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Veröffentlicht am 05.08.2021

Wunderschönes Debüt mit Märchenatmosphäre

Junge mit schwarzem Hahn
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Martin ist ein besonderer Junge. Nicht nur, dass er Waisenkind und sein bester Freund und ständiger Begleiter seit jeher ein schwarzer Hahn ist, er ist auch wirklich klug und durchschaut die Bewohner des ...

Martin ist ein besonderer Junge. Nicht nur, dass er Waisenkind und sein bester Freund und ständiger Begleiter seit jeher ein schwarzer Hahn ist, er ist auch wirklich klug und durchschaut die Bewohner des kleinen Dorfes, in dem er aufwächst, bei allem was sie tun. So ist es kein Wunder, dass er eher auf Ablehnung stößt und sich alleine durchschlagen muss, weil er allen ein wenig unheimlich ist. Und das, obwohl er eigentlich allen nur Gutes will. Als dann eines Tages ein Maler durchs Dorf kommt, ergreift Martin die Gelegenheit diesen auf seiner Reise zu begleiten und kommt so endlich hinaus in die weite Welt.

Bereits die Leseprobe hatte mich sehr angesprochen und so war ich froh, dass das Buch meine Erwartungen dann auch voll und ganz erfüllt hat - die Geschichte von Martin und seinem Hahn ist wunderschön erzählt und lässt einem den Protagonisten ans Herz wachsen. Martin hat viel Schreckliches in seinem kurzen Leben ertragen müssen, und dennoch ist aus ihm ein mutiger, herzensguter kleiner Junge geworden. Er riskiert eine ganze Menge für das Wohl Unschuldiger.

Stets an seiner Seite ist der Hahn, der von den Dorfbewohnern für den Teufel gehalten wird, der Martin jedoch immer unterstützt und verteidigt, sobald dieser seine Hilfe benötigt. Nicht zuletzt durch den Hahn gewinnt der Roman eine leicht mystische, märchenhafte Atmosphäre, auch die restlichen Figuren und der Schreibstil unterstreichen dieses Gefühl. Die Sprache verzichtet auf allzu viele Ausschmückungen, ist ein wenig kindlich-naiv gehalten und doch auf einem hohen Niveau; sie passt sehr gut zum Protagonisten, bei dem man häufig auch das Gefühl hat, dass er tief in sich drin älter ist als seine elf Jahre.

Schon nach wenigen Seiten entfaltet das Buch einen solch starken Sog, dass ich es am liebsten am Stück gelesen hätte. Zu fesselnd sind die märchenhafte Atmosphäre und die Geschichte Martins. Von mir gibt es daher volle 5 Sterne und eine Leseempfehlung für dieses traumhaft-schöne Debüt.

Veröffentlicht am 31.07.2021

Ein Trauma, das tiefer geht

Die Überlebenden
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Der letzte Wille ihrer Mutter ist es, dass ihre Asche am Ufer des Sees verstreut wird, an dem die Familie vor Jahrzehnten viele Sommer verbracht hat. Und so machen sich die Brüder Nils, Benjamin und Pierre ...

Der letzte Wille ihrer Mutter ist es, dass ihre Asche am Ufer des Sees verstreut wird, an dem die Familie vor Jahrzehnten viele Sommer verbracht hat. Und so machen sich die Brüder Nils, Benjamin und Pierre auf den Weg dorthin. Längst haben sie sich auseinandergelebt, und das, obwohl sie sich einst so nahe standen - sich nahestehen mussten, um sich gegenseitig Halt zu geben in einer Familie, die vom widersprüchlichen Verhältnis zwischen Kindern und Eltern geprägt ist. Nie konnten sie sich sicher sein, ob ihre Eltern ihnen nun mit Liebe oder mit Ablehnung begegnen würden. Und so wird es nicht nur eine Reise zum Sommerhaus der Gegenwart, sondern vor allem die zurück in ihre Kindheit.

