Profilbild von LaCalaveraCatrina

LaCalaveraCatrina

Lesejury Star
offline

LaCalaveraCatrina ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit LaCalaveraCatrina über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.08.2021

Eine dramatische Zugfahrt

Dreieinhalb Stunden
0

Der historische Roman dreht sich um den 13. August 1961, dem Tag des Mauerbaus. Reisende sind mit dem Interzonenzug von München auf dem Weg nach Ost-Berlin und erfahren über das Radio von dem Bau der Grenzsperrung. ...

Der historische Roman dreht sich um den 13. August 1961, dem Tag des Mauerbaus. Reisende sind mit dem Interzonenzug von München auf dem Weg nach Ost-Berlin und erfahren über das Radio von dem Bau der Grenzsperrung. Nun bleiben ihnen noch Dreieinhalb Stunden, zu entscheiden, ob sie vorher aussteigen und im Westen bleiben, oder nach Osterberlin weiterfahren und nicht zurück können. Ein Buch, das die innere Zerrissenheit des Landes und der Protagonisten auf dramatische Weise erfahrbar macht.

Als Leser ist man den Protagonisten einen Schritt voraus. Man weiß, dass diese Mauer 28 Jahre lang bestehen wird und es sich nicht um eine vorübergehende Maßnahme zur Grenzsicherung handelt. Ohne dieses umfassende Wissen müssen die Protagonisten eine lebensverändernde Entscheidung treffen: gewohnte Sicherheit oder ungewisse Freiheit? Freunde, Familie, Liebe oder eine berufliche Zukunft? Dabei sind die Protagonisten sehr unterschiedlich: ein älteres Ehepaar, dessen Sohn im Westen lebt; eine freiheitsliebende Band, die ihre Erfolge jedoch im Osten feiert; Marlis und Gert, die sich lieben, aber nicht die selben Ansichten teilen oder Edith, die erste Lokführern der DDR, die große Träume hat.

Eine spannend umgesetzte Idee, die Kapitelweise aus der Sicht verschiedener Protagonisten, mit unterschiedlichen Hintergründen und Lebensweisen, erzählt und näher beleuchtet, welche Argumente und Gegenargumente es überhaupt in so einer Situation zu durchdenken gab. Hier lag meiner Meinung nach die Stärke und historische Relevanz der Thematik, die Robert Krause authentisch erdacht hat. Die Zeit schreitet unbarmherzig voran. Dieser Druck macht den Reiz aus, bringt mehr Dynamik ins Geschehen und es bleibt spannend, wie sich jeder am Ende entscheidet.

Ein historisch authentisches Buch über schicksalshafte Entscheidungen, das die Frage aufwirft: Wie hättest du dich entscheiden? Der Erzählstil funktioniert in meinen Augen besser als Drehbuch, weil in einer verhältnismäßig kurzen Geschichte zu viele Personen unterkommen mussten. Unabhängig vom Format, möchte ich die Geschichte aber jedem ans Herz legen.

Veröffentlicht am 05.08.2021

Außergewöhnliche Liebesgeschichte in einer verlassenen Welt

Allein durch die Sterne
0

Die etwa zwanzigjährige Französin Ariadne liebt ihre Katze namens Katze und trifft sich oft mit ihrer besten Freundin Kylie, wenn sie nicht gerade als Kellnerin jobbt. Ihre gemeinsame wöchentliche Badmintonstunde ...

Die etwa zwanzigjährige Französin Ariadne liebt ihre Katze namens Katze und trifft sich oft mit ihrer besten Freundin Kylie, wenn sie nicht gerade als Kellnerin jobbt. Ihre gemeinsame wöchentliche Badmintonstunde hält allerdings eine Überraschung bereit: von einem Moment auf die anderen ist die komplette Menschheit irgendwie verschwunden. Nur die Tiere sind noch da. „Okay Ariadne, sagte ich zu mir. Glückwunsch. Jetzt bist du verrückt geworden.“ Den ersten Schock überwunden, wird ihr klar: sie kann nun tun und lassen, was sie will - doch lohnt sich der Preis des Alleinseins? Und es bleibt die Frage: Warum sind alle anderen Menschen verschwunden?
Die Antwort auf diese Frage hat mich nicht vollends überzeugt, aber auch nicht mehr losgelassen! Das Buch gefiel mir insgesamt ziemlich gut. Besonders Ariadne hat eine Persönlichkeit, die man sofort mag. Die leidenschaftliche Instagramerin lebt selbstbestimmt und mutig ihre Freiheit, ist sehr tierlieb und hat stets eine touge Gelassenheit an sich. Sie weiß nicht, was sie mit ihrem Leben anstellen soll. Ein Gefühl, das manche Anfang zwanzig gut nachempfinden können. Außerdem ist sie keine Abenteurerin und hat von „krassen Survival Skills“ überhaupt keine Ahnung. Dadurch konnte ich mich gut mir ihr identifizieren und mochte ihre Ideen und vor allem ihr großes Herz.
Zu Beginn bleibt die Ordnung halbwegs aufrecht und so lernt Ariadne eine Menge über das Internet, was ihr beim Überleben hilft, aber die Welt, wie wir sie kennen, funktioniert nicht ohne andere Menschen. Als sie Sanghyyun, einen Jungen in ihrem Alter, im Netz findet, kommt eine neue Dynamik auf: sie muss ihn finden, bevor alles zusammenbricht. Die Atmosphäre erinnerte manchmal an einem Stephen King-Roman und der Vergleich taucht sogar im Buch auf. Der Schreibstil ist locker, modern und schnell zu lesen. Er unterstreicht Ariadnes manchmal flapsige Art, die Dinge beim Namen zu nennen. Was mir besonders gefallen hat: Der Prozess im Laufe des Buches und die psychische Belastung der Einsamkeit sind authentisch dargestellt. Ariadne ist einfach nicht dafür geschaffen, allein zu bleiben; und so fiebert man mit ihr mit und überlegt, was man selbst in so einer Situation tun würde. Die Reise hilft hier schlussendlich, herauszufinden, was sie wirklich will. Es geht darum, sich seinen tiefsten Wünschen zu stellen, während eine dystopische Welt alles auf das Wesentliche reduziert.

Eine schicksalshafte Liebesgeschichte zum Abschalten. Wenig Figuren, unterhaltsame Ideen, eine geradlinige Story mit steigender Spannung und ein Ende, mit dem keiner rechnet. Es macht am meisten Spaß, wenn man sich von dem Buch überraschen lässt und vorher kaum etwas über die Handlung weiß. Es lohnt sich!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.07.2021

Gefühlvolles Hörbuch

Wir für uns
0

Inhalts:
Die sensible Josie ist mit einundvierzig Jahren ungewollt schwanger. Der Vater des Ungeborenen ist ihr verheirateter Freund Bengt, mit dem sie seit neun Jahren eine Affäre hat. Sie vergöttert ...

Inhalts:
Die sensible Josie ist mit einundvierzig Jahren ungewollt schwanger. Der Vater des Ungeborenen ist ihr verheirateter Freund Bengt, mit dem sie seit neun Jahren eine Affäre hat. Sie vergöttert ihn geradezu und ist tief verletzt, als er sie von einer Abtreibung überzeugen will. Auch die Risiken, die eine Schwangerschaft in ihrem Alter birgt, spielen dabei eine Rolle. Jahrelang hat Josie sich nach Bengt gerichtet, und verlernt, sich ihre eigenen Bedürfnisse einzugestehen.
Auch für die resolute Kathi findet ein Umbruch statt: nach fünfzig gemeinsamen Jahren ist ihr Mann gestoben. In ihrem Leben war sie vor allem Mutter und Ehefrau. Dass sie außerdem noch tatkräftige Geschäftsfrau war und einen eigenen Laden geführt hat, wurde in ihrer Familie nie wirklich geschätzt. Erschüttert von der Enthüllung ihres Sohnes und den daraus resultierenden Konsequenzen für ihr eigenes Leben, will sie ganz allein entscheiden, wie es weitergehen soll. Es ist die schicksalshafte Begegnung der beiden Frauen, die ihnen hilft, mit den Veränderungen umzugehen.

Meine Meinung:
Yara Blümel liest mit viel Feingefühl und setzt souverän ihre facettenreiche Stimme wirkungsvoll ein, sodass sich die unterschiedlichen Charaktere gut unterscheiden lassen. Dabei gelingt es ihr auf emphatische Weise, die richtige Stimmung einzufangen. Es ist ihrer lebendigen Lesung zu verdanken, dass man die etwas mitleidigen und wiederholenden Gedankengänge auf sich nimmt, um die emotionale Bedeutung dahinter zu entdecken. Ihre Erzähl- und Sprechweise passt hervorragend und bereichert die Geschichte, weshalb ich wieder zum Hörbuch greifen würde.

Manche Überlegung von Kathi - und ihr Resümee daraus - haben mich tief berührt. Nicht nur ihre traumatischen Kindheitserlebnisse, sondern auch der reuevolle Blick in die Vergangenheit, resignierend und ablehnend, sich selbst gegenüber. Auch Josie’s mangelnde Selbstachtung und ihr naives Verhalten macht nachdenklich. Teilweise war es mir einfach zu viel Drama, zu viel Betrügerei, zu viele Wiederholungen von bereits erwähntem und zu wenig emotionale Höhepunkte.
Trotzdem hinterließ das Buch bei mir Gefühle der Dankbarkeit und sensibilisierte mich, selbst über meine Endlichkeit und verpasste Gelegenheiten nachzudenken.

Fazit:
Ein kurzweiliges Hörerlebnis, mit kleinen Schwächen - großartig gelesen von Yara Blümel. Empfehlung für alle, die tiefe Einsichten der Ich-Erzähler mögen, die an authentischen Erschwernissen wachsen

Veröffentlicht am 27.07.2021

Über die Bedeutung einer schicksalshaften Begegnung

Wir für uns
0

Inhalt:
Die sensible Josie ist mit einundvierzig Jahren ungewollt schwanger. Der Vater des Ungeborenen ist ihr verheirateter Freund Bengt, mit dem sie seit neun Jahren eine Affäre hat. Sie vergöttert ...

Inhalt:
Die sensible Josie ist mit einundvierzig Jahren ungewollt schwanger. Der Vater des Ungeborenen ist ihr verheirateter Freund Bengt, mit dem sie seit neun Jahren eine Affäre hat. Sie vergöttert ihn geradezu und ist tief verletzt, als er sie von einer Abtreibung überzeugen will. Auch die Risiken, die eine Schwangerschaft in ihrem Alter birgt, spielen dabei eine Rolle. Jahrelang hat Josie sich nach Bengt gerichtet, und verlernt, sich ihre eigenen Bedürfnisse einzugestehen.
Auch für die resolute Kathi findet ein Umbruch statt: nach fünfzig gemeinsamen Jahren ist ihr Mann gestoben. In ihrem Leben war sie vor allem Mutter und Ehefrau. Dass sie außerdem noch tatkräftige Geschäftsfrau war und einen eigenen Laden geführt hat, wurde in ihrer Familie nie wirklich geschätzt. Erschüttert von der Enthüllung ihres Sohnes und den daraus resultierenden Konsequenzen für ihr eigenes Leben, will sie ganz allein entscheiden, wie es weitergehen soll. Es ist die schicksalshafte Begegnung der beiden Frauen, die ihnen hilft, mit den Veränderungen umzugehen.

Meine Meinung:
Der Roman ist abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Josie und Kathi geschrieben, die sich in jedem Kapitel abwechseln. Frühkindliche Bindungsstörung und die Beziehung zur Mutter, Tod,Trauer und das Down-Syndrom werden thematisch feinfühlig behandelt. Manche Überlegung von Kathi - und ihr Resümee daraus - haben mich tief berührt. Nicht nur ihre traumatischen Kindheitserlebnisse, sondern auch der reuevolle Blick in die Vergangenheit, resignierend und ablehnend, sich selbst gegenüber. Auch Josie’s mangelnde Selbstachtung und ihr naives Verhalten macht nachdenklich. Teilweise war es mir einfach zu viel Drama, zu viel Betrügerei, zu viele Wiederholungen von bereits erwähntem und zu wenig emotionale Höhepunkte.
Trotzdem hinterließ das Buch bei mir Gefühle der Dankbarkeit und sensibilisierte mich, selbst über meine Endlichkeit und verpasste Gelegenheiten nachzudenken.

Fazit:
„Wir für uns“ beschäftigt sich mit der Aussöhnung der familiären Vergangenheit und dem Bemühen, im Trubel des Lebens an dem festzuhalten, was man liebt. Ganz nach dem Lieblingssatz des optimistischen Vaters von Josie: „Komödie oder Tragödie, es ist dein Leben, und du bist der Regisseur.“ Ein kurzweiliger Roman, mit kleinen Schwächen. Empfehlung für alle, die tiefe Einsichten der Ich-Erzähler mögen, die an authentischen Erschwernissen wachsen.

Veröffentlicht am 12.07.2021

Hörbuchempfehlung

Die Verlorenen
0

Simon Becketts neuer Thriller bildet den Auftakt einer spannenden Reihe um den Londoner Polizisten Jonah Colley. Rückblickende Kapitel erzählen von der Kindesentführung des kleinen Theo, der unter Jonah’s ...

Simon Becketts neuer Thriller bildet den Auftakt einer spannenden Reihe um den Londoner Polizisten Jonah Colley. Rückblickende Kapitel erzählen von der Kindesentführung des kleinen Theo, der unter Jonah’s Aufsicht verschwand. Die Zeit danach ist die Hölle für Jonah und seine Frau Chrissie. Zehn Jahre später erhält Jonah einen Anruf seines ehemaligen Freundes Gavin Mc Kinney, mit dem er, seit dem Zerwürfnis, keinen Kontakt mehr hatte. Er bittet ihn verzweifelt um Hilfe. Jonah’s kommt schließlich zum vereinbarten Treffpunkt… Was wie eine selbst getroffene Entscheidung wirkt, stellt sich als unumgängliches Schicksal heraus.

Gleich zu Anfang liefert Simon Beckett, so dramatische Szenen des Hauptprotagonisten, wie man sie sonst im packenden Finale findet.
Spannungsaufbau und bildhafter Schreibstil verfehlen ihre Wirkung nicht. Jonah hat einige Hindernisse zu bewältigen, für die man als Leser aber nicht übermäßig hartgesotten sein muss. Manche Entscheidungen von ihm wirken konstruiert, und sind schwer nachvollziehbar - als würde er die Gefahr förmlich suchen. Vom Schicksal gebeutelt, versucht er seine Rolle in dem ganzen Wahnsinn zu finden. Spannende Wendungen und Ereignisse halten die Spannung aufrecht, bis es am Ende zum überraschenden Showdown kommt. Zum gewohnt flüssigen Schreibstil und den Figuren braucht man gar nicht mehr wissen. Sie sind allesamt leider etwas einfallslos und oberflächlich - der Fokus lag eher auf der Suche nach Antworten. Wichtig ist vor allem der kriminalistische Spaß, den Spuren folgend, und die offenen Fragen, die eine vielversprechende Fortsetzung garantieren.

Lebhaft und facettenreich gelesen von dem erfahrenen Sprecher Johannes Steck, der Geschwindigkeit und Sprechweise gekonnt einsetzt, um Spannung und Dynamik zu erzeugen. Seine raue, dunkle Stimme passt hervorragend zu Jonah, weitere Charaktere lassen sich gut unterscheiden. Sehr wirkungsvoll waren bspw. auch realistisch wirkende Hall-Effekte. Dadurch ist man ganz nah dran, am Hörerlebnis. Bei der gekürzten Fassung wurden nur nebensächlichen Passagen gestrichen, auf die man auch gut verzichten kann. Einzig die Lesegeschwindigkeit war mir etwas zu langsam - mit der passenden Einstellung aber kein Problem.

Fazit: Spannender Auftakt über Verlust und Schuld, gelungener Schreibstil und vielversprechende Handlung. Trotz manch schwer nachvollziehbarer Entscheidungen von Jonah und oberflächlicher Figuren, für Fans von Simon Beckett lesenswert - die werden sich sowieso eine eigenen Meinung bilden wollen. Wer aufregendes Kopfkino mag, sollte auf dieses Format zurückgreifen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere