Profilbild von EmiliaAna

EmiliaAna

Lesejury Star
offline

EmiliaAna ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit EmiliaAna über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.08.2021

Genussreicher Provencekrimi

Fälschung à la Provence
0

Vor nicht allzu langer Zeit hat sich Pascal Chevrier einen Traum erfüllt! Ehemals bei der Police nationale in Paris angestellt, sah er nach seiner Scheidung, die ihn tüchtig aus dem Gleichgewicht gebracht ...

Vor nicht allzu langer Zeit hat sich Pascal Chevrier einen Traum erfüllt! Ehemals bei der Police nationale in Paris angestellt, sah er nach seiner Scheidung, die ihn tüchtig aus dem Gleichgewicht gebracht hat, keine Zukunft mehr in der Stadt, in der ihm außer dem Kollegen Alexandre keine Freunde mehr geblieben waren, und zog an seinen Sehnsuchtsort im Luberon, wo er von nun an als einfacher Dorfgendarm tätig sein wollte. Ein anderes, ein ganz neues Leben wollte er beginnen, endlich leben, Zeit haben, um sich all den Genüssen widmen zu können, die ihn glücklich machen. Und in diesem dritten Band der Reihe von Provencekrimis aus der Feder von Andreas Heineke sieht es ganz so aus, als wäre Pascal schließlich angekommen! Zwar wird er auch in der betörenden Provence mit ihrem einzigartigen Licht, ihren unverwechselbaren Düften, ihrer Wärme und ihren Farben zur Aufklärung von skurrilen und kniffligen Verbrechen gerufen und bekommt es mit gefährlichen Kriminellen zu tun, die über Leichen gehen und denen aus seiner Zeit in Paris in nichts nachstehen, aber er hat dennoch seinen Frieden gefunden und die vergangenen schwierigen Jahre verblassen immer mehr. Das Hier und Jetzt gilt es zu genießen und die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen.
Einen wunderbaren und ohne Einschränkungen sympathischen Protagonisten hat der Autor mit dem tiefgründigen Pascal erschaffen, jemanden, der in sich zu ruhen scheint, dessen Ausgeglichenheit und ruhige Zurückhaltung, gepaart mit Nachdenklichkeit und der ausgesuchten Höflichkeit, die man Franzosen gerne nachsagt, in außerordentlich angenehmen Gegensatz stehen zu den meisten anderen Kriminalisten, die einem in Büchern und in Filmen begegnen und deren übertriebene Betriebsamkeit und Ruhelosigkeit sehr anstrengend sein können. Und die ganz an der Oberfläche bleiben, während bei Pascal immer mehr Tiefgründigkeit zutage kommt. Er, Pascal, mit der Leidenschaft für die kultivierte Küche und die hohe Kunst des Kochens, passt so genau in die Landschaft, die er sich als Lebensmittelpunkt ausgesucht hat, wie die Fälle, die er zu untersuchen hat.
Ein unbedeutender Dorfgendarm wollte er sein, allerhöchstens einmal Streit unter Nachbarn schlichten, sich vielleicht hin und wieder um kleinere Diebstähle kümmern, doch wurde er bereits kurz nach seiner Ankunft im Luberon von der Police nationale in Apt um Amtshilfe gebeten, hat mit ihr gemeinsam zwei Mordfälle gelöst – und schickt sich nun zum dritten Mal an, seinen Schreibtisch in der Mairie – und damit auch, leichten Herzens, den ungeliebten, von sich selbst eingenommenen Bürgermeister Betrix – in Lucasson zu verlassen, um mit seiner, von ihm bewunderten, Kollegin Audrey aus Apt Licht zu bringen in den brutalen Mord an einer jungen Kunsthistorikerin, die als Führerin in einer geradezu sensationellen Picasso Ausstellung an des letzteren Wohnsitz, dem Chateau de Vauvenargues, tätig war und dort auch ihren vorzeitigen Tod fand.
