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Veröffentlicht am 16.08.2021

Schockiert auch heute noch

American Psycho
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Es ist Jahre her, dass ich „American Psycho“ gelesen habe. Trotzdem ist mir der Roman noch ziemlich gut in Erinnerung geblieben – vielleicht mehr, als mir lieb ist. Normalerweise breche ich Bücher nicht ...

Es ist Jahre her, dass ich „American Psycho“ gelesen habe. Trotzdem ist mir der Roman noch ziemlich gut in Erinnerung geblieben – vielleicht mehr, als mir lieb ist. Normalerweise breche ich Bücher nicht ab, aber hier war ich mehrmals kurz davor gewesen.

Und nach dem Lesen habe ich zumindest verstanden, warum das Buch auf dem Index landete. Normalerweise finde ich diese Form der Bevormundung blöd. Aber wenn’s denn sein muss – packt eine FSK-Zahl drauf und fertig. Warum das in Sonderfällen nicht auch bei Büchern machen? Aber ich schweife ab.

Während des Lesens hatte ich extrem widersprüchliche Gefühle. Es gibt ellenlange Beschreibungen völlig nichtiger Dinge, zum Beispiel das Aussehen von Visitenkarten – ob deren Farbe Elfenbein oder Eierschale ist, welche Schriftart verwendet wurde und so weiter. Es wird debattiert, in welches angesagte Restaurant man essen gehen soll, Bateman spricht viel über seine Lieblingsmusik und bestimmte LPs. Man verfolgt seitenweise seine Körperpflege und die Wahl seiner Kleidung. Kapitalismus ist ein durchgängig wichtiges Thema des Romans.

Die scheinbar beliebigen Belanglosigkeiten plätschern so vor sich hin – und wechseln sich dann mit Batemans sadistischen Neigungen, seinen Sexorgien und seinen immer brutaler ausfallenden bestialischen Morden ab. Ich glaube, als das Buch damals erschien, war es ziemlich schockierend zu lesen, aber ebenso glaube ich, dass es auch heute noch schockiert. Denn in jeder Zeile schwingt eine grauenhafte Gleichgültigkeit mit, die Bateman als Erzähler suggeriert.

„American Psycho“ kennt kaum Tabus, um seinen Protagonisten in all seinen Facetten darzustellen. Seine Sexualität, seine egomanischen Züge, seine Langeweile vom Leben, seine Gewaltbereitschaft, sein Drang zu töten – schonungslos stürzt Ellis seine Leser von seitenlanger Monotonie in Gewaltexplosionen und umgekehrt.

Dabei ist der Roman nicht im klassischen Sinne spannend. Hier und da musste ich mich regelrecht durchquälen, weil einfach nichts passiert ist – nur um einige Seiten später eine neue brutale Aktion zu lesen. Insofern hat „American Psycho“ viele unterschiedliche Empfindungen in mir ausgelöst, von gelangweilt über schockiert und angeekelt bis hin zu beeindruckt.

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Veröffentlicht am 16.08.2021

Der Geist aus dem Internet

Blind
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Die Ausgangssituation klingt eigentlich ganz gut: Alternder Rockstar ersteigert einen Geist und wird diesen nicht mehr los. Trotzdem gestalteten sich die ersten 150 Seiten recht zäh für mich. Ich kann ...

Die Ausgangssituation klingt eigentlich ganz gut: Alternder Rockstar ersteigert einen Geist und wird diesen nicht mehr los. Trotzdem gestalteten sich die ersten 150 Seiten recht zäh für mich. Ich kann nicht einmal genau sagen, woran es lag. Da waren anfangs einfach noch kein Pep und kein Tempo drin. Klar, man muss erst mal die Charaktere und die Situation kennenlernen. Trotzdem war der Start in „Blind“ noch ziemlich zahm.

Spätestens, als Jude und seine Freundin Georgia zu ihrem Road Trip aufbrechen, um den Geist loszuwerden, ist aber endlich Leben in der Bude. Und dann so richtig! Die Gefahr ist allgegenwärtig und die beiden Ziele des rachsüchtigen Geistes müssen mehr als einmal dem Tod ins Auge blicken. Zudem kommen weitere übernatürliche Elemente wie zum Beispiel ein Ouija-Brett zum Einsatz, was für zusätzlichen Lesespaß sorgt. Und so entwickelt sich der Horrorroman mit Startschwierigkeiten doch noch zum Pageturner. Vielleicht fehlt es hier und da noch ein bisschen zum ganz großen Wurf, aber insgesamt hat mich „Blind“ gut unterhalten.

