Profilbild von yesterday

yesterday

Lesejury Star
offline

yesterday ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit yesterday über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.08.2021

US-Lokalkolorit und ein spannender Mordfall

Unbarmherziges Land
0

Dieser Krimi wirkt aus “europäischer” Sicht nicht nur aufgrund der Geschichte spannend, sondern auch weil er so viel Lokalkolorit und Eigenheiten hat. Ob das akkurat ist oder nicht, kann ich natürlich ...

Dieser Krimi wirkt aus “europäischer” Sicht nicht nur aufgrund der Geschichte spannend, sondern auch weil er so viel Lokalkolorit und Eigenheiten hat. Ob das akkurat ist oder nicht, kann ich natürlich nicht beurteilen aber im Buch kommen die Einwohner der (fiktiven) Kleinstädte zwischen den bewaldeten Hügeln Kentuckys speziell rüber.

Nicht nur, dass jeder jeden kennt, wenn er ihn nicht kennt, braucht er nur nach dem Familiennamen zu fragen und schon ist klar, welche der Vorfahren die eigenen Vorfahren mochten oder nicht. Alte Familienfehden halten sich hartnäckig.

Protagonist Mick Hardin, Soldat auf Heimaturlaub und Spezialist für Mordermittlungen (innerhalb des Militärs), stellt sich nie selbst vor, wenn er Unbekannte besucht um sie zu befragen. Er stellt sich nur als Sohn seines Vaters vor. Ob das auch für Töchter gilt?

Abgesehen davon findet Autor Chris Offutt auf den 220 Seiten auch viel Platz für die Natur, die Lebensweise der Menschen und die Dynamik einer Kleinstadt mit all ihren Vorteilen und Nachteilen.

Obwohl er genug eigene Probleme zu lösen hat (wegen derer er Urlaub bekam), erwacht Micks Instinkt als ihn seine Schwester Linda um Hilfe bittet. Sie ist der Sheriff des Ortes und arbeitet an einem Mordfall. Sie erkennt bald, dass hinter dem Mord diverse Interessen stecken könnten, in die sie sich in ihrer Position nicht hineinziehen lassen sollte.

Die Kapitel sind kurz, der Schreibstil flott und die Figuren nicht austauschbar und mit teilweise witzigen Eigenheiten ausgestattet. Sie driften nie zu sehr ins Klischee ab (bis auf wenige Ausnahmen, wo das definitiv gewollt ist) und obwohl man die Geschwister auch privat kennenlernt, hat man nicht das Gefühl, dass dieser Teil der Handlung zu viel Gewicht bekommt. Die Mischung stimmt.

Veröffentlicht am 24.07.2021

Beklemmend und (leider) teilweise sehr aktuell

In stürmischer Nacht
0

Wieder schaffen es die beiden Autoren hier, einen klassisch spannenden, unterhaltsamen Schwedenkrimi zu schreiben, der die gewohnten Stärken aufweist: Eine Episode, ein Unglück aus der (näheren) Vergangenheit ...

Wieder schaffen es die beiden Autoren hier, einen klassisch spannenden, unterhaltsamen Schwedenkrimi zu schreiben, der die gewohnten Stärken aufweist: Eine Episode, ein Unglück aus der (näheren) Vergangenheit wird mit aktuelleren Ereignissen verknüpft und alles zusammen mit einem gut funktionierenden Ermittlerteam und zwischenmenschlichen Wirrungen unterfüttert.

Soweit alles gut und stimmig, auch wenn mir persönlich das Muster “Stina Forss hat als Einzige immer Recht” ein wenig zu stark ausgeprägt scheint. Sie ist Deutsch-Schwedin und empfindet aufgrund ihrer früheren Wirkungsstätte (Berliner Mordkommission) die Schweden auf dem Land etwas zu behäbig und zurückgenommen. Dazu hat sie einen Dickschädel und ein paar Bindungsprobleme.

Dennoch, im mittlerweile vierten Band der Reihe könnte man sie vielleicht etwas ausgeglichener ins gesamte Team einbinden.

