„Ich bin noch nicht alt, ich habe noch Zeit. Ich brauche nur Luft, Luft und Abstand, ich muss die Dinge ordnen, und das kann ich jetzt. Je weiter ich laufe, desto klarer sehe ich.“
In einer Ferienhütte im Bayerischen Wald trauert Henriette um ihr ungeborenes Kind. Als draußen die Schatten länger werden und die Tage kürzer, bringt ein Freund ungeahntes Unheil mit sich.
Verführerisch und mit schmerzhafter Präzision seziert Hannah Lühmann die Träume und Ängste einer Generation um die dreißig, die alles zu haben scheint, aber der sich das Glück doch immer entzieht.
"Ich bin nicht alt, ich habe noch Zeit. Ich brauche nur Luft. Luft und Abstand, ich muss die Dinge ordnen, und das kann ich jetzt. Je weiter ich laufe, desto klarer sehe ich." ...
Meine Meinung und Inhalt
"Ich bin nicht alt, ich habe noch Zeit. Ich brauche nur Luft. Luft und Abstand, ich muss die Dinge ordnen, und das kann ich jetzt. Je weiter ich laufe, desto klarer sehe ich." (ZITAT)
Das Cover ist schön und meiner Meinung nach passend gewählt.
Lühmann hat einen einfachen und teilweise melancholischen, poetischen Schreibstil, der mir von Beginn an gefallen hat.
"Es war, als hätte mein Körper eine Entscheidung getroffen, aber ich ging weiter." (ZITAT)
Man spürt die Trauer und Rastlosigkeit der Protagonistin.
Ich konnte mich in die Ich-Erzählerin Henriette sehr gut hineinversetzen und die Beschreibung, was einem die Natur geben kann, absolut nachvollziehen.
"Es ist unglaublich, was es mit mir macht, in der Natur zu sein: dieser Überblick, diese Weite, diese wilden Gerüche. Es ist, denke ich, als hätte die Stadt meine Seele zerquetscht,..." (ZITAT)
In einer Ferienhütte im Bayerischen Wald trauert Henriette um ihr ungeborenes Kind. Als draußen die Schatten länger werden und die Tage kürzer, bringt ein Freund ungeahntes Unheil mit sich.
Mir hat dieses Buch wirklich gut gefallen und ich denke, dass mir dieses Buch wird noch in Erinnerung bleiben wird
Hannah Lühmann, geboren 1987, hat Philosophie in Berlin und in Paris studiert. Sie ist stellvertretende Ressortleiterin im Feuilleton der "Welt" und "Welt am Sonntag" und arbeitete unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung", die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Berliner Zeitung" und "Die Zeit". "Auszeit" ist ihr erster Roman. Hannah Lühmann lebt in Berlin.
Wenn die Gedanken wieder überhand nehmen, das Leben einen fest im Griff hat, teilweise gar überfordert und irgendwie alles festgefahren scheint, wäre eine Auszeit gar nicht mal so verkehrt. Einen kleinen ...
Wenn die Gedanken wieder überhand nehmen, das Leben einen fest im Griff hat, teilweise gar überfordert und irgendwie alles festgefahren scheint, wäre eine Auszeit gar nicht mal so verkehrt. Einen kleinen Urlaub, in dem man endlich wieder abschalten, das Leben genießen und man mal wieder Zeit finden kann um sich zu ordnen, zu reflektieren, um zu gucken wo einen das Leben hintreibt oder wo sich Möglichkeiten auftun.
Auch Henriette braucht in Hannah Lühmanns Roman "Auszeit" eben jene Pause vom Leben. An ihrer Dissertation über den Werwolf und dessen Kulturgeschichte sitzt sie bereits seit Ewigkeiten ohne nennenswerte Fortschritte zu machen. Das Leben hat sie irgendwie fest im Griff. Henriette trauert. Sie trauert um ihr Kind, wahrscheinlich wäre es eine Tochter gewesen, so wie sie es sich wünschen würde, aber bereits der erste Satz dieses Romans lässt schlimmes erwarten. "Der Tag, an dem ich in die Klinik fuhr, um mein Kind abzutreiben, war ein Dienstag, es war noch Frühling." Und dann nimmt alles so seinen Lauf oder eben nicht, bis
Paula die Reißleine zieht und ihre Freundin Henriette zu einer kleinen Auszeit im östlichen Bayern überredet. Ein bisschen meditieren, viel Wald, Luft und vor allem eins, Freiheit, vielleicht auch etwas Klarheit. Endlich Zeit fokussiert an ihrer Arbeit zu schreiben, endlich wieder etwas anderes sehen und auf andere Gedanken kommen, endlich, ja, was eigentlich?
