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Veröffentlicht am 20.05.2017

Das Streben nach Glück

Fat City
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FAT CITY von Leonard Gardner ist ein amerikanischer Klassiker, der bereits 1969 veröffentlicht wurde. Ich hatte das Glück, den Roman in einer gelungenen neuen deutschen Übersetzung lesen zu dürfen. ...


FAT CITY von Leonard Gardner ist ein amerikanischer Klassiker, der bereits 1969 veröffentlicht wurde. Ich hatte das Glück, den Roman in einer gelungenen neuen deutschen Übersetzung lesen zu dürfen.
Überhaupt liebe ich amerikanische Literatur sehr, vielleicht noch mehr als die deutsche, da es allein durch die englische Syntax möglich ist, Dinge schneller auf den Punkt zu bringen als im
Deutschen. Auch englischsprachige Fachliteratur ist meines Erachtens lesenswert und es macht sogar Spass, sie zu lesen, nicht umsonst landen die deutschen Übersetzungen oft auf den Sachbuchbestsellerlisten. Doch zurück zum Roman „Fat City“ . Er ist in gewisser Hinsicht eine uramerikanische Erzählung – im Zentrum steht das Streben nach Glück und die Jagd nach dem Amerikanischen Traum. Aufstiegshoffnungen und der Wunsch, etwas aus seinem Leben zu machen. Ist nicht das Leben sowieso ein Kampf ? Gardner macht vielleicht nicht zufällig zwei Boxer zu den Protagonisten seiner Geschichte. Die Lebenswege von Ernie Munger und Billy Tully aus Stockton, Kalifornien, kreuzen sich. Beide sind sie Boxer, der eine hat seine Zwanziger bereits hinter sich gelassen, der andere ist ein Twen. Beide träumen vom sozialen Aufstieg und davon, der Enge ihres Daseins zu entfliehen. Kürzlich habe ich einen anderen Roman, in welchem es (peripher) um das Boxen geht, gelesen: „DER CLUB“ von Takis Würger. Tully hat seine besten Jahre bereits hinter sich, wird nicht glorifiziert, Munger ist noch hungrig, aber können die beiden ihrem Schicksal entrinnen? Beziehungstechnisch ist es für die beiden Männer auch schwierig – was ist Glück und ist es je von Dauer?
FAT CITY hat mir besser gefallen, denn die Beschreibungen haben mich mehr angesprochen. Es ist nur vordergründig ein Sportroman, also auch für Sportmuffel wie mich gut lesbar. Man muss aber sagen, dass der „Club“ eher eine Art akademischer Schlüsselroman/ Krimi sein will, als eine Aufstiegsgeschichte oder eine Geschichte von Antihelden nach amerikanischer Machart. Sprachlisch und stilistisch hat mir der Roman „Fat City“ auch gefallen – Melancholie und Humor, ein lakonischer Unterton, wenig Pathos, so mag ich meine Bücher!
Manche Elemente in Fat City fand ich berührend, und ich kann den Wunsch nach sozialem Aufstieg sehr gut nachvollziehen.
Obwohl die Erzählung zeitlich im Amerika der fünfziger Jahre angesiedelt ist, ist sie auch heute noch ein packendes Stück Literatur.

Veröffentlicht am 18.05.2017

Spannender Berlinthriller

Das Joshua-Profil
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Max Rhode ist Schriftsteller und lebt mit Frau und Kind in Berlin. Zwar ist die zehnjährige Jola adoptiert, aber dies tut der Vaterliebe keinen Abbruch.
Eines Tages verwandelt sich Max‘ Leben in einen ...

Max Rhode ist Schriftsteller und lebt mit Frau und Kind in Berlin. Zwar ist die zehnjährige Jola adoptiert, aber dies tut der Vaterliebe keinen Abbruch.
Eines Tages verwandelt sich Max‘ Leben in einen Alptraum – Jola soll zu ihren drogensüchtigen Eltern zurück.
Und Max wird plötzlich gejagt, er soll ein Verbrecher sein, das Verbrechen allerdings noch in der Mache.
Als Jola entführt wird, setzt Max alles daran, seine Tochter zu finden, auch wenn die Entführung angeblich Jolas Schutz dienen soll.
Zusammen mit seinem ungeliebten Bruder Cosmo und der Kurierfahrerin Frida ist Max auf der Suche und zugleich auf der Flucht vor einer düsteren Prophezeiung…