Wie der Verlag auf den deutschen Titel „Blind“ kommt, kann ich mir aber absolut nicht erklären. Der Originaltitel lautet „Heart-Shaped Box“ und diese herzförmige Schachtel hat auch ihren nicht ganz unwichtigen Auftritt im Roman. Der schlecht gewählte, weil total unpassende deutsche Titel ist jetzt kein Grund für einen Punktabzug, sorgt bei mir aber für dezente Verständnislosigkeit.

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Veröffentlicht am 14.08.2021

Ein unglaublicher Coup

Das Lied der Krähen
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Das war also meine erste Erfahrung mit dem „Grishaverse“, wie das von Bardugo erdachte Universum bei den Fans heißt. Und was soll ich sagen, es war ein sehr vielversprechender Anfang. Das Magiesystem ist ...

Das war also meine erste Erfahrung mit dem „Grishaverse“, wie das von Bardugo erdachte Universum bei den Fans heißt. Und was soll ich sagen, es war ein sehr vielversprechender Anfang. Das Magiesystem ist gut durchdacht und interessant, die verschiedenen Nationen haben ihre eigenen Werte- und Kultursysteme. Das ist alles in sich stimmig und passt gut.

Dass mir vielleicht einige wichtige Infos fehlen, merke ich zwar – all die Namen, Grisha-Fähigkeiten, Orte und so weiter sind auf den ersten Seiten noch ziemlich verwirrend –, aber je weiter man liest, desto besser findet man sich auch im Grishaverse zurecht.

Es ist eine ereignisreiche, eine aufregende Geschichte, die Leigh Bardugo erzählt. Eine Gruppe von Außenseitern, jeder mit seinen ganz eigenen Fähigkeiten, Problemen und Wünschen, begibt sich auf eine schier aussichtslose Mission. Das ist spannend erzählt, ständig passiert etwas. Hier eine überraschende Wendung, da ein genialer Einfall zur rechten Zeit. Dabei werden die Kapitel abwechselnd aus der Perspektive eines der Teammitglieder erzählt, so dass man jeden nach und nach besser kennenlernt.

Was mich dabei ein bisschen gestört hat, war das Alter der Protagonisten. Vielleicht gehöre ich da einfach nicht mehr zur Zielgruppe, aber eine Bande von 17-Jährigen, die so erfahren, clever und geschickt agieren, war für mich einfach nicht so glaubwürdig. Vor allem Kaz, den ich als Charakter liebgewonnen habe, war wie der Professor in „Haus des Geldes“ – immer einen Schritt voraus, immer mit einem schlauen Plan in der Hinterhand. Das mochte ich an ihm, gleichzeitig empfand ich es aber auch als unglaubwürdig in Anbetracht seiner jungen Jahre. Mein persönlicher Liebling war eindeutig Inej, die für mich der authentischste und glaubhafteste Charakter war.

Leider haben sich überraschend viele Fehler ins Buch geschlichen. Versteht mich nicht falsch, es gibt kein Buch ohne Fehler. Hier waren es nur ein paar zu viel. Da wurde aus dem Namen Kuwei „Kuweit“, die Ortsnamen im Buch passten nicht zu denen auf der Karte (im Buch heißt es Ravka, auf der Karte Rawka), in einem Gespräch taucht plötzlich die Anrede „Sie“ auf, obwohl die ganze Zeit das in der Fantasy übliche „Ihr“ benutzt wird …

Dafür habe ich selten eine schönere Aufmachung gesehen. Das Cover ist total stimmungsvoll, das Buch hat einen schwarzen Anschnitt und die beiden Karten sehen ebenfalls klasse aus. So wünscht man sich als Fantasyleser ein Buch und hebt „Das Lied der Krähen“ von anderen Romanen des Genres ab.

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Veröffentlicht am 14.08.2021

Der Nachbar, dein Freund und Stalker

Ich will dir nah sein
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Was mir bereits von Beginn an prima gefallen hat, war Sarah Nisis Schreibstil. Sie arbeitet mit relativ kurzen Sätzen und verzichtet auf seitenlange Beschreibungen, die nicht relevant sind. Auch die Figuren ...

Was mir bereits von Beginn an prima gefallen hat, war Sarah Nisis Schreibstil. Sie arbeitet mit relativ kurzen Sätzen und verzichtet auf seitenlange Beschreibungen, die nicht relevant sind. Auch die Figuren und ihre Gedanken werden nicht endlos lange ausgebreitet. Das macht den Roman kurzweilig zu lesen und bringt das Geschehen meist flott auf den Punkt.

Mit Erin als Protagonistin gerät man an eine recht selbstbewusste, moderne junge Frau. Sie weiß, was sie will, sie ist konsequent, ehrgeizig und selbstbestimmt. Diese Frauenrolle fand ich klasse, denn selbst als die ersten unangenehmen Treffen mit Lester stattfinden und ihr Veränderungen in ihrer Wohnung auffallen, mutiert Erin nicht zur ängstlichen Jungfrau in Nöten, die vom Helden gerettet werden muss.

Trotzdem konnte der Thriller mich nicht über die gesamte Lesezeit fesseln. Nach dem vielversprechenden Beginn, bei dem man auch erste Einblicke in Lesters Vergangenheit erhält, und den ersten Stalking-Aktivitäten verliert der Roman etwas seinen Verve. Es wird versäumt, den Schwerpunkt auf den Suspense zu legen, was der ganzen Sache wirklich gutgetan hätte.

Denn die Stärke von „Ich will dir nah sein“ ist das ungesunde Zusammenspiel eines Stalkers und seines Opfers. Wenn Lester sich heimlich in Erins Wohnung herumtreibt und Kleinigkeiten verändert oder ihre Dusche und ihr Handtuch benutzt – das ist gruselig und ekelhaft und richtig spannend. Aber der Schlagabtausch zwischen Erin und Lester findet nicht wirklich statt, es gibt nicht genug Aktion – Reaktion.

Bis dahin war es also ein netter, aber nicht weiter auffälliger Psychothriller … und dann hat Sarah Nisi mich mit dem Finale voll erwischt. Wo das Ganze bis zum Showdown ein netter, aber nicht gerade schweißtreibender Thriller war, hat der Roman seine größte Stärke im Ende. Es lässt vielleicht noch die eine oder andere Frage offen und ist spannungstechnisch ausbaufähig, hat aber eine clevere Wendung zu bieten.

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Veröffentlicht am 14.08.2021

Düster, melancholisch, stimmig

Der Speichermann
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Wenn man den fertigen Comicband sieht, fragt man sich, warum das nicht häufiger gemacht wird: eine gute Kurzgeschichte mit schönen Illustrationen in einen Comic transformieren. Bei „Der Speichermann“ jedenfalls ...

Wenn man den fertigen Comicband sieht, fragt man sich, warum das nicht häufiger gemacht wird: eine gute Kurzgeschichte mit schönen Illustrationen in einen Comic transformieren. Bei „Der Speichermann“ jedenfalls hat das prima funktioniert.

Tatsächlich war „Der Speichermann“ Teil einer Weihnachtsanthologie, und das merkt man. Meyer erzählt ein dunkles Märchen und mit einer seltsam melancholischen Grundstimmung. Dazu passen die Kreidezeichnungen von Illustratorin Jana Heidersdorf in gedämpften Farben sehr gut. Sie verstärken diese Stimmung und haben eine schaurige Düsternis, die genau den Ton von Meyers Worten treffen. Schon das düstere, gelungene Cover stimmt auf den Inhalt ein.

Ich mochte das Zusammenspiel von Text und Bildern, und ich mochte auch die Geschichte mit dem düsteren Ende. Das gewisse Etwas hat mir aber gefehlt. Zum Beispiel hätte ich mir zum Finale hin dann doch ein wenig mehr Information gewünscht, etwas mehr Pepp, eine Prise mehr Erklärung. Trotzdem war es eine klasse Idee, die optisch prima umgesetzt wurde.

Als zusätzliche Extras finden sich die ursprüngliche Kurzgeschichte, verschiedene Coverentwürfe sowie Skizzenentwürfe zu den Charakteren am Ende des Comics. Auch ein Nachwort von Kai Meyer gibt es zu lesen.

Vielleicht konnte mich „Der Speichermann“ nicht hemmungslos begeistern, aber ich hatte eine schöne Lesezeit. Ein düsteres Märchen verbindet sich mit atmosphärischen Zeichnungen zu einer unterhaltsamen, bisweilen melancholischen Geschichte.

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