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Veröffentlicht am 18.09.2021

Ein großartiger Roman!

Kairos
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Am 11. Juli 1986 treffen sich zufällig mitten in Ost-