelne Kapitel aus männlicher Sicht
Kapitellänge: kurz
Tiere im Buch: - Im Buch werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: Tod von Menschen, Gewalt gegen Frauen, Erbrechen, Trauma
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: keine schlimmen; Weib, Zicke

Warum dieses Buch?

Seit ich „Sadie“ von Courtney Summers gelesen habe, liebe ich diese ungewöhnliche Podcast-Erzählweise in Büchern – deshalb führte an diesem Thriller für mich natürlich kein Weg vorbei.

Meine Meinung

Das hat mir gefallen…

„Es gibt mehr als zweihunderttausend ungeklärte Morde in den USA.“ E-Book, Position 1644

… der Schreibstil. Amy Suiter Clarke schreibt sehr flüssig und anschaulich, sodass sich das Buch unheimlich angenehm und schnell lesen lässt. Sowohl in spannungsgeladenen als auch in ruhigen Momenten weiß der Schreibstil zu überzeugen. (5 Lilien)

… die Figuren. Die Charaktere sind bis in die Nebenfiguren liebevoll ausgearbeitet und wirken echt und dreidimensional. Besonders Elles Ehemann mochte ich sehr. (4 Lilien)

… die Protagonistin. In einigen anderen Rezensionen habe ich gelesen, dass manche Elle als Hauptfigur nicht sympathisch fanden. Das kann ich nicht unterschreiben: Ich mochte sie sehr. Elle ist eine starke, empathische, feministische Frau, die für ihre Arbeit brennt (und sich gerne mal darin verliert), die aber auch Probleme hat, mit denen sie kämpft. Der Autorin gelingt es, Elles Gedankenwelt und Innenleben sehr intensiv zu beschreiben, wodurch es leicht ist, mit ihr mitzufühlen und mit ihr mitzufiebern. Elle ist genau der Typ von starker Protagonistin (mit Schwächen), den ich in Thrillern sehen möchte. (5 Lilien ♥)

„Trauer kann wie ein chronischer Schmerz sein – was zunächst unerträglich erscheint, wird mit der Zeit zu einem Teil deiner selbst, bis du irgendwann vergessen hast, wie das Leben davor war.“ E-Book, Position 3801

… der Plot und die Themen. Themen wie Trauma, (private) Ermittlungen, Podcast-Erstellung Obsession und Schuldgefühle werden mit für einen Thriller angemessener Tiefe behandelt. „Der Countdown-Killer“ erfindet das Rad nicht neu, aber er hat mich trotzdem von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhalten und ich habe das Buch sehr gern gelesen. (5 Lilien ♥)

„Niemand denkt gern über sowas nach, Sandy, aber manchmal sind die, denen wir am meisten vertrauen, wenn es um unsere Kinder geht, genau die, die sie am meisten in Gefahr bringen. Wir sehen nicht, dass unsere Kinder Angst vor ihnen haben und dass sie auch Grund dazu haben.“ E-Book, Position 2135

… die Podcast-Elemente. Seit ich vor einigen Jahren das Jugendbuch „Sadie“ von Courney Summers gelesen und abgöttisch geliebt habe (Leseempfehlung! ♥), bin ich ein Fan von Thrillern, die teilweise aus einem verschriftlichten Podcast bestehen. Auch Amy Suiter Clarke gelingt der Genre-Mix. Besonders cool: Alle Podcast-Folgen kann man sich gratis auf der Verlagsseite oder auf Spotify anhören – so macht das Buch gleich noch mehr Spaß! (5 Lilien ♥)

… die Spannung und die Atmosphäre. Auch wenn das Buch nicht durchgehend atemlos spannend ist, kann ein gewisser Spannungsbogen doch von Anfang bis zum gelungenen Ende gehalten werden. Ich wollte jedenfalls immer wissen, wie es weitergeht und fand Elles gefährliche Recherchen sehr atmosphärisch beschrieben. (4 Lilien)

… die Diversität und den Feminismus. Dieses Buch (und vor allem Elles Ehemann) ist wohl der Traum der meisten Feministinnen. Schon während des zweiten Kapitels hätte ich eine Liste mit feministischen Anforderungen neben dem Buch liegen haben können – ich hätte nach und nach fast alle abhaken können. Es wurde einfach immer besser! Ein sensibler, liebevoller Freund, der Elle gerne bekocht, eine asexuelle erfolgreiche alleinerziehende Anwältin, eine Protagonistin, die sich von niemandem reinreden lässt – für mich deshalb (trotz der Frauenmorde) ein richtig feministischer und diverser Thriller, für den es von mir ein großes Lob gibt! (5 Lilien ♥)

Das lässt mich zwiegespalten zurück:

Dass der Thriller manchmal vorhersehbar ist und dass mich nicht alle Wendungen überzeugt haben, fällt da nicht wirklich ins Gewicht. Eine Fortsetzung würde ich auf jeden Fall lesen. (3 Lilien)

Das hat mir nicht gefallen:

… die Perspektivwechsel. Nicht gebraucht hätte ich die Kapitel aus der Sicht des Mörders, der im letzten Drittel des Buches aus seiner Kindheit berichtet – ich finde, das hat eher Spannung rausgenommen als sie gesteigert und ihn weniger furchteinflößend wirken lassen. (2 Lilien)

Mein Fazit

Unterhaltsam, spannend, divers, feministisch – von mir gibt es für diesen gelungenen Thriller, den ich sehr gerne gelesen habe, auf jeden Fall eine Leseempfehlung! Wer Podcasts, Thriller oder Feminismus und Diversität in Geschichten liebt, kann mit diesem Buch definitiv nichts falsch machen.

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 4 Lilien
Einstieg: 4 Lilien
Ende: 4 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Protagonistin: 5 Lilien ♥
Figuren: 4 Lilien
Spannung: 4 Lilien
Atmosphäre: 4 Lilien
Emotionale Involviertheit: 5 Lilien ♥
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥
Diversität: 5 Lilien ♥
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: niedrig

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir vier Lilien!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.02.2021

Rundum gelungener Jugendroman (12+) am Puls der Zeit, nur das Ende wird zu schnell und oberflächlich abgehandelt!

Cleanland
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die 15-jährige Schilo lebt in Cleanland, dem Land der Reinen. Nach einer tödlichen Pandemie steht der Schutz vor Krankheiten über allem. Die Gesundheit wird permanent ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Die 15-jährige Schilo lebt in Cleanland, dem Land der Reinen. Nach einer tödlichen Pandemie steht der Schutz vor Krankheiten über allem. Die Gesundheit wird permanent überwacht, gefeiert und getanzt wird in Schutzanzügen und alte Leute leben zu ihrer eigenen Sicherheit hinter einer Glasscheibe hinter einem Raum, den sie nie verlassen dürfen. Das Leben in Cleanland ist nicht leicht, aber die Freiheit ist eben der Preis, der für die Gesundheit gezahlt werden muss – oder?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: + Es werden keine Tiere verletzt, gequält oder getötet.
Triggerwarnung: Drogen (Schlaftabletten)

Warum dieses Buch?

Mich hat interessiert, wie der Autor das Thema „Gesundheitsdiktatur“ in diesem Jugendbuch verarbeitet hat und ob es Jugendlichen trotz der aktuellen Situation empfohlen werden kann.

Meine Meinung

Einstieg (4 Lilien)

„Die fünf Gesetze der absoluten Reinheit (GaR) […] 2. Berührung ist gefährlich. […] 4. Kontrolle dient der Gesundheit.“ E-Book, Position 87

Der Prolog war aufgrund der fehlenden Informationen noch rätselhaft, aber gleich danach habe ich ohne Probleme ins Buch gefunden. Nach und nach erfährt man immer mehr über die Welt, in der Schilo lebt.

Schreibstil (5 Lilien)

Martin Schäubles Schreibstil konnte mich auf ganzer Linie überzeugen, weil er für die Zielgruppe perfekt geeignet ist. Er ist humorvoll, leicht verständlich und flüssig lesbar, ohne dabei aber zu einfach oder oberflächlich zu sein.