Alles in allem ist “In stürmischer Nacht” bis auf wenige Längen packend und gut gestrickt, man bekommt auf beklemmende Art und Weise mit, wie ausgeliefert Menschen den Naturgewalten sein können. Dass ich das schon etwas ältere Buch gerade jetzt nach den aktuellen Überflutungen und großen Schäden in Mitteleuropa zur Hand genommen habe, war Zufall, aber das ließ mich diesen Teil der Geschichte noch stärker erleben.

Ich bin schon gespannt, wie es mit Hauptkommissarin Ingrid Nyström, Stina und den anderen weitergeht, auch weil es hier am Ende einen leicht verwirrenden Cliffhanger gibt. Der nächste Band, “Der unerbittliche Gegner” und weitere liegen schon bereit.

Die einzelnen Bücher sind in sich abgeschlossene Krimigeschichten, aber die Charaktere und ihre eigenen Geschichten sind natürlich besser verständlich, wenn man sie alle nacheinander liest. Wen das nicht stört oder wer gar nicht so viel Privates wissen möchte, macht mit egal welchem Buch der Reihe sicher nichts falsch.


Die Reihe um Nyström und Forss bis dato:

“Später Frost”, “Rotwild”, “Aus eisiger Tiefe”, “In stürmischer Nacht”, “Der unerbittliche Gegner”, “Erzengel”, “Schneewittchensarg” und “Die Taten der Toten”.

Veröffentlicht am 12.06.2021

Facettenreicher Thriller aus Hamburg

Abgründige Wahrheit
0

In Hamburg geht es wieder rund. Kein Wunder, hat Journalist und Autor Eric Teubner doch ein neues Buchprojekt gestartet. Teubner hat sich kürzlich durch “Blue Note Girl”, eine Biografie über eine verschwundene ...

In Hamburg geht es wieder rund. Kein Wunder, hat Journalist und Autor Eric Teubner doch ein neues Buchprojekt gestartet. Teubner hat sich kürzlich durch “Blue Note Girl”, eine Biografie über eine verschwundene Sängerin, einen Namen gemacht.

Sein neues Werk dreht sich um den kürzlich verstorbenen Hamburger Verleger Heinrich Michaelsen. Im Auftrag von dessen Tochter Daniela durchforstet er unter anderem Dokumente, Zeitschriften, Familienfotos und interviewt mehrere ihm nahestehende Personen.

Ohne scheinbaren Zusammenhang zu Teubners Geschichte bekommt auch die Polizei jede Menge Arbeit. Verstümmelte Frauenleichen und ermordete Jugendliche lassen Hamburgs Straßen nicht mehr sicher erscheinen. Hängt das alles zusammen und wenn ja, hat Eric Teubner hier etwas ausgelöst oder ist alles nur Zufall?

Die Polizei tappt im Dunklen, sicher ist nur, dass ein Mitgrund für die aktuellen Ereignisse wohl mehrere Jahrzehnte zurückliegt.

Bernd Richard Knospe fügt “Abgründige Wahrheit” nahtlos dort an, wo der Vorgängerroman geendet hat. Geschickt spinnt er die Geschichte um Protagonist Eric Teubner weiter, der in “Blue Note Girl” Hauptfigur und Autor zugleich war.

Wer den 2018 erschienen Krimi nicht gelesen hat, dem entgehen zwar die feinen Anspielungen, aber “Abgründige Wahrheit” lässt sich natürlich auch ohne Probleme eigenständig lesen. Was man als Leser aber dafür mitbringen sollte, sind starke Arme (580 Seiten bringen ein bisschen was auf die Waage) und ebensolche Nerven.

Knospe scheut nicht davor zurück, an passenden Stellen auch derbe Sprache und explizite Schilderungen zu verwenden. Die Geschichte wird dadurch aber nie niveaulos sondern facettenreicher.

Die teilweise sehr langen Kapitel mit dadurch bedingten häufigen Schauplatzwechsel wirken sich nicht immer ganz vorteilhaft auf den Spannungsbogen aus, aber es lohnt sich auf jeden Fall dranzubleiben. Durch die Wechsel hat der Leser immer wieder einen Vorsprung gegenüber der Polizei und kann manches Undenkbare erahnen, allerdings kann der Thriller trotzdem am Ende mit ein paar überraschenden Enthüllungen punkten.

Veröffentlicht am 09.06.2021

Zerstörerischer Hass

Rattenkönig
0

Nachdem die Stockholmer Draufgänger Vanessa Frank und Nicolas Paredes in Chile einiges auf den Kopf gestellt haben (siehe “Feuerland”) lassen sie es zuhause erst einmal ruhig angehen.

Doch nichts da, ...

Nachdem die Stockholmer Draufgänger Vanessa Frank und Nicolas Paredes in Chile einiges auf den Kopf gestellt haben (siehe “Feuerland”) lassen sie es zuhause erst einmal ruhig angehen.

Doch nichts da, Pascal Engman hat andere Pläne für das ungleiche Paar. Die Ermittlerin vom Morddezernat und der Ex-Elitesoldat bilden immer dann eine erfolgreiche Zweckgemeinschaft, wenn das Verbrechen es erfordert.

Vanessa wird zu einem scheinbar leicht aufklärbaren Frauenmord gerufen. Der Ex-Freund, ein krankhaft eifersüchtiger Gefängnisinsasse mit Freigang, ist der logische Täter. Alles scheint auf ihn hinzuweisen.

Doch dann gibt es weitere Taten an Frauen und Vanessa und ihrem Team kommen Zweifel. Jedes Mal scheint ein dem Opfer nahestehender Mann der Täter zu sein, alle leugnen. Gibt es einen Serienmörder? Doch die Frauen haben nichts gemeinsam.

Mit viel Drive und dem ihm eigenen, klaren, kompakten Stil führt der ehemalige Journalist Pascal Engman durch seinen Thriller. In der Geschichte, in der es auch durchaus hart und blutig zugeht, beleuchtet er nicht nur die Seite der Polizei sondern natürlich besonders authentisch jene Rolle, die die Medien in print und online in solchen Situationen spielen (können).

Nebenbei schafft er es, wie auch schon in Band 1 um Frank und Paredes, ein - nicht nur schwedisches - Gesellschaftsthema aufzugreifen. Was passiert mit Menschen, für die die Resozialisierungsmaßnahmen nach der Haft nicht funktionieren?

Ein Schweden-Thriller über tief verwurzelten Hass und zweite Chancen.

Veröffentlicht am 03.06.2021

Cold Case im kalten Norden

Nordwestzorn
0

Fall zwei für Anna Wagner und Hendrik Norberg. Die gebürtige Münchnerin hat es geschafft und leitet im hohen Norden eine eigene Vermisstenstelle, sie greift alte und aktuelle Fälle mit vermissten Personen ...

Fall zwei für Anna Wagner und Hendrik Norberg. Die gebürtige Münchnerin hat es geschafft und leitet im hohen Norden eine eigene Vermisstenstelle, sie greift alte und aktuelle Fälle mit vermissten Personen auf.

Norberg leitet die Polizeistation St. Peter-Ording und unterstützt Wagners Ermittlungen bei Bedarf. Und den gibt es oft. Auch im aktuellen Krimi wieder. Schließlich will Anna klären, was 16 Jahre zuvor im beschaulichen Küstenort passierte.

Ein Junge, auf Klassenfahrt, lief weg und wurde nie mehr gefunden. Es gab keine Leiche und auch bei den damaligen Ermittlungen gibt es Ungereimtheiten.

Im leichten, unaufdringlichen Erzählstil führt Svea Jensen durch den eisigen Nordseewinter und die gelungene Krimigeschichte. Für diese ist auf den 380 Seiten mehr Platz, denn die Figuren werden nicht mehr so umfangreich beleuchtet wie in Band 1 (Nordwesttod).

Man kann die Bücher natürlich andersherum lesen, die persönliche Entwicklung und ein paar Nebenschauplätze sind aber natürlich in der richtigen Reihenfolge besser erklärt.

Die Kapitel sind angenehm kurz bis mittellang, Schauplatzwechsel innerhalb gut gekennzeichnet und es ist jeweils vermerkt, wenn ein neuer Tag beginnt. Wer Zeit Lust hat, kann so täglich genau so viel lesen, wie auch Anna, Hendrik und Kollegen an einem Tag ermitteln.

Aber natürlich lässt sich die Geschichte auch schneller verschlingen - die beiden haben sich zudem weitere Fortsetzungen redlich verdient. Auf viele weitere geklärte Fälle!


Svea Jensen ist ein Pseudonym von Angelika Svensson.