Entführung auf Distanz
EskalationWas für ein Pageturner! Die originelle Grundidee und die vielen sehr kurzen Kapitel mit Uhrzeitangaben lassen die 315 Seiten nur so vorbeifliegen. Der Thriller entwickelt sich dadurch fast in Echtzeit, ...
Was für ein Pageturner! Die originelle Grundidee und die vielen sehr kurzen Kapitel mit Uhrzeitangaben lassen die 315 Seiten nur so vorbeifliegen. Der Thriller entwickelt sich dadurch fast in Echtzeit, man springt zwischen Opfer, Täter, Polizei und anderen involvierten Personen schnell hin und her.
Die Handlung spielt in einem Zeitraum von rund dreieinhalb Tagen irgendwo in Deutschland an der A1 (einziger Hinweis dazu: die Herrencreme). Der Ort selbst ist aber nicht wichtig, die Verbrechen könnten beinahe überall so stattfinden.
Viele kleinere Firmen und Selbstständige werben auch heute noch (prä-Internet war das noch wichtiger) auf ihren Autos mit ihrem Logo und einer Kontaktmöglichkeit. Heutzutage kann man da eine Web- oder Mailadresse oder social media angeben, früher blieb nur die Telefonnummer.
Das Firmentelefon ist dann natürlich idealerweise auch immer im Auto mit, damit potenzielle Kunden gleich jemanden erreichen. Und man ist dann auch sehr verleitet, immer abzuheben, egal wie spät es ist. Genau das wird Protagonistin Dina zum Verhängnis. Ein Unbekannter ruft sie an und gibt ihr Anweisungen, wohin sie fahren soll.
Entführt, alleine im eigenen Auto? Geht das? Mithilfe vieler kleiner Wendungen (manche absehbar, manche nicht) gelingt es Nora Benrath, aus dieser leicht schrägen Idee eine packende Erzählung über die menschliche Psyche zu machen. Neben dem Täter-Opfer-Spiel und den Polizeiermittlungen widmet die Autorin vor allem der Presse viel Raum, wohl auch weil sie selbst Journalistin ist und diesen Teil authentisch formulieren kann.
Ein kleiner Wermutstropfen waren für mich die genutzten Klischees die zwischendurch und bei der Aufklärung vorkommen. Sie dienen genauso als falsche Fährten wie auch als Erklärung der Geschichte.