Oberflächlich, unstrukturiert und flapsig
Die Frauen der DiktatorenDas Buch wirft einen Blick auf das Eheleben und/oder erotische Leben von achtzehn Diktatoren. Wer durch den Titel erwartet, einen tieferen Einblick in die Gemüter der Frauen an deren Seite zu bekommen, ...
Das Buch wirft einen Blick auf das Eheleben und/oder erotische Leben von achtzehn Diktatoren. Wer durch den Titel erwartet, einen tieferen Einblick in die Gemüter der Frauen an deren Seite zu bekommen, wird zumindest teilweise enttäuscht werden. Tiefgängig ist hier sehr wenig und es geht auch nicht primär darum, diese Frauen kennenzulernen und genauer zu betrachten. Jedes der achtzehn Kapitel ist einem Diktator gewidmet. Eine Unterteilung in fünf Bereiche (Faschisten, Kommunisten, historisch weiter zurückliegend, Asien, Entwicklungsländer) ist keine schlechte Idee, damit hat es sich mit der Struktur aber auch weitgehend. Juan Perón, dessen Geschichte hier hervorragend hineingepasst hätte, fehlt seltsamerweise.
Die Kapitel sind vom Stil, Informationswert und Inhalt sehr unterschiedlich. Manche sind flach, kolportieren Klatschgeschichten oder gleichen einer persönlichen Abrechnung (professionelle Distanz oder sachlich geäußerte Kritik ist keine Stärke des Autors). Andere liefern historisch interessante Informationen. Fast alle verzichten darauf, die Lebensdaten der erwähnten Frauen zu nennen, ihre Herkunft zu schildern oder zu berichten, wo sie „ihre“ Diktatoren kennenlernten oder mit ihnen zusammenfanden. Meistens sind die Frauen einfach plötzlich da oder es gibt zur ersten Begegnung Informationen wie beim Paar Marcos: „Sie befanden sich in der Kantine.“ Wann, in welcher Kantine, wie alt sie waren, welche politische Phase es in Marcos’ Leben war – all das wird nicht erwähnt. Das ist einer der beiden Hauptkritikpunkte an diesem Buch: es fehlen ständig Informationen, Zusammenhänge werden kaum oder nicht erklärt, es gibt irritierende Zeitsprünge in beide Richtungen, häufig wirkt der Text ungeordnet, als ob der Auto einfach seine Notizen schnell heruntergeschrieben hätte. Manche Kapitel behandeln nur einzelne Episoden. So ist das Kapitel über Assad fast ausschließlich den Shopping-Mails seiner Frau gewidmet, im Kapitel über Gaddafi kommt dessen zweite Ehefrau, mit der er über vierzig Jahre verheiratet war, nur in einer Nebenbemerkung vor. Lieber wird in aller Ausführlichkeit sowohl bei Gaddafi wie auch bei Kim jeweils ein einziges Interview über ihre Ausschweifungen nacherzählt. Das wirkt häufig unprofessionell, ebenso wie viele der Quellenverweise. Besonders enttäuschte mich, dass wir vom Charakter der Frauen so gut wie nie etwas erfahren und genau das wäre doch interessant gewesen. Der Autor genießt es zwar, unpassende oder grausame Handlungen zu berichten (gerne auch mal mit dem Hinweis: „Sie war so dumm, dass ...“), seelische Einblicke aber gibt es kaum. So hat das Ganze etwas von einem Boulevardmagazin. Dass in den Quellenverweisen auch meistens nur auf eine Quelle pro Kapitel verwiesen wird, erweckte in mir zudem den Eindruck eines reinen Nacherzählens anstatt sorgfältiger Recherche. Bei vielen Kapiteln war ich über den geringen Informationsgehalt enttäuscht (auch der Werdegang der jeweiligen Diktatoren sollte einem besser vorher bekannt sein, hier erfährt man dazu nicht viel) und in den meisten Fällen hätte ich aus einem Wikipedia-Eintrag zur Person mehr erfahren (das kann ich sicher sagen, weil ich offene Fragen dort dann oft nachsehen musste).
Die andere Schwachstelle ist der Schreibstil. Der Autor schreibt betont flapsig, wirft gerne gewollt „witzige“ Bemerkungen in Klammern ein (für ein Sachbuch völlig fehl am Platz), bedient sich Begriffen wie „supernett“ (Beschreibung eines Botschaftsmitarbeiters) oder Ausdrücken wie „Sie war zu allen eklig“ (über Elena Ceaușescu), so dass man denkt, man würde gerade den Blogeintrag eines Teenagermädchens lesen. Die Übersetzung hält mit dem schlechten Schreibstil mit, es gibt zahlreiche falsche Begriffe und Satzstellungen. Ob nun Autor oder Übersetzerin den Unterschied zwischen Antisemit und Rassist sowie zwischen weltgewandt und raffiniert nicht kennen, erschließt sich mir nicht, jedenfalls wurden sowohl „Rassist“ wie auch „raffiniert“ im falschen Zusammenhang benutzt. Interessanterweise gibt es aber auch zahlreiche wirklich schön geschriebene Passagen (und Kapitel mit etwas mehr Tiefe), die zeigen, dass das Buch Potential gehabt hätte. Hier wurde eine gute Idee verschenkt.