Beeindruckender und faktenreicher Bericht über die Flucht jüdischer Kinder
Mikhal Dekel ist die Tochter Hannans, einem jungen Polen, der aus seinem Heimatland fliehen musste. Ganz alleine, ohne Eltern machte er sich mit zwei weiteren Kindern auf den langen und beschwerlichen ...
Mikhal Dekel ist die Tochter Hannans, einem jungen Polen, der aus seinem Heimatland fliehen musste. Ganz alleine, ohne Eltern machte er sich mit zwei weiteren Kindern auf den langen und beschwerlichen Weg von Polen aus nach Palästina. Und ihr Schicksal war keineswegs einzigartig. Etwa 900 Kinder und Jugendliche waren ebenfalls auf der Flucht vor Tod und Dahinvegetieren in einem Konzentrationslager. Und die wiederum waren ein geringer Teil von etwa 250 000 polnischen Juden, die ihre Heimat verlassen mussten.
Nein, dass Juden in Polen eine Minderheit waren, das stimmt nicht. Im Jahr 1897 gehörten von
100 % der Einwohner immerhin 75 % zu dieser Religionsgemeinschaft. Und trotzdem wurden sie später verfolgt. Hannan, also der Vater von Frau Dekel, war einer von ihnen und seine Familie gehört zu den „Ureinwohnern“ der Stadt. Hier lebten sie seit Generationen und betrieben eine Brauerei. Dass sie als Vertriebene endeten und ihre Heimat niemals wiedersehen sollten, das ist heute unvorstellbar. Und nicht nur das. Sie mussten Haus und Hof samt Inventar zurücklassen. Wer denkt, dass sie entschädigt wurden, der irrt. Der Versuch scheiterte im Jahr 1992 kläglich.
In dem Buch berichtet Frau Dekel einmal davon, wie sie auf den Wunsch kam, es zu schreiben. Zum anderen schreibt sie über die Flucht des Vaters und besuchte sämtliche Stationen seiner weiten Reise. Dabei kam sie mit vielen Menschen ins Gespräch und nicht alle waren ihr gegenüber freundlich eingestellt. Die Berichte über die Flucht sind zum Teil unvorstellbar grausam. Was mussten die Menschen damals nur erleben und selbst Kinder so leiden. Hunger war allgegenwärtig und bis zum Tod litt Dekels Vater an den Auswirkungen. Er stand häufig in der Nacht auf und wühlte im Abfall nach Resten von Nahrungsmitteln. Für das Kind Mikhal damals nicht verständlich aber heute nachvollziehbar.
Unendlich schwer waren die Reisen zur Recherche. Aber sie haben den großen Gewinn, dass Frau Dekel nach Jahren das Verhalten ihres Vaters verstehen kann. Die Flucht dauerte immerhin von 1939 bis 1943 und dass diese Erlebnisse niemals vergessen werden können, ist wohl jedem klar. Für mich war das Buch ein völlig unbekanntes Kapitel zum Thema Zweiter Weltkrieg. Ich bin dem Verlag sehr dankbar, dass dieses Buch hier in deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Nein, es ist kein trockenes Sachbuch sondern ein emotional geschriebenes Stück Zeitgeschichte, die nie vergessen werden darf.