Erzählt wird der Roman aus der Sicht Benjamins, des mittleren Bruders. Schon in seiner Kindheit hat er immer eine eher beobachtende Rolle inne, hat stets seine Brüder, seinen Vater und seine Mutter im Blick und spürt daher, wann die Stimmung kippt, wann es besser ist, sich still und heimlich zurückzuziehen und so einem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Denn gerade seine Mutter wirkt teils unberechenbar, ist sie doch im einen Moment sehr liebevoll ihren Kindern gegenüber und weist im nächsten den von ihren kleinen Söhnen gepflückten Blumenstrauß zurück. Was Benjamin als kleines Kind nicht so sehr bemerkt hat, tritt mit den Jahren immer deutlicher hervor: seine Familie ist anders als die anderen Familien, die Beziehung zwischen Eltern und Kindern von einer stetigen, unterschwelligen Spannung geprägt, die zur Vorsicht mahnt. Und so sind es die Brüder, die sich gegenseitig schützen und füreinander da sein müssen. Umso rätselhafter scheint die Szene, mit der der Roman beginnt: einer Prügelei zwischen Pierre und Nils, während sie eigentlich die Asche ihrer Mutter verstreuen wollen. Was also ist passiert? An dieser Frage orientiert sich die Handlung des Romans.

Büchern, die rückwärts erzählt werden, stehe ich grundsätzlich etwas skeptisch gegenüber. Oftmals bekommt man schnell das Gefühl , dass der Autor diese besondere Erzähltechnik vor allem deshalb gewählt hat, um aufzufallen, während der Mehrwert für die Geschichte selbst jedoch häufig ein geringer bleibt. Hier war das anders. Der Handlungsstrang ist zweigeteilt, Gegenwart und Vergangenheit, und während im Gegenwartsstrang jedes Kapitel dort endet, wo das vorherige begonnen hat - man also mit jedem Kapitel ein paar Stunden weiter in der Zeit zurückgeht -, läuft der Vergangenheitsstrang mehr oder weniger chronologisch vorwärts. Meist ist es so, dass ein Gegenwartskapitel mit einer bestimmten Beobachtung endet, die dann im darauffolgenden Vergangenheitskapitel aufgegriffen und erklärt wird. Das mag zunächst verwirrend klingen, ist aber tatsächlich sehr gut gemacht, denn man erhält die nötigen Informationen immer nur häppchenweise und genau im richtigen Maß. Man könnte sich nun dennoch die Frage sellen, welchen Sinn es hat, das Ende vor dem Anfang zu kennen und wo denn dann die Spannung beibt - doch ohne hier zu viel verraten zu wollen, kann ich sagen, dass die Spannung auf jeden Fall da ist und dass es sich wirklich lohnt, bis zum Ende (oder zum Anfang?) weiterzulesen. Denn in den letzten Kapiteln ändert sich ein ganz entscheidenes Detail der Geschichte, das vorher kaum ins Auge gefallen ist, und bei mir war das tatsächlich der entscheidende Punkt, der für mich den Unterschied zwischen 4 und 5 Sternen ausgemacht hat. Tatsächlich habe ich wenige Seiten zuvor noch gedacht "Es ist sehr gut, aber irgendwas fehlt mir" - nun, das Ende hat mich dann sprachlos zurückgelassen.

Neben der Erzähltechnik sticht vor allem auch der Schreibstil des Autors positiv heraus. Trotz eher nüchterner, distanzierter Worte gelingt es Schulmann, ein unglaublich genaues, emotionales Bild zwischenmenschlicher Beziehungen zu zeichnen. Die Figuren werden auf Distanz gehalten, und dennoch fühlt man sich gerade den Brüdern nahe in ihren Ängsten, ihrem Wunsch nach Anerkennung, ihrem Gefühl des Alleinseins. Obwohl Einiges bis zum Ende im Dunkeln bleibt, vermag man nach und nach das Ausmaß der Geschehnisse in ihrer Gesamtheit zu begreifen und den Schmerz, der für die Figuren damit einhergeht, nachzuempfinden. Am Ende des Romans wird Vieles klarer, und das, was vorher vielleicht keinen Sinn ergeben hat, kann man plötzlich verstehen.

Mich hat "Die Überlebenden" sehr gepackt, die authentischen Figuren, die nüchterne, präzise Sprache, die dennoch solch große Gefühle transportiert. Hier wird ein Trauma beschrieben, das nicht auf den ersten Blick sichtbar ist, sondern sich erst nach und nach abzeichnet und nicht zuletzt durch die besondere Erzähltechnik großartig aufgearbeitet wird. Ein Roman, den ich sehr gerne weiterempfehle!

Veröffentlicht am 24.07.2021

Genug

Genug
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Nach ihrem Schulabschluss nimmt sich die junge Frau, aus deren Sicht der Roman geschrieben ist, ein Ziel vor: Sie will abnehmen. Zu Beginn wiegt sie ca. 72kg, doch in nicht einmal einem Jahr nimmt sie ...

Nach ihrem Schulabschluss nimmt sich die junge Frau, aus deren Sicht der Roman geschrieben ist, ein Ziel vor: Sie will abnehmen. Zu Beginn wiegt sie ca. 72kg, doch in nicht einmal einem Jahr nimmt sie etwa 40kg ab und ist damit stark untergewichtig. Längst steht für sie nicht mehr wie anfangs noch die Gesundheit im Vordergrund, vielmehr ist ihr ständiger Wunsch, Gewicht zu verlieren, zu einer Krankheit geworden, die sie nicht mehr loslässt.

Selten habe ich ein Buch gelesen, das dieses Thema so eindrücklich dargestellt hat. Allein durch die Erzählweise, die sich vor allem von den kurzen Kapiteln in sehr ansprechender Sprache auszeichnet, fühlt man sich der Protagonistin bereits nahe und verfolgt mit Schrecken ihre Geschichte. Die vielen Rückblenden in ihre Kidheit und Jugend komplettieren das Bild einer jungen Frau, die sich innerlich leer fühlt, der irgendetwas fehlt, was sie einfach nicht finden kann und das sie letztendlich zu solcher Verzweiflung treibt, dass ihr Körper kurz vor dem Aufgeben ist. Immer wieder gibt es Einschübe in Form von Berichten, in denen sich die Sozialarbeiterin oder die Ärzte der namenlosen, jungen Frau zu Wort melden. Sie betonen die innere Zerissenheit der Protagonistin, die teils den starken Wunsch nach Veränderung zeigt und unbedingt am Leben bleiben will, dann jedoch wieder sämtliche Behandlungsmethoden vehement ablehnt.

Ein erschreckendes, jedoch sehr authentisches und eindringliches Buch, das mich sehr gepackt und von Anfang bis Ende überzeugt hat.

Veröffentlicht am 11.06.2021

Ein ruhiger, atmosphärischer Roman nach einer wahren Begebenheit

Derborence
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Derborence, das ist ein kleines Tal in den Waadtländer Alpen. Hierhin ziehen die Männer der umgebenden Dörfer jedes Jahr im Sommer mit ihren Kühen und Ziegen und bleiben einige Monate dort. Eigentlich, ...

Derborence, das ist ein kleines Tal in den Waadtländer Alpen. Hierhin ziehen die Männer der umgebenden Dörfer jedes Jahr im Sommer mit ihren Kühen und Ziegen und bleiben einige Monate dort. Eigentlich, denn dieses Jahr wird ihnen der Aufenthalt schon nach wenigen Tagen zum Verhängnis, als sich große Teile eines Berges lösen und ins Tal hinabstürzen. Auf seinem Weg begräbt der Fels nicht nur Bäume und Bäche unter sich, sondern auch die Hütten der Männer und ihre Tiere.

Im Mittelpunkt steht der junge Antoine, der erst vor kurzem Thérèse geheiratet hat und nun vor Sehnsucht nach ihr kaum auf der Alm ausharren kann. Auch er wird, wie die anderen knapp 20 Männer, unter den Bergmassen begraben, überlebt jedoch in einem kleinen Hohlraum. Seine Frau Thérèse weiß davon nichts, überhaupt hält man das laute Knacken und Donnern, das sich mitten in der Nacht im Dorf vernehmen lässt, erst für ein Gewitter und wundert sich, dass der Sternenhimmel so klar ist. Als sich am nächsten Tag das Unglück erahnen lässt, das hier geschehen ist, ist man entsetzt von der gnadenlosen Macht der Natur, die so viele Menschen das Leben gekostet hat - denn dass es keine Überlebenden geben kann, darin ist man sich sicher. Bei Antoine selbst machen sich die Folgen des Ereinisses nicht nur körperlich bemerkbar. Er hat Schwierigkeiten, sich an das Geschehene zu erinnern, sieben Wochen sind wie ausgelöscht aus seinem Gedächtnis.

In den Schreibstil musste ich mich anfangs erst einfühlen, denn er ist stellenweise recht assoziativ, erinnert in einzelnen Passagen beinahe an einen Bewusstseinsstrom und ist sicher nicht jedermanns Sache. Nach einigen Kapiteln empfand ich ihn dann aber als sehr gut zur Stimmung passend.

Die drohende Gefahr im Kontrast zur Idylle der Landschaft, die Verzweiflung und der Schmerz der Menschen, ihre Ohnmacht und die Angst davor, dass hier der Teufel seine Hand im Spiel hat - all diese Gefühle fängt der Autor eindrucksvoll ein und so ist es vor allem die Atmosphäre, von der dieses Buch lebt.

Ich habe diesen auf einer wahren Begebenheit beruhenden Roman am Stück gelesen - so sehr war ich nach wenigen Seiten von der Atmosphäre in den Bann gezogen. Ein starkes Buch, das ich gerne weiterempfehle!

Veröffentlicht am 17.05.2021

Tolle Atmosphäre

Der große Sommer
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Frieder macht sich keine großen Hoffnungen auf schöne Sommerferien, denn statt mit seiner Familie in den Urlaub zu fahren, muss er für die Nachprüfungen in Mathe und Latein lernen. Und zwar nicht zuhause, ...

Frieder macht sich keine großen Hoffnungen auf schöne Sommerferien, denn statt mit seiner Familie in den Urlaub zu fahren, muss er für die Nachprüfungen in Mathe und Latein lernen. Und zwar nicht zuhause, sondern bei seinem Großvater, zu dem er ein so distanziertes Verhältnis hat, dass Frieder ihn bis er zehn oder zwölf war siezen musste. Doch obwohl die Zeichen für eine schöne Zeit eher schlecht stehen, kann Frieder am Ende der Ferien sicher sein - das war ein wirklich großer Sommer.

Während Frieder die Vormittage mit lernen verbrint, stehen ihm die Nachmittage zur freien Verfügung. Er nutzt sie, um mit seinem Kumpel Johann und seiner Schwester Alma, die wegen eines Praktikums ebenfalls nicht mit in Urlaub gefahren ist, durch die Stadt zu ziehen. Und dann ist da noch Beate, die er im Schwimmbad kennenlernt und die ihm nicht mehr aus dem Kopf geht.

Mein erses Buch von Arenz - ich war gespannt, weil ich schon so viel Gutes gehört hatte, vom Autor im Allgemeinen und auch von diesem Buch im Speziellen. Und ich wurde nicht enttäuscht. "Der große Sommer" gehört für mich zu den Büchern, die ich ewig hätte weiterlesen können.

Im Verlauf der Sommerferien lernt Frieder eine ganze Menge, und Mathe und Latein machen dabei noch den kleinsten Teil aus. Er ist zum ersten Mal verliebt, er lernt, Verantwortung zu übernehmen und für seine Taten geradezustehen, er lernt, was Freundschaft wirklich bedeutet.

Es ist die Atmosphäre des Buches, die mich schon nach wenigen Seiten so sehr in ihren Bann gezogen hat. Diese Mischung aus Unbeschwertheit und Leichtigkeit und typisch-jugendlichen Sorgen, die einen in das Buch eintauchen lassen und Erinnerungen wecken. Ich wollte einfach immer weiterlesen und konnte das Buch einerseits kaum weglegen, wolte andereseits aber auch nicht, dass es je aufhört. Genau das macht für mich ein wirklich gutes Buch aus.

Auch an den Figuren gibt es nichts auszusetzen. Sie alle, nicht nur Frieder, sind authentisch und detailliert gezeichnet, und insbesondere der Großvater hat es mir angetan. Dieser Mann, der den ganzen Tag (welcher übrigens auf die Sekunde genau durchgetaktet ist) in seinem weißen Arztkittel herumläuft, der extrem hohe Ansprüche an Frieder und seine anderen Mitmenschen stellt, der auf den ersten Moment einfach nur abweisend, streng und vollkommen unnahbar wird - und dem es auf seine ganz eigene Art doch genau dadurch gelingt, für andere dazusein.

Der Schreibstil ist sehr schön, er passt gut zu Frieder als Protagonisten. Mal ist er leicht, mal nachdenklich, wie es ein Junge, der gerde erwachsen wird, auch ist. Nie wurde mir das Lesen anstrengend, die Sprache ist wunderschön und man gleitet problemlos durch die Seiten.

Mir hat einfach nichts gefehlt bei diesem Buch, und die doch recht hohe Erwartung, die ich daran hatte, wurde eher noch übertroffen. Sehr gerne spreche ich eine Leseempfehlung dafür aus - ein wirklich schönes Buch, und ganz sicher auch nicht mein letztes von Arenz!