Idee, Themen & Ausführung (4 Lilien)

„Hinter der Hygienescheibe ist jemand, der auf sie wartet, selbst wenn es so spät ist wie heute. Sie streichelt über das Glas, und auf der anderen Seite drückt eine kleine, faltige Hand mit schwarzen Flecken dagegen. […] Die Hygienescheibe trennt die Küche vom ‚Saferoom- dem Raum der Einsicht®‘. In diesem Raum hinter der Glaswand lebt meine Oma […] Schließlich gehört sie mit ihrem hohen Alter zur Risikogruppe.“ E-Book, Position 177

Über „Cleanland“ hatte ich im Vorfeld nicht viel gehört, deshalb hatte ich keine hohen Erwartungen. Vielleicht war ich vor der Lektüre sogar ein bisschen skeptisch, weil ich dachte: „Hier möchte jemand auf den „Corona-Zug“ aufspringen!“ Ich fragte mich, ob man Jugendlichen in Pandemiezeiten ein solches Jugendbuch überhaupt zumuten und empfehlen kann. Tatsächlich hat mich die Geschichte aber sehr positiv überrascht. Die erfundene Welt ist in sich logisch und es ist spannend, sie zu entdecken. „Cleanland“ ist eine Dystopie am Puls der Zeit. Aktuelle Entwicklungen werden hier auf die Spitze getrieben, das macht das Buch auch so erschreckend. Erst gestern habe ich meine Oma daran erinnert, zu ihrem eigenen Schutz keinen Besuch ins Haus zu lassen und Abstand zu anderen Menschen zu halten. In Schilos Welt leben alte Menschen bereits permanent hinter einer Glasscheibe in einem sterilen Raum, den sie nie verlassen dürfen. Obwohl wir von solch einer „Gesundheitsdiktatur“ zum Glück sehr weit entfernt sind, habe ich mich als Verfechterin der Corona-Schutzmaßnahmen an mancher Stelle schon ertappt gefühlt, was wiederum für das Buch spricht.

Der Autor ist für seine kritischen Jugendbücher bekannt, die oft auch als Schullektüre eingesetzt werden – jetzt weiß ich auch warum. „Cleanland“ behandelt aktuelle Themen (Krankheit, Schutz der Gesundheit, Hygienemaßnahmen, Abstandsregeln, Überwachung) mit für ein Jugendbuch (!) angemessener Tiefe, regt zum Hinterfragen (Wie viel Freiheit sind wir bereit, für die Gesundheit zu opfern?) und kritischen Nachdenken an und unterhält dabei sehr gut. Dabei liest sich das Buch keineswegs (wie zu Beginn befürchtet) wie das Manifest eines Corona-Leugners, sondern eher wie ein Aufruf zum gesunden Misstrauen, damit wir niemals dort landen, wo Schilo und ihre Familie sind. Erkenntnisse werden nicht auf einem Silbertablett serviert, sondern Jugendliche werden ermuntert, sich eine eigene Meinung zu bilden. Auch Lesemuffel dürften mit dieser relativ kurzen Geschichte ihre Freude haben.

Meiner Meinung nach ist „Cleanland“ für Kinder / Jugendliche ab 12 Jahren geeignet – auch in diesen Zeiten. Jedoch sollte das Buch im Anschluss besprochen werden, wenn Bedarf besteht. Wer jedoch ohnehin schon sehr unter der aktuellen Pandemie-Situation leidet, wer Angst hat, sich große Sorgen macht und sich generell psychisch gerade nicht gut fühlt, sollte vielleicht lieber zu einer anderen Geschichte greifen – auch wenn „Cleanland“ eigentlich kein brutales oder traumatisierendes Buch ist. Als angehende Lehrerin kann ich mir auch sehr gut vorstellen, Bücher des Autors in meinem Unterricht einzusetzen – ich denke, hier könnten sich interessante Diskussionen entspinnen.

Lediglich einen kleinen Wermutstropfen gibt es für mich hier: Das Ende wurde viel (!) zu schnell abgehandelt, so als wären dem Autor entweder Zeit oder Platz ausgegangen oder er hätte plötzlich keine Lust mehr gehabt, das Buch zu vollenden. Hier hätte ich mir weniger Eile und mehr Tiefe gewünscht. Allen Erwachsenen sollte übrigens bewusst sein, dass sich „Cleanland“ an Kinder ab 12 Jahren richtet; dieselbe Tiefe / Vielschichtigkeit wie in einem Roman für Erwachsene, kann hier natürlich nicht erwartet werden.

Wer „Cleanland“ mochte, dem kann ich übrigens auch die ebenfalls gelungene Dystopie „New Earth Project“ von David Moitet wärmstens ans Herz legen (das Buch ist auch ab 12 Jahren).