"Es ist, denke ich, als hätte die Stadt meine Seele zerquetscht, als hätte ich einmal zu oft das graue Szenario gesehen, das sich mir jeden Morgen bietet, wenn ich die graffitibesprühte Tür meines Wohnhauses hinter mir schließe. Die Zigarettenpackungen, die Hundescheiße, der Beton. Früher war es mir egal, wo ich lebe, heute sind alle Klischees über das Leben in der Stadt wahr geworden und nehmen mir die Luft zum Atmen. Ich bin nicht alt, ich habe noch Zeit. Ich brauche nur Luft, Luft und Abstand..."
Natürlich passieren auch hier nun eher unerwartete Dinge. Dieser Roman ist nämlich nicht nur von ein kleiner Ausflug in Richtung Freundschaft, denn irgendwie bewegt gerade diese gemeinsame Zeit, von der wir lesen können, Henriettes Leben in eine ganz andere Richtung. Henriette muss sich mit den großen Fragen des Lebens, nach der Zukunft und ihrem Jetzt auseinandersetzen, sich neu finden und motivieren und ihre Freundin gibt ihr dabei Raum und fungiert gleichzeitig als eine ungeheure Stütze und Wegbegleiterin. In diesem Buch geht es aber auch um die Fragen nach dem, was einen erfüllt und glücklich macht, ob es richtig ist ein Kind in die Welt zu setzen oder eben nicht, wie es sich anfühlt stets auf der Suche nach dem richtigen Weg zu sein und dabei doch auch vieles falsch zu machen. Es ist aber auch irgendwie eine Geschichte über die verschiedenen Wirkungen des Menschen, dem Gedachten und dem Wirklichen, dem Tröstenden, Ängstlichen und dem Angreifenden. Der Werwolf, eine Art Sinnbild für so vieles. Die Verwandlung, die zwei Seiten des Menschen, die Gefühlswelt, das Ringen und die Auseinandersetzung und vielleicht auch ein Stück weit der Kipppunkt, sowie die Entscheidung.
Gerade nach den letzten Zeilen habe ich mich lange gefragt, was Hannah Lühmann mir mit dieser Geschichte sagen mag. Eine Auszeit. Im östlichen Bayern. Zwei Freundinnen. Zwei ganz unterschiedliche Lebenswelten, von denen die der Henriette stets am präsentesten ist. Ich kann nicht einmal sagen, dass mir diese Protagonistin wirklich sympathisch ist, vielleicht weil sie auch so egoistisch wirkt. Ein Ich-Mensch, der sich immer weiter in sich selbst verzweigt und dadurch nicht vorwärts kommt. Eben das genaue Gegenteil von Paula und irgendwie sind es dann auch ihre Worte und ihre Entscheidung, am Ende, die mich berührten und zum Nachdenken gebracht haben. Eigentlich nicht nur am Ende, immer wieder. Und irgendwie fand ich es dann auch an ihr ganz spannend zu sehen, wie sie mit ihrer Freundin und dem Leben umgeht.
Teilweise sehr schmerzhaft, manchmal auch eher gedankenverloren nähert sich derdie Leserin Henriettes Problemen und Ängste, der Frage nach dem Kind und ihrer Aufgabe. Sehr bemerkenswert finde ich dabei diese Aufbruchsstimmung, in all dieser Ruhe, und den plötzlich neu gefassten Drang etwas im Leben verändern zu wollen, gar zu müssen.
"Ich spüre eine große Aufregung in mir, ich bin, das denke ich ernsthaft, wild entschlossen, mein Leben zu ändern, ein Bild zu werden, etwas zu werden. Irgendetwas. Es ist nicht zu spät, es ist alles eine Frage der Geschwindigkeit, ich muss mich einfach zusammenreißen und beschleunigen, vielleicht muss ich mich wirklich mehr bewegen, mehr erden, mehr Yoga machen,..."