Ich habe versucht, in dieser Kurzzusammenfassung nicht zu spoilern. Nur soviel – Fitzek ist von Haus aus Jurist und spielt in seinem Roman diverse Szenarien durch, nicht alle sind absurd. Dies erklärt er auch sehr schön im Nachwort – damit macht er es dem Leser leicht, zu leicht womöglich?
Die Fitzek – Thriller sind so etwas wie mein guilty pleasure, denn literarisch tendiert ihr Wert leider gegen Null. Stilistisch und sprachlich ist „Das Joshua – Profil“ relativ simpel gestaltet. Lineare Erzählweise und Formulierungen, die fast schon umgangssprachlich klingen: „[…] wie wenn[…]“.
Als Leser sollte man nicht allzu viel Tiefgang oder stilistische Finessen erwarten. Fitzeks Roman tangiert philosophisch – ethische Fragestellungen, und um der Spannung willen schneidet er die Themen eben nur an und geht nicht in die Tiefe, ganz klar ist, dass der Thriller primär ein Unterhaltungsroman sein will. Ein sehr guter Unterhaltungsroman, wie ich finde. Andererseits ist es aber auch ein wenig schade, dass der Autor nicht mehr Sitzfleisch für einen fetten Schmöker hatte, aber eine ausführliche Erörterung in Buchform würden passionierte (Fast Food) Thrillerleser vielleicht nicht mittragen.
Ob wohl Verkaufsüberlegungen eine Rolle spielten?
Be as it may, „Das Joshua-Profil“ ist ein sehr spannender Berlin – Thriller, den ich kaum aus der Hand legen konnte, obwohl manche Elemente übertrieben und auch ein wenig unlogisch waren.
Spitze finde ich aber die Berlin – Bezüge, die realistisch, frisch und modern wirken. Auch die Charakterisierung der kleinen Jola ist Fitzek sehr gut gelungen, und die Liebe Rhodes zu seiner Tochter ist wirklich rührend und glaubwürdig! Toll fand ich auch die Figur des Anwaltes, ein unkonventioneller Typ, aber juristisch voll auf Zack. Die weiblichen Figuren sind mir aber zu schematisch gezeichnet – bitchy die Eine, bestechlich die Andere, gerecht die Dritte…
Der Thriller ist spannend und mitreißend, literarisches Fast Food, das gebe ich gerne zu, aber spannend und höchst unterhaltsam! Ich vergebe für „Das Joshua – Profil“ von Sebastian Fitzek 4,5 von fünf möglichen Sternen.

Veröffentlicht am 07.05.2017

Trügerische Erinnerung

Das Buch der Spiegel
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Ein Literaturagent erhält ein Manuskript, von dem er sofort gefesselt ist. Er kann gar nicht mehr mit der Lektüre aufhören, doch das Exzerpt aus der Feder von Richard Flynn endet abrupt.
Der Autor berichtet ...

Ein Literaturagent erhält ein Manuskript, von dem er sofort gefesselt ist. Er kann gar nicht mehr mit der Lektüre aufhören, doch das Exzerpt aus der Feder von Richard Flynn endet abrupt.
Der Autor berichtet von der Ermordung der Psychologie – Koryphäe Joseph Wieder in Princeton. Obwohl die Tat schon vor mehreren Dekaden geschah, wurde das Verbrechen nie aufgeklärt. Der Agent Peter Katz hat Blut geleckt – er will die ganze Geschichte lesen. Doch als er Richard Flynn kontaktiert, stellt er fest, dass dieser bereits verstorben ist. Wo ist der Rest des Manuskripts? Also kontaktiert Katz Flynns ehemalige Mitbewohnerin Laura Baines, die mittlerweile selbst an einer Universität lehrt und Karriere gemacht hat, vielleicht, weil sie Professor Wieder bei seinen Forschungen half?
Katz möchte das Geheimnis rund um Wieders Ableben lüften, und er soll nicht der Einzige bleiben…


Formal ist der Roman in drei Teile gegliedert, auch zeitlich gibt es verschiedene Handlungs- und Erzählebenen. Am besten gefiel mir vielleicht der Achtziger – Jahre – Erzählstrang und die anfängliche Charakterisierung Richard Flynns. Den Mittelteil des Romans fand ich etwas zäh, um ehrlich zu sein, und gegen Ende wollte ich endlich die Auflösung erfahren, aber fieberhaft gefesselt war ich nicht.
Sprachlich und stilistisch bewegt sich der Roman auf hohem Niveau. Der englischsprachige Erstling des nach England emigrierten Autors aus Südosteuropa ist wirklich ein gutes Buch (ich habe die deutsche Übersetzung gelesen).
Allerdings war ich doch etwas enttäuscht, weil ich mir mehr Spannung und Thrill erhofft hatte, da ich im Vorfeld gehört hatte, dass es ein Krimi/Thriller sei.
Auch muss ich sagen, dass für mich die Hauptthese des Autors absolut nicht neu oder überraschend war. In der Oral History steht schon lange fest, dass Erinnerungen vor allem in der Rückschau fast nie verlässliche Informationen bieten, da sehr viele Faktoren eine Rolle spielen. Sowieso ist in der Wissenschaft (wenn man von den exakten Wissenschaften und Naturwissenschaften absieht, und selbst da gibt es diverse Hypothesen) das Vorhandensein einer sogenannten „Objektivität“ höchst umstritten. Ist nicht alles Konstruktion ?
Chirovici geht in Sachen Psychologie nicht in die Tiefe, auch nicht in Sachen Gehirnforschung. Er kratzt lediglich an der Oberfläche, schließlich wollte er einen Unterhaltungsroman schreiben. Er gibt interessante Einblicke (obschon fiktive) in den Fakultäts – und Universitätsalltag in den Achtzigern im anglophonen Raum. Für Laura Baines, die ein Wunderkind zu sein scheint, spielt es eine große Rolle (vor allem beruflich) bei wem sie studierte.

Fazit:
„Das Buch der Spiegel“ hat mich gut unterhalten und es ist weniger flach als viele Romane, die auf den Markt geworfen werden. Auch das Nachwort fand ich interessant und lesenswert!
Daher vergebe ich für den Roman insgesamt 4,5 von fünf möglichen Sternen.

Veröffentlicht am 14.04.2017

Spannender Copthriller

Die Grausamen
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Die Polizisten Gabe und Marta werden von der Polizeibehörde auf’s Abstellgleis geschoben. Gabe ist seit einem traumatischen Erlebnis schwer suchtkrank und er hat Frau und Kind durch eine Scheidung verloren. ...


Die Polizisten Gabe und Marta werden von der Polizeibehörde auf’s Abstellgleis geschoben. Gabe ist seit einem traumatischen Erlebnis schwer suchtkrank und er hat Frau und Kind durch eine Scheidung verloren. Marta, eine toughe Drogenfahnderin mit Latinowurzeln erschoss bei einem Undercovereinsatz versehentlich ihren Partner. Seitdem ist sie eigentlich nicht arbeitsfähig und in ihrer Abteilung geächtet. Zudem wurde ihr Ehemann im Einsatz getötet. Also werden sie beauftragt, sich um ungelöste Fälle zu kümmern.
Bei einem Fall stoßen sie auf Ungereimtheiten. In den neunziger Jahren verschwand ein Kind aus bester Familie, die dreizehnjährige Tessa, auf dem Heimweg spurlos und wurde nie gefunden.
Gabe und Marta stoßen auf fehlerhafte Einträge und vier männliche Tote, von denen sie annehmen, dass diese mit dem Fall Tessa zusammenhängen.
Bei ihren Ermittlungen stoßen die Polizisten auf eine Mauer des Schweigens, doch das ungleiche Paar gibt nicht auf…
„DIE GRAUSAMEN“ ist ein spannender Copthriller und ein wahrer pageturner! Ich habe den Krimi in wenigen Tagen ausgelesen.
Für mich stimmte einfach alles – die gut gezeichneten Protagonisten, das nordamerikanische setting, der raffinierte plot und die Gliederung des Romans. Formal ist der Roman in drei Teile gegliedert. Die Handlung oszilliert geschickt zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Es gibt einen auktorialen Erzähler, der den Leser durch das Geschehen führt.
Ich muss allerdings einräumen, dass Katzenbach das Rad nicht neu erfunden hat. Das „Grundrezept“ kennt man vielleicht schon aus 90-er Jahre Copthrillern. Ein bewusstes Stilmittel des Autors? Ein Ermittlerpaar, Frau und Mann, beide mit Problemen behaftet. Der weibliche Cop hat den Sprung aus dem Ghetto geschafft. Statt Drogen zu verkaufen, kämpft Marta, die alleinerziehende Mutter, für das Gute.
Die Vorgesetzten sind machthungrig, die Vorstadtidylle brüchig, es gibt alte Haudegen und den obligatorischen tätowierten Dealer im Knast, Actionsequenzen, Verfolgungsjagden und Schießereien.
Erinnert stark an einen Hollywoodfilm, oder?
Das hat mich beim Lesen aber nicht gestört, vielmehr habe ich mich gut unterhalten gefühlt. An Spannung mangelt es jedenfalls nicht und die Auflösung ist so abwegig nicht. Gabe und Marta sind mir an’s Herz gewachsen und ich hoffe, dass es weitere Bände rund um die Polizisten geben wird.
Daher empfehle ich die „Grausamen“ von Katzenbach gerne zur Lektüre.

Veröffentlicht am 10.04.2017

Super Titel, gutes Buch

Kann man da noch was machen?
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Auf Laura bin durch auf Twitter aufmerksam geworden. Als ich dann das Buch in der Buchhandlung erblickte, musste ich es unbedingt haben, denn der Buchtitel ist einfach catchy und klasse: „Kann man da ...


Auf Laura bin durch auf Twitter aufmerksam geworden. Als ich dann das Buch in der Buchhandlung erblickte, musste ich es unbedingt haben, denn der Buchtitel ist einfach catchy und klasse: „Kann man da noch was machen“?
Lauras Leben ist eigentlich ganz normal – sie trifft sich gern mit Freunden, arbeitet als Werbetexterin in Berlin, sammelt und liebt Sneaker. Die Tatsache, dass sie im Rollstuhl sitzt, empfindet sie eher als Erleichterung denn als Einschränkung, denn: Behindert ist man nicht, behindert wird man – von der Gesellschaft.
Laura erzählt von der alltäglichen Diskriminierung. Strukturell, gesellschaftlich. Ist Inklusion nur ein Lippenbekenntnis in Deutschland? Oft scheitert die gesellschaftliche Teilhabe von Behinderten schon an der Infrastruktur, an einer Rampe, an einer Dolmetscherin für Gehörlose. Soll der gesunden Mehrheitsgesellschaft nicht zu viel zugemutet werden?
Lauras Buch liest sich klasse, der Ton ist modern und authentisch. Sie berichtet von eigenen Stärken und Schwächen.
Sehr berührt war ich, als sie von Ängsten und Gewaltandrohung berichtete. Die Angst, das eigene Potential nie ganz ausschöpfen zu können. Schreibblockaden, die Angst vor dem leeren Blatt. Die Hänseleien in der Schule, die Lehrerin, die besonders fies war, um Laura „abzuhärten für das Leben“. Was für eine Anmaßung! Im Studium dann missgünstige Kommilitonen, die Laura Maßnahmen zur Herstellung der Chancengleichheit (!) neideten, etwa einen Zeitbonus, der motorische Einschränkungen bei Klausuren ausgleichen sollte.
Aber auch Leute, die Laura ganz normal behandelten, wie etwa ihre Mitbewohnerin in den Niederlanden finden Erwähnung. Laura jammert nicht. Laura redet Tacheles. Spricht Dinge aus, die einfach auch einmal gesagt gehören. Wenn Leute sie fragen, ob ihr „Freund auch behindert“ sei, ist dies unverschämt. Wenn Leute ihr zu zischen, dass „Jemand wie sie unter Hitler noch vergast wurde“, ist das grausam.
Laura muss täglich zusätzliche Kraft für Dinge aufwenden, die nicht nötig wäre, wenn die gesellschaftlichen Strukturen anders wären. Aber schließlich lebt laut Laura auch eine ganze Industrie von Behinderten…
Schon seltsam, dass in einer Industrienation wie Deutschland noch soviel Handlungsbedarf besteht. Finde ich. Eigentlich ein Armutszeugnis, viele Dinge scheinen mir etwa in Großbritannien besser organisiert zu sein.
Es gibt in Gehlhaars Buch aber auch Aussparungen, Dinge, über die ich gerne mehr erfahren hätte, die die Autorin aber wohl privat halten will:
Welche Krankheit hat Laura genau? Wie gestaltete sich ihr Studium, denn es wird kurz abgehandelt? Wieso arbeitet sie nicht als Sozialpädagogin, denn darin hat sie ihren Abschluss gemacht, sondern als Texterin?
Man erfährt aber, dass sich Laura bei den „Sozialhelden“ engagiert.
Trotz meiner Kritikpunkte ist „Kann man da noch was machen“? ein lesenswertes Sachbuch!