In gewohnter unaufgeregter Gemächlichkeit beginnt Pascal mit seinen Ermittlungen und findet sich alsbald inmitten der für Außenstehende kaum durchschaubaren, abgründigen Kunstszene, zwischen rivalisierenden, die Preise für die Kunstwerke diktierenden und manipulierenden Galeristen, brillianten und mediokren Fälschern, Kunstsachverständigen, die in akribischer Kleinarbeit wie wahre Detektive, gepaart mit allerhöchster Expertise, die Echtheit etwa, wie hier in der Geschichte, eines Picasso oder Cezanne, dem berühmtesten Maler der Provence, nachweisen, einer anmaßenden Museumsleiterin, einer arroganten und höchst unverschämten Kuratorin und nicht zuletzt ehrgeizigen Kunsthistorikerinnen, die über all ihrem Sachverstand und engem Kontakt mit den berühmtesten Gemälden der Welt nicht nur die Kontrolle über ihr Handeln und die Einsicht in das eigene Tun, sondern auch noch den Verstand verloren haben.
So wie Pascal in sein Luberon passt, so passt auch der sich langsam aufrollende, immer wieder von Einblicken in Pascals Privatleben unterbrochene überraschungsreiche Mordfall in die Provence, Heimat der Kunst und der Künstler – nicht nur des besonderen Lichtes wegen, wie man vermuten darf. Gewiss, Pascals vorherige Fälle waren spannender, aktionsreicher, gefährlicher auch für den die Ruhe und den Frieden suchendem Dorfgendarm. Dennoch betrachte ich „Fälschung à la Provence“ als den thematisch interessantesten, ausgereifteren der bislang drei Romane. So wie Pascal selber habe ich einen aufschlussreichen Einblick bekommen in eine Welt, die ich immer als Domäne der Reichen und selbsternannten Wichtigen der Gesellschaft angesehen habe – was sich hier so eindrücklich wie bedauerlich bestätigt -, und in die Mechanismen, die dafür verantwortlich sind, dass ein Gemälde für einen Betrag in dreistelliger Millionenhöhe verkauft wird. Lächerlich mutet das an, denn vom rein materiellen Wert sind diese Summen einfach nur utopisch. Eine Welt, die ihren Sinn für Proportionen verloren oder auch nie besessen hat.
Aber auch da ist es wieder Pascal, der die Dinge gerade rückt in einer der schönsten Szenen, ganz am Ende, dieses Kriminalromans, der sich hinter den Provencekrimis eines Martin Walker ganz und gar nicht zu verstecken braucht, und die der Leser am besten selbst entdecken sollte! Man muss ein schönes Gemälde nicht besitzen, um Genuss, Vergnügen, Befriedigung, Glück, Bewunderung – die ganze Skala menschlicher Emotionen also – bei seinem Betrachten zu verspüren. Es ist völlig ausreichend, sich mit allen Sinnen hinein zu vertiefen – so wie in diesen licht- und lebensvollen Roman auch!