„Keiner verlässt das Land freiwillig, um in den Sicklands zu leben. In der Schulbasis haben wir drei Wörter gelernt, die das Leben dort zusammenfassen: ‚Sicklands – verseucht, verloren, verdammt‘.“ E-Book, Position 233

Protagonistin & Figuren (5 Lilien & 5 Lilien ♥)

Auch die Figuren sind sehr gut gelungen. Schilo ist eine starke, intelligente Protagonistin, die eine glaubhafte Entwicklung durchmacht. Die meisten Nebenfiguren sind ebenfalls interessant, liebevoll ausgearbeitet und sympathisch; man fühlt und fiebert mit ihnen mit. Mein absolutes Highlight war übrigens die Oma, die es faustdick hinter den Ohren hat! Besonders positiv überrascht hat mich hier, wie viele starke, erfolgreiche, mutige Frauen der männliche Autor Martin Schäuble ins Buch geschrieben hat und wie gut es ihm gelingt, sich in sie einzufühlen – denn das ist im Jugendbuchgenre leider (!) immer noch keine Selbstverständlichkeit! Dafür gibt es von mir ein großes Lob!

„Und Menschen außer Samira darf ich sowieso nur treffen, wenn ich sie registrieren will bei ‚Social Health – zu viel macht krank®‘. Nach den Probestunden müsste ich mich entscheiden: Samira oder der neue Kontakt.“ E-Book, Position 632

Spannung (4 Lilie) & Atmosphäre (5 Lilien ♥)

Auch der Spannungsbogen stimmt bei diesem Buch. Zuerst wird man in eine fremde Welt eingeführt, die einen zum Staunen bringt, später wird die Spannung dann so angezogen, dass man diesen Jugendroman kaum noch aus der Hand legen kann.

„Cleanland“ ist zudem geprägt durch eine dichte Atmosphäre: Viele kleine Details sorgen dafür, dass man beim Lesen niemals vergisst, wo man sich befindet und wie wichtig Hygiene ist!

Feministischer Blickwinkel (5 Lilien ♥)

Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Eine feministische Analyse dieses Jugendbuches lässt mich rundum zufrieden zurück. Die Geschichte glänzt mit vielen starken weiblichen Figuren, besteht den Bechdel-Test und ist fast gänzlich frei von Geschlechterstereotypen. Es gibt eine Oma, die es faustdick hinter den Ohren hat, eine rebellische Freundin, eine erfolgreiche Mutter und einen sensiblen jungen Mann, der als Reinigungskraft seinen Unterhalt verdient. Hier gibt es wirklich nichts auszusetzen, sondern nur ein großes Lob auszusprechen!

Mein Fazit

„Cleanland“ hat mich positiv überrascht. Es ist eine Dystopie am Puls der Zeit, die mit ihrem flüssigen Schreibstil, ihren gelungenen Figuren, ihrer starken Protagonistin und ihrer spannenden Geschichte auch Lesemuffel begeistern wird. Begeistert hat mich auch, wie viele starke Frauen der (männliche) Autor ins Buch geschrieben hat – denn das ist im Jugendbuchgenre leider (!) immer noch keine Selbstverständlichkeit! Dafür gibt es von mir ein großes Lob! Aktuelle Entwicklungen werden hier auf erschreckende Weise auf die Spitze getrieben. „Cleanland“ behandelt aktuelle Themen mit für ein Jugendbuch angemessener Tiefe, regt zum kritischen Hinterfragen und Nachdenken an und unterhält dabei sehr gut. Dieser Jugendroman ist deshalb meiner Meinung trotz der aktuellen Pandemie sowohl für die Zielgruppe als auch als Schullektüre geeignet. Lediglich das Ende wurde mir viel zu schnell abgehandelt; hier hätte ich mir weniger Eile und mehr Tiefe gewünscht.

Bewertung

Idee: 5 Lilien ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Lilien
Umsetzung: 4 Lilien
Worldbuilding: 5 Lilien ♥
Einstieg: 4 Lilien
Ende / Auflösung: 3 Lilien
Schreibstil: 5 Lilien ♥
Protagonistin: 5 Lilien
Figuren: 5 Lilien ♥
Liebesgeschichte: 3,5 Lilien
Spannung: 4 Lilien
Atmosphäre: 5 Lilien ♥
Emotionale Involviertheit: 4 Lilien
Feministischer Blickwinkel: 5 Lilien ♥
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: mittel

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir vier Lilien!

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