"Auszeit" ist für mich so ein kleiner winkender Zaunpfahl. Eine Geschichte, die davon zeugt, dass es nie zu spät ist, sein Leben neu zu hinterfragen, Sachen anzugehen oder zu ändern, selbst wenn das ganze Leben auf dieser Vorstellung beruht. Es ist aber auch so ein Buch, das während des Lesens so leicht und dünn erscheint, aber im Nachgang wahnsinnig viel Mühe und Gedanken kostet. Schon ewig habe ich nicht mehr so lange über ein Buch, dessen Bedeutung und die einzelnen Funktionen der Protagonisten nachdenken müssen. Und irgendwie bin ich nun auch schon einige Wochen später, nicht wirklich schlauer geworden. Ich reime mir Dinge zusammen, finde Paula nach wie vor großartig und diese akzeptierende Ruhe, sowie das Ungesagte, dieses nicht ganz zu Ende erzählte und doch zu Ende erzählte... Und so wird dann aus diesem gerade einmal 173-seitigen Roman etwas riesiges, was man irgendwie noch sehr lange mit sich rumschleppt und das finde ich wahnsinnig faszinierend. Vielleicht ist es das optimale Geschenk, für jeden, derdie gerade im Leben feststeckt, nach Antworten sucht, sich in Gedanken verrannt hat oder eben auf diesen berüchtigten Wink mit dem Zaunpfahl wartet. Der Mensch ist zu vielem fähig, er muss sich manchmal nur auf etwas neues einlassen um seinen Weg zu erkennen.
„Ich glaube, alles ist eine Frage der Geschwindigkeit. Man muss eine Grundbetriebsgeschwindigkeit haben, die einen über die tausend kleinen Abgründe hinwegträgt, die in jeder Handlung, ja, eigentlich in ...
„Ich glaube, alles ist eine Frage der Geschwindigkeit. Man muss eine Grundbetriebsgeschwindigkeit haben, die einen über die tausend kleinen Abgründe hinwegträgt, die in jeder Handlung, ja, eigentlich in jedem Gedanken versteckt sind.“ (S. 85)
Henriette muss raus. Abschalten und nachdenken, Abstand gewinnen zu ihrer Studienarbeit, zu dem, was war, zu der Rolle, die sie hätte ausfüllen können. Sie hätte Mutter sein können, aber sie trieb das Kind ab, und fragt sich nun, wie es überhaupt so weit kommen konnte, was sie eigentlich vom Leben will, was ihre Ziele sind, denn immer öfter fühlt sie sich haltlos, schwebt ohne Anker absichtslos durch die Welt. In einer Ferienhütte nahe Landshut, weit ab vom grauen Alltag, möchte ihre Freundin Paula ihr dabei helfen, sich zu erden – bis ihr Freund Tom ins Bild tritt und Staub aufwirbelt.
In ihrem Debütroman „Auszeit“ skizziert Hannah Lühmann eine Gefühlswelt, die wohl jeder:m bekannt ist: Ausgebranntheit, Unwohlsein, Ziellosigkeit – man sucht einfach den Sinn des Ganzen, warum man das macht, was man gerade macht. Äußerst präzise, aber doch auf eine Weise distanziert, seziert Lühmann über den Verlauf des Romans die Gefühlsschwankungen der Protagonistin Henriette, die kurz nach ihrer Abtreibung in einer Art Loch ist, sich einsam fühlt, deprimiert, und noch dazu im Hinblick auf ihre Dissertation zum Thema Werwölfe in der Literatur am Nullpunkt angekommen ist. War die Promotion eh nur ein notdürftiger Ausweg aus ihrer Ziellosigkeit im Leben, treibt sie sie nun noch viel mehr in die Verzweiflung: „Ich konnte meinen Fehler nicht zugeben, ich konnte die Jahre nicht rückgängig machen, also konnte ich nicht aufhören.“ (S. 12)
Düster, bedrückt ist die Grundatmosphäre des Romans, wenn die länger werdenden Schatten der Bäume beschrieben werden, Henriette sich in die Theorie der Werwölfe vertieft, wenn sie ihren Gefühlen Raum verleiht, ihre Ängste und ihre Trauer zu Worten werden. Ihre Situation scheint ausweglos und vertrackt, und doch britzelte stets auch ein wenig Hoffnung mit bei, die bis zum Ende währte.
Der Roman hat mich noch lange nach der Lektüre beschäftigt. Zunächst war ich ratlos, wusste nichts mit dem Gelesenen anzufangen, fand alles auf eine Art überzogen, zu reduziert, einfach nicht stimmig, doch nun, ein paar Tage später, muss ich immer wieder an Henriette denken, wie sie stellvertretend für die Ziellosigkeit der heutigen Generation steht, denen alle Möglichkeiten offenstehen, sich aber nicht entscheiden können oder – und das ist noch eine ganz andere, aber unglaublich relevante Ebene – denen es finanziell gar nicht möglich ist, ihre Ziele zu verwirklichen. Auch das Thema Kinder: Immer später entscheiden sich Frauen dazu, Mutter zu werden, benötigen heutzutage nicht einmal mehr einen Partner, um eine Familie zu gründen; kurz: der klassische Lebensentwurf stirbt aus. Mich hat bewegt, wie sehr sich Henriettes Psyche durch die Schwangerschaft verändert hat, durch den Ausblick auf eine Aufgabe in ihrem Leben, die Aussicht, gebraucht zu werden, nicht mehr alleine zu sein: „Ich wusste, dass es zwei Lösungen für mich gab, die eine hieß "Zeit" und die andere hieß "jemand". Menschen wie ich, vielleicht Menschen überhaupt, brauchten entweder sehr viel Zeit, eine Länge, sie bräuchten etwas Lineares, einen Raum, in den sie sich hineinentwickeln konnten - oder aber sie brauchten einen anderen Menschen, der sie begrenzte, der ihnen etwas vorgab, der ihnen half, ihre Motive zu entwickeln.“ (S. 101f)
Ein wirklich denkwürdiges Debüt, dass Zeit zur Entfaltung braucht, dann aber mit eiskalter Faust in Beschlag nimmt.
Henriette hat ein Kind abgetrieben, das sie von einem verheirateten Mann erwartete. Sie dachte, dass diese Entscheidung einfach und richtig sei - doch sie hat sich gründlich geirrt.
Auch mit ihrer Dissertation ...
Henriette hat ein Kind abgetrieben, das sie von einem verheirateten Mann erwartete. Sie dachte, dass diese Entscheidung einfach und richtig sei - doch sie hat sich gründlich geirrt.
Auch mit ihrer Dissertation kam sie eigentlich noch nie so recht voran, kann und will eigentlich schon lange nicht mehr. So beschließt ihre Freundin Paula, die in vielerlei Hinsicht das komplette Gegenteil Henriettes ist, dass eine Auszeit genau das ist, was Henriette nun braucht.
Die beiden jungen Frauen beziehen eine Hütte in Bayern, tief im Wald. Zunächst tun diese Auszeit, die Natur, die exklusive Zeit zu zweit den beiden auch sehr gut. Dinge ändern und bessern sich, Henriette arbeitet etwa wieder an ihrer Dissertation.
Doch dann quartiert sich auch Paulas Freund Tom in diese Hütte ein - und nichts ist mehr so, wie es zuvor war. Seine Anwesenheit tut weder Henriette, noch Paula, noch ihrer Freundschaft, noch der Beziehung von Paula und Tom gut ...
Der Roman besticht v.a. durch Hannah Lühmann´s klare, nüchterne, eindringliche Sprache. Sie sorgt dafür, dass der Leser schnell tief drin ist in dieser Geschichte. Mitunter war mir diese Sprache allerdings auch zu extrem. Die betreffenden Passagen passten nicht mehr zum Rest, sodass das Werk für mich insgesamt nicht mehr so stimmig wirkte.
Das Ende des Romans ist leider ziemlich schnell, fast schon überstürzt, abgehandelt, v.a. aber absolut unrealistisch. Schade um diese Geschichte, die mir bis dahin sehr gut gefallen hatte!
Gut gefallen hat mir, dass "Auszeit" trotz der geringen Seitenzahl viel Tiefe besitzt, den Leser beschäftigt, er nicht wenige Fragen und Stoff zum Nachdenken bekommt. Es geht wie bei Henriette darum, dass man bei Entscheidungen auf sein Herz und sein Bauchgefühl hören sollte, man sich fragt, was man sich wirklich wünscht, wie das eigene Leben aussehen sollte, wo man Prioritäten setzt, was wirklich wichtig ist, ob man wirklich alles wünschen und beeinflussen kann oder manche Dinge letztlich nicht doch einfach so kommen, wie sie kommen sollen, um Träume, um Ängste, um Entscheidungen und deren Konsequenzen, um Leere und Fülle, die vermeintliche Abhängigkeit des Glücks von äußeren Umständen, die Bedeutung von Freundschaft, Lernfähigkeit oder die Wiederholung von Fehlern ...
Natürlich ist es auch eine schwere und traurige Thematik - aber trotzdem und auch trotz der Kritikpunkte habe ich diesen Roman ganz gerne gelesen.
Henriette ist festgefahren, kommt nicht mehr klar, hat Mühe einen ganzen Tag zu überstehen, also einen Tag, den andere so leben mit Aufstehen, Frühstücken, Arbeiten, Einkaufen und so weiter. Manchmal schafft ...
Henriette ist festgefahren, kommt nicht mehr klar, hat Mühe einen ganzen Tag zu überstehen, also einen Tag, den andere so leben mit Aufstehen, Frühstücken, Arbeiten, Einkaufen und so weiter. Manchmal schafft sie einen halben Tag, manchmal bleibt sie im Bett. Sie ist äußerst antriebslos. Dabei müsste Henriette eigentlich ihre Doktorarbeit zu Ende bringen. Nachdem sie in unserer an Möglichkeiten überfüllten Welt eine gravierende Entscheidung getroffen hat, kann sie sich gar keine Meinung mehr bilden. Henriette weiß einfach nicht mehr, was sie will.
Hannah Lühmann hat die Entscheidungsschwierigkeiten von jungen Leuten gut beobachtet und legt sie in ihrem Debüt dar. Es gibt Unmengen an attraktiven Produkten oder Aktivitäten, aber man kann längst nicht alles kaufen bzw. machen. Man muss sich festlegen und damit den weiteren Entscheidungsspielraum einschränken. Daraus ergeben sich Herausforderungen, die für Ältere, die möglicherweise noch den Hunger der Nachkriegszeit oder Mangelwirtschaft kennen gelernt haben, nicht nachvollziehbar sind.
Die Autorin legt ihren Themenschwerpunkt in die Hände von Henriette, die nach einer Abtreibung die Richtung für ihr Leben verloren hat. Henriette ist eine kluge Frau, allerdings ist sie auch ganz schön verkopft. Sie analysiert jeden Sachverhalt, zerlegt ihn bis auf Elementarebene, verliert sich in ihren Gedanken. Henriette malt sich zu jeder Entscheidung Worst-Case-Szenarien aus, so dass nichts mehr attraktiv erscheint. Ich hatte ein bisschen Schwierigkeiten, ihrer Gedankenwelt zu folgen. Zwar analysiere ich auch gern Situationen, wäge pro und contra ab, doch ich komme am Ende zu einem Ergebnis. Wenn ich mich geirrt habe, kann ich ebenfalls damit leben und meine Richtung auch wieder ändern. Bisher hatte ich aber auch das Glück, bei gravierenden Entscheidungen nach meinem Empfinden richtig gelegen zu haben.
Vom Charakter her näher war mir Paula, die ihre Freundin Henriette raus aus der Stadt, raus aus ihrem festgefahrenen Leben in eine Hütte im Wald lockt, damit sie ihren Kopf frei bekommt. Ihre lockere, entspannte Art mochte ich gern. Obwohl auch in ihrem Leben nicht alles perfekt ist, hat sie Methoden, um sich eine positive Haltung im Leben zu bewahren.
Der Schreibstil des Romans ist recht tragend, vielleicht ein bisschen langatmig. Aus meiner Sicht wird dies durch die zahlreichen Gedankengänge von Henriette verursacht. Obwohl mich das sonst etwas stört, passte es hier gut zur Grundstimmung im Roman. Gefallen hat mir zudem die Erzählweise in zwei Zeitsträngen. So erfahren wir ausschnittweise, was in Henriette‘s Vergangenheit passiert ist, wodurch im Verlauf ein Gesamtbild entsteht. Das Ende kommt dann recht überraschend daher. Es erscheint zwar logisch, wirkt mir persönlich allerdings zu abrupt. Aus meiner Sicht hätte es noch zwanzig bis fünfzig Seiten gebraucht, um es im tragenden Stil des Gesamtwerks auszuführen.
Insgesamt hat mir der Roman gut gefallen. Ich kann ihn durchaus empfehlen.