Veröffentlicht am 17.08.2021

Literarisches Lesevergnügen ersten Ranges

Nur der Tod ist unsterblich
0

Nach dem Lesen der Inhaltsangabe zu Reinhard Gnettners Erstlingswerk „Nur der Tod ist unsterblich“, über dessen Titel man durchaus sinnieren kann, stellte ich mir zwei Fragen. Die erste lautete, etwas ...

Nach dem Lesen der Inhaltsangabe zu Reinhard Gnettners Erstlingswerk „Nur der Tod ist unsterblich“, über dessen Titel man durchaus sinnieren kann, stellte ich mir zwei Fragen. Die erste lautete, etwas verwundert: Ja sind die fünf Literaturgrößen, die die Hauptrollen in dem Roman spielen, nicht schon unsterblich – zu Lebzeiten und dann erst recht nach ihrem Tod? Und die zweite Frage war die nach der Auswahl gerade dieser, Stefan Zweig, Erich Fried, Leo Perutz, Friedrich Torberg und Heimito von Doderer – mir wären noch mehr „Unsterbliche“ ihres Formats eingefallen... Was also waren die Kriterien, besagte fünf Persönlichkeiten durch einen „mörderischen Literaturkrimi“ mit noch einem Hauch mehr dieses eigentlich paradoxen Adjektivs auszuzeichnen?
Liest man sich durch den hochinteressanten und genau so hoch zu lobenden Anhang, der nicht nur ihre vielen Originalzitate, mit denen, teilweise in leicht abgewandelter Form, der Autor seine Geschichte an- und unendlich bereichert, nachweist, sondern auch aussagekräftige Kurzbiographien der von ihm erkorenen Meister des geschriebenen Wortes beisteuert, fällt alsbald auf, dass die fünf Herren samt und sonders in irgendeiner Weise mit dem 9. Wiener Gemeindebezirk Alsergrund in Verbindung stehen (was gleichzeitig die Erklärung ist, warum etwa der von mir verehrte gebrochene Charakter eines Joseph Roth, einer der größten Wiener, obwohl ursprünglich nicht aus der Stadt an der Donau stammend, hier nicht mittung durfte, wiewohl er genau gepasst hätte in all seiner ewigen Traurigkeit und Skurrilität gleichzeitig).
Und dann die Unsterblichkeit, die ich unseren wackeren Protagonisten wie selbstverständlich attribuiert hatte – ja, die stimmt heute auch nicht mehr wirklich, wie eines der Mitglieder der Altherren-WG, die sie flugs gründeten, in eben jenem Alsergrund selbstredend, anhand von den immer geringer werdenden Verkaufszahlen ihrer jeweiligen Werke demonstrierte! Unsterblich sind eben nur diejenigen, die bleibende und ergo erinnerte Spuren hinterlassen haben. Und in Vergessenheit zu geraten, bedeutet im Umkehrschluss, dass auch eine vormalige Unsterblichkeit zurückgenommen und wieder sterblich werden kann...
Dagegen aber wollen die munteren Herren, inzwischen jenseits der Hundert, vorgehen! Jeder von ihnen beabsichtigt, ein Opus Magnum zu verfassen, eines, das sie aus den bodenlosen Tiefen der Vergessenheit herausholt und ihre Unsterblichkeit auch für die Nachgeborenen zementiert. Und wo kann man diese Krönung ihres literarischen Schaffens wohl ersinnen und zu Papier bringen? Richtig, dort wo ihnen schon immer die kreativsten Ideen kamen – im Caféhaus! Nur leider wurden auch diese, die echten, die, die eine so lange Tradition nicht nur in Wien hatten, von der unbarmherzig voranschreitenden Zeit verwässert, verdrängt oder ganz und gar verschluckt. Doch, wie gesagt, die äußerlich gebrechlichen, aber geistig sehr agilen Herren sind findig wie eh und je. Sie gründen ihre Altherren-WG, errichten als deren Mittelpunkt ihr eigenes Caféhaus und engagieren der zerbrechlichen Gesundheit und dem daraus resultierenden erhöhten Pflegebedarf wegen die patente Ella – Haushälterin, Managerin, Pflegerin und stets anteilnehmende Zuhörerin und Gesprächspartnerin in Personalunion. Und nachdem alles gemäß ihren Wünschen und Bedürfnissen geordnet wurde, könnten sie eigentlich loslegen mit ihrem Opus Magnum, nicht wahr? Und damit endgültig den Literatenolymp erklimmen? Leider, aber wie das im Leben nun einmal so ist, stellen sich nicht vorhergesehene Schwierigkeiten ein, wie der Leser bald konstatieren wird, nicht überraschend, möchte man meinen, wenn man das Alter unserer Protagonisten betrachtet. Und dann – der Klappentext verrät es uns – stirbt einer nach dem anderen und, ehe sie es sich versieht, ist das reizende, auch schon etwas angejahrte Fräulein Ella (kann man einen entzückenderen, liebenswerteren Charakter erfinden?) zum Ziel der polizeilichen Ermittlungen und im Nu zur Hauptverdächtigen geworden!
Doch noch ist nicht aller Tage Abend, denn die verblichenen Literaten haben schließlich auch noch ein – posthumes – Wörtchen mitzureden. Und damit retten sie nicht nur ihr dienstbares Fräulein sondern verschaffen sich am Schluss, wie der Leser mit größter Befriedigung sicher vermuten darf, mit einem besonderen, einem so originellen und genialen wie naheliegenden Coup die Eintrittskarten zum Götterhimmel!
Mit enormem Vergnügen habe ich den ungewöhnlichen, in sprachlich wunderbarem, liebenswürdig altmodisch anmutendem Diktus abgefassten Roman gelesen, mich gefreut über die nach meiner Einschätzung, weil durchaus vertraut mit den Schriftstellern Zweig, Perutz, von Doderer, Torberg und Fried – mit letzterem ganz besonders – und ihren Werken, sehr treffenden Charakterisierungen der „Unsterblichen“, und immer wieder habe ich gelächelt über die liebevolle Art und Weise, mit der der Autor ihnen ihre kleineren und manchmal größeren Macken gelassen, ja sie sogar damit geschmückt hat. Er kennt und versteht sie gut, die fünf Wiener!
Grandios auch die Wahl der Todesarten, mittels derer er sie im Roman ins Jenseits befördert hat, jeder einzelne Tod ist ganz speziell auf den, der ihn jeweils erleidet, zugeschnitten – und ich ertappe mich bei dem Wunsch, unsere fünf so einnehmend wie skurril geschilderten und agierenden Protagonisten hätten auf genau diese Weise auch im wahren Leben ihr irdisches Dasein beenden können. Ja, sie sind mir sehr nahe gekommen, die höflichen und gleichzeitig so eigenen und eigenwilligen, kämpferischen und immer wieder auch mutlosen Herren aus einer längst vergangenen Epoche, samt ihrem Fräulein Ella, das endlich leben und nicht nur mehr dienen möchte und doch nicht gegen ihre Natur ankommt, samt dem unaussprechlichen und natürlich stark überzeichneten (was ihnen dann schon wieder einen gewissen Charme verleiht) Hausbesitzerpaar Zihal, das die lauten, sich streitenden, manchmal auch mit Gegenständen um sich werfenden Alten nur zu gerne aus der großen Caféhaus-Wohnung geekelt hätte, und samt auch dem gutmütig-höflichen, aber überforderten, kurz vor der Pensionierung stehenden Kommissar, der die Schlag auf Schlag aufeinanderfolgenden Todesfälle – oder waren es etwa doch Morde? - in der Altherren-WG zu untersuchen hat.
Abschließend mein Kompliment an den Autor und gleichzeitig Dank für die so kurzweiligen wie anregenden Lesestunden, die er mir mit diesem Buch ohne Fehl und Tadel beschert hat. Auf dass die Herren aus dem Alsergrund ein wohlverdientes Revival erleben dürfen - und ihre Unsterblichkeit behalten mögen!

Veröffentlicht am 06.08.2021

Wie Minou ihrem Herzen folgt und ihre Hexe findet

Hexe gesucht - Familie gefunden
0

Minou ist schon eine besondere Katze: als siebtes Kätzchen aus dem siebten Wurf ihrer Mutter Nanette, die ihrerseits auch der siebte Nachkömmling war, ist sie prädestiniert dafür, eine Hexenkatze zu sein. ...

Minou ist schon eine besondere Katze: als siebtes Kätzchen aus dem siebten Wurf ihrer Mutter Nanette, die ihrerseits auch der siebte Nachkömmling war, ist sie prädestiniert dafür, eine Hexenkatze zu sein. So hört sie es in den Geschichten ihrer Mutter, von denen sie gar nicht genug bekommen kann. Wie die pechschwarze Bella Noire, die einst einer Hexe diente, möchte Minou sein, genau so! Nur, wo findet sie ihre eigene Hexe, diejenige, für die sie bestimmt ist? Wenn es anscheinend nicht einmal Menschen gibt, bei denen sie wohnen kann, die sie, gerade sie haben wollen! Nachdem nämlich all ihre Geschwister ihre neuen Familien gefunden haben, bleibt Minou alleine bei ihrer Mutter zurück, voller Selbstzweifel. Klein ist sie, kleiner als ihre Brüder und Schwestern, und sie benimmt sich komisch, wenn Besuch kommt, der sich ein Kätzchen aussuchen möchte. Klar, sie ist schwarz, pechschwarz, wie sich das für eine richtige Hexenkatze gehört, aber da ist dieser Makel, dieses eine lange weiße Haar zwischen ihren Zehen! Sollte es daran scheitern? Nun, vorerst träumt sie jedenfalls weiter, auch dann, als endlich Lukas und Viola erscheinen und Minou mit nach Hause nehmen, in ein Haus, in dem die Kinder Emma, Michael und Baby Jakob auf sie warten, entzückt über die witzige kleine Katze, gleichzeitig laut, lärmend, stürmisch, wie kleine Kinder nun einmal sind. Zum Glück ist Minou hart im Nehmen und gewöhnt sich überraschend schnell an ihr neues Leben, auch wenn sie Vieles nicht versteht, vor allem nicht, was das mit den vielen Verboten soll, mit der ihre Menschen sie belegen und die sie, in aller Unschuld versteht sich, nicht immer einhält, nicht einhalten kann, weil sie den Sinn dahinter nicht versteht. Doch wenn sie es sich recht überlegt – eigentlich ist sie ganz zufrieden bei der chaotischen Familie, wenn da nicht dieser große, dieser unbändige Wunsch wäre, ihre Hexe zu finden und bei ihr in die Lehre zu gehen, wie dereinst die sagenumwobene Bella Noire, der sie unbedingt nacheifern möchte! Dass sie ihr neues Zuhause dann verlassen muss, weiß sie, und das erfüllt sie mit Traurigkeit, lässt sie in ihrem Herzenswunsch immer wieder wankend werden. Moralische Unterstützung und Ermutigung aber erfährt sie von ihren neuen Freunden, dem riesigen Nachbarshund Bruno, der Ratte Roko und der Krähe Corrax – die letzten beiden sind selbst Hexentiere und kennen sich aus. Sie raten der von Ängsten und Selbstzweifeln geplagten Minou, unbedingt auf ihr Herz zu hören, denn dann – ja dann werde alles, alles gut werden!
Und recht haben sie, ganz klar, denn wie könnte eine Geschichte wie diese kein Happy End haben? Ein unerwartetes freilich, obwohl – vielleicht doch nicht? Womöglich musste alles genau so kommen, wie wir es in diesem rundum sympathischen Buch lesen, einer märchenhaften Katzengeschichte – manche mögen es als Fantasy bezeichnen - , der eine hübsche, nicht alltägliche Idee zugrunde liegt und die durchgehend von dem Katzenmädchen Minou höchstpersönlich erzählt wird. Noch dazu ist sie bevölkert von einer ganzen Schar liebenswerter Charaktere – egal ob menschlicher oder tierischer Gestalt; das Böse bleibt außen vor, wie ich erfreut und befriedigt konstatieren konnte. Schlechte, übelwollende Kreaturen haben in dem freundlichen kleinen Buch mit den eleganten Illustrationen nichts verloren. Die sollen sich gefälligst in anderen Romanen tummeln – und tun das schließlich auch zuhauf!
Herzerwärmend scheint mir das passende Attribut für die Geschichte um die wackere kleine Minou, die ihren Träumen folgt und damit genau das Richtige tut. Ganz reizend und erfrischend ist auch der Stil des Büchleins! Katzenbesitzer – und ich gehe davon aus, dass die Mehrzahl aller Leser, die ihren Weg zu Elisabeth Marienhagens Hexenkatzenbuch gefunden haben, zu dieser Gruppe gehören – sind sicherlich sehr einverstanden mit der Art und Weise, in der die Autorin sich in die bezaubernden, rätselhaften, anschmiegsamen, manchmal kratzbürstigen, aber vor allen Dingen unabhängigen, eigenwilligen und freiheitsliebenden Samtpfoten hineinversetzt und aus Katzensicht das Geschehen rundherum betrachtet und erzählt. Das zeugt von Sensibilität und genauer Beobachtung, denn, sollten Katzen kognitive Fähigkeiten haben, was selbstverständlich kein Katzenfreund auch nur im Geringsten bezweifeln würde, dann könnte das genau so aussehen, wie die Autorin es in ihrer sehr gelungenen Geschichte, die den Leser unweigerlich in gute Laune versetzt, zum Ausdruck bringt!

Veröffentlicht am 17.07.2021

Kobolde - Schützer und Bewahrer des Lebens auf der Erde

Fynn & Ally
0

Der Koboldjunge Fynn, Protagonist der so liebenswerten wie aufregenden Geschichte, zu der ich mir hier ein paar Gedanken machen möchte, ist ein aufgewecktes Kerlchen (Kobolde sind nach der Vorstellung ...

Der Koboldjunge Fynn, Protagonist der so liebenswerten wie aufregenden Geschichte, zu der ich mir hier ein paar Gedanken machen möchte, ist ein aufgewecktes Kerlchen (Kobolde sind nach der Vorstellung des Autors winzige Wesen, die die Menschenwelt zahlreich bevölkern und nur von denen wahrgenommen werden – wenn überhaupt - , die sich noch nicht völlig entfremdet haben von unserem ureigenen Lebensraum und mit ihm im Einklang und nicht gegen ihn leben). Wenn es manchmal so scheint, als wäre er schwer von Begriff, so täuscht das! Fynn nämlich, ohne jeden Arg, tut sich lediglich schwer damit, das Böse zu sehen und zu begreifen. Möge ihm diese so positive Eigenschaft erhalten bleiben, selbst dann, wenn er in der Koboldschule in den Bergen seine Ausbildung zum Wächter abgeschlossen hat und ein vollwertiges Mitglied des Ordens, der Gemeinschaft der Kobolde, geworden ist, die es als ihre Aufgabe ansehen, ihre Welt, die auch diejenige der Menschen ist, vor Unheil zu bewahren und sie und all ihre Lebewesen ihren Schutz angedeihen zu lassen. Eine so lobenswerte wie schwierige Aufgabe, denn auf unserer Erde brennt es an allen Ecken und Enden, und man mag sich gar nicht vorstellen, wie sie aussehen würde ohne den beherzten und nimmermüden Einsatz der Kobolde...
Fynn begegnen wir zu Anfang des bezaubernden Fantasyromans nicht etwa in seiner Schule unter der Ägide des allseits bekannten und bewunderten Lehrers und Meisters Hendrik, sondern vielmehr auf einem Schiff Richtung China, zusammen mit seiner wagemutigen und allen Widrigkeiten gewachsenen Freundin Ally! Dorthin wollen sie die Prinzessin Shen-Mi begleiten, um sie vor dem bösen Huai Chen in Sicherheit zu bringen – man sieht also, dass es auch unter den Kobolden schwarze Schafe gibt! Doch der unter Tieren im Walde aufgewachsene Fynn hat noch einen anderen Grund für die Reise: lange schon sehnt er sich danach, endlich seinen leiblichen Eltern zu begegnen, von denen er als Kleinkind durch ungeklärte Umstände getrennt wurde....
Die Reise freilich läuft anders als geplant – und nach einem Unglück auf dem Schiff, verursacht durch eine Mine, die das Abladen von Giftmüll ins Meer verschleiern sollte, landen Fynn und Ally auf einer Insel, auf der sie auf den weißen Gorilla Kiko und den Helmvanga Roy treffen, die beide skrupellosen Tierfängern entkommen sind. Nun, getreu dem Credo ihres Ordens müssen die zwei Koboldkinder, die es allerdings an Courage und Einfallsreichtum mit einer ganzen Kompanie Soldaten aufnehmen können, zunächst einen Abstecher nach Afrika machen, um sicherzustellen, dass Roy und Kiko, beide gefährdeten Tierarten zugehörig, sicher in ihre Heimat zurückgeführt werden. Und das ist gar nicht so einfach, wie sie bald feststellen müssen!
Weit Abenteuerlicheres und Gefährlicheres aber steht Ally und Fynn noch bevor, als sie die Weiterreise nach China antreten, um die Prinzessin wiederzufinden und unbeschadet zu ihrem Vater zu bringen. Denn alsbald geraten sie in eine Falle und stehen dem Erzschurken Huai Chen persönlich gegenüber, der gar Böses im Schilde führt. Wie sie mit List und Entschlossenheit und nicht zuletzt dank der tatkräftigen Hilfe ihrer Artgenossen und einer Schar gefiederter und vierbeiniger Verbündeter, denn da besteht ein unzerreißbares Band zwischen den Kobolden und den Tieren, den selbst gewählten Auftrag zu einem guten Ende bringen und sich noch dazu Fynns sehnlichster Wunsch, nämlich seine Eltern wiederzufinden, erfüllt – ja, das müssen die jungen und nicht mehr ganz so jungen Leser schon selbst herausfinden....
„Die große Reise“ ist Band 2 der Geschichte um die beiden jungen Kobolde Fynn und Ally. Doch auch ohne die Kenntnis des ersten Buches bereitet sie uneingeschränkten Lesegenuss für Groß und Klein und bietet darüber hinaus viel Stoff zum Nachdenken und zum regen Gedankenaustausch, wenn man sie denn – idealerweise – gemeinsam mit einem der Zielgruppe (ab etwa acht Jahren) zugehörigen jungen Leser liest.
Der Fantasyroman ist so spannend wie amüsant und anrührend, dazu sehr abwechslungsreich und bevölkert mit den liebenswertesten Kreaturen, die man sich nur vorstellen kann (solange es sich um Tiere und Kobolde und eine sehr überschaubare Handvoll Menschen handelt freilich), die unbedingt schützenswert sind. Und dass der Autor seine kleinen und größeren Protagonisten vor dem realistischen Hintergrund einer gar nicht heilen Welt agieren lässt, die sich langsam und mit unverständlicher Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit selbst zerstört – und wie Fynn und Ally das zu erklären versuchen, ist wunderbar gemacht und für junge Leser sehr verständlich und nachdrücklich auf den Punkt gebracht! -, hatte ich zunächst nicht erwartet, ist aber einer der Punkte, die mir besonders gefallen an der parabelhaften Fantasygeschichte, die dennoch so nah an der Wirklichkeit bleibt. So ist unsere Welt nun mal, so erschreckend es auch ist. Und nur, wenn man über die zerstörerischen Mechanismen Bescheid weiß, die diese Welt zu einem Ort gemacht haben, an dem alles, aber auch alles, profitgesteuert ist, ohne Rücksicht auf Verluste, kann man gegensteuern, genauso wie das die Kobolde machen, die sich nicht umsonst Wächter nennen, und so, wie es jeder von uns tun kann, durch Menschlichkeit und Rücksicht und Achtung vor der so fragilen Natur und ihren Lebewesen. Gorillas werden vielleicht das 21. Jahrhundert nicht überdauern, so wie viele weitere Spezies ausgerottet sein werden, wenn man, sprich die Völkergemeinschaft, nicht schleunigst die Notbremse zieht. Das Buch macht Hoffnung, auch wenn das nur ein Hoffnungsschimmer ist, nachdem zwei Vertreter der inzwischen selten gewordenen Arten wieder ihrer Heimat, ihrem angestammten Lebensraum zugeführt worden sind, nachdem im weiteren Verlauf der Geschichte dem Streben nach Allmacht mit Hilfe einer zerstörerischen, nicht mehr beherrschbaren Technik Einhalt geboten wurde – durch Mut, Entschlossenheit, Zusammenhalten und bedingungslosem Einsatz der winzigen Hüter und Bewahrer der Erde und all dem, das auf selbiger seine Berechtigung zum Leben hat. Und Hoffnung braucht es, bei allem realistischen Pessimismus!

Veröffentlicht am 10.07.2021

Miss Marple einmal mehr als Rachegöttin

Das Geheimnis der Goldmine
0

Mit Kinderreimen, den sogenannten „Nursery Rhymes“ großgeworden, wie es üblich war in gutsituierten britischen Familien, in denen die Kinder, wie heutzutage meistens nur noch bei Königs, weniger von den ...

Mit Kinderreimen, den sogenannten „Nursery Rhymes“ großgeworden, wie es üblich war in gutsituierten britischen Familien, in denen die Kinder, wie heutzutage meistens nur noch bei Königs, weniger von den Eltern als vielmehr von ergebenen Kinderfrauen erzogen wurden, nimmt es nicht wunder, dass die englische Kriminalschriftstellerin Agatha Christie sich gelegentlich Zeilen aus solchen Reimen bediente, um ihren Romanen ihre oft eigenwilligen Titel zu geben.
So auch bei ihrem 45. Krimi, „A Pocket Full of Rye“, aus dem im Deutschen, wie gewohnt weniger passend, „Das Geheimnis der Goldmine“ wurde. So abwegig ist dieser Titel zwar nicht, wie man während der Lektüre feststellen wird, aber er trägt doch in keiner Weise der genial komponierten Geschichte Rechnung, deren drei Morde allesamt durch die Zeilen des ihr zugrunde liegenden Kinderreims „Sing a song of sixpence“ miteinander verbunden sind. Man kann nur staunen, wie die unvergleichliche „Lady of Crime“ das hinbekommen hat – ein weiterer Beweis dafür, wie perfekt sie nicht nur ihr Handwerk verstand, sondern wie unerschöpflich ihr Ideenreichtum war!
„A Pocket Full of Rye“ gehört in eine ihrer späteren Schaffensperioden, die fünfziger Jahre, in der sie weitgehend Abstand genommen hatte von exotischen als auch Spionageelementen, Verschwörungen, größenwahnsinnigen Möchtegern-Weltbeherrschern zugunsten eines typisch englischen, vordergründig beschaulichen Settings, angesiedelt im ländlichen England, wie hier im fiktiven Baydon Heath, unweit von London, wo hauptsächlich reiche Leute wohnen. Mord in wohlsituierten Kreisen allerdings ist man bei Dame Agatha gewöhnt; es sind ihre eigenen Kreise, da kennt sie sich bestens aus. Zunehmend auch lässt sie die verzwickten Morde, mit denen sie ihre Leser konfrontiert und die zu lösen sie sie mit clever eingestreuten Hinweisen und noch viel mehr falschen Fährten auffordert, in mal gepflegten, mal unheimlichen, mal vernachlässigten Landhäusern geschehen, allesamt bewohnt von teils weitverzweigten Familien, deren glatte und vermeintlich heile Fassaden sie unbarmherzig zum Bröckeln und anschließend zum Einstürzen bringt. Genau das ist ihre größte Stärke; eher introvertiert, war sie immer eine äußerst aufmerksame Beobachterin, jemand, der auch auf die kleinsten Details achtete und, in Kenntnis der menschlichen Natur, ihre Schlüsse zog – und gewöhnlich mitten ins Schwarze traf!
Auch im hier zu besprechenden, mit trockenem Humor und sanfter Ironie geschriebenen Krimi ist es ein Vergnügen, die Protagonisten zunächst gemächlich kennenzulernen – treffende Charakterisierungen gelangen Agatha Christie mit nur wenigen Strichen! - und dabei immer tiefere Blicke unter die Oberfläche zu werfen. Und da kann man schon erschauern, denn selten hat die Autorin eine solche Ansammlung von unsympathischen, ja geradezu abstoßenden Figuren zustandegebracht – was ihr vermutlich größtes Vergnügen bereitet hat – wie hier! Jedem sind die drei bereits erwähnten Morde zuzutrauen, alle hätten Gelegenheit und Motiv gehabt – und der Leser dürfte fast bis zum Schluss ziemlich verloren umherirren. Doch hat ihm Agatha Christie eine Hilfe zur Seite gestellt, ihr eigenes Alter Ego nämlich, die betuliche und stets ein wenig unbedarft erscheinende alte Jungfer Miss Marple aus St. Mary Meade, mit einem exzellenten Verstand ausgestattet, Menschenkennerin par excellence, die jedem jede Schlechtigkeit zutraut.
Als der durchaus fähige, sehr menschliche und mit spannender Vorstellungskraft gesegnete ermittelnde Inspektor Neele in Yewtree Lodge, dem Landsitz der Familie Fortescue und Ort des Geschehens, die Bewohner genauer unter die Lupe nimmt, steht die immer leicht verwirrt erscheinende alte Dame plötzlich vor der Tür und bietet ihre Hilfe an, nachdem sie in der Zeitung von den Morden gelesen hatte, wobei ihr Interesse weder dem toten Patriarchen Rex Fortescue noch dessen zweiter, sehr attraktiver, aber nun leider ebenfalls ermordeten Ehefrau gilt sondern vielmehr dem Hausmädchen Gladys, das einst von ihr höchstpersönlich in diesem Beruf ausgebildet wurde und dessen Leiche man mit einer Wäscheklammer auf der Nase fand – für sie Beweis für einen von Grund auf bösen Mörder, dem sie nun, unter allen Umständen und mit zorniger Entschlossenheit, das Handwerk legen möchte.
Miss Marple Fans wissen, wie ihr das gelingt! Sie hört einfach nur zu, wohl wissend, dass man sich nicht in acht nehmen muss vor einer so harmlosen und Unverständliches brabbelnden, offensichtlich konfusen und gebrechlich wirkenden, so mitfühlenden alten Frau; der erzählt man viel, zu viel, und man verrät sich, ohne das auch nur zu merken. Und schon schnappt die Falle zu, der Mörder ist ertappt, der Leser verblüfft, sofern er nicht selber auf die Lösung gekommen ist, auf jeden Fall aber hochzufrieden, und Miss Marple kann wieder zurückreisen nach St. Mary Meade, dem Mikrokosmos des Verbrechens. Doch nein, ganz so ist das hier nicht – und warum das nicht so ist, kann natürlich an dieser Stelle nicht preisgegeben werden, genauso wie ich darauf verzichte, die recht komplexe Handlung zusammenzufassen. Doch es sei daran erinnert, dass Agatha Christie nicht umsonst eine der größten, wenn nicht sogar die größte, Kriminalschriftstellerinnen aller Zeiten ist – und als solche keinesfalls berechenbar sondern immer für eine Überraschung gut!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere