Deutschland und ich
Kein Buch, das man mal eben so liest. Hochinformativ ist der Querschnitt über deutsche Literatur und Autorinnen im Spiegel deutscher Geschichte. Oder wussten Sie auf Anhieb von einem Ghetto in Shanghai? ...
Kein Buch, das man mal eben so liest. Hochinformativ ist der Querschnitt über deutsche Literatur und Autorinnen im Spiegel deutscher Geschichte. Oder wussten Sie auf Anhieb von einem Ghetto in Shanghai? Die Autorin gruppiert die Porträts im geschichtl. Verlauf - Kaiserreich, 1. u. 2. Weltkrieg, Exilanten, Autorinnen der BRD und DDR mit Blick auf Schlesien sowie zeitgenössische Literatur - und stellt davor eine Einleitung. Ich habe noch nie eine so präzise Analyse des Körperkultes der Nazis gelesen. Wie Menschen zwischen die Fronten geraten konnten, wird aufgezeigt: Künstlerinnen, die nach 45 als deutsche Exilanten keinen Fuß mehr fassen konnten - als zu "aus der Zeit gefallen" oder zu "expressionistisch". Dabei wären gerade diese Exilanten zu einer Aufarbeitung der deutschen Verbrechen fähig gewesen, aber so schlitterte die Gesellschaft in die Neurose "BRD" und "DDR". Sehr einfühlsam schildert die Autorin eine fiktive Begegnung zwischen "Opfern" und "Tätern" der Nazizeit auf einem Schloss. Durch die gewählte Form der Erzählung wird der häufig beschönigende Umgang mit dem Nationalsozialismus deutlich und dass das Leiden der Opfer überhaupt nicht wahrgenommen wird. Die These, dass die Deutschen kein Trauma durch den Holocaust, sondern durch die Kriegsfolgen haben, ist leider wahr. Gut der Abschluss mit dem Lebensbericht von Jennifer Teege und dem Werk Ursula Krechels. Spannend fände ich, deutsche Autorinnen, die aufgrund ihres Migrationshintergrundes nicht sofort als deutsch wahrgenommen werden, über ihre Kunst und Verhältnis zu der deutschen Vergangenheit zu hören - vielleicht in einem 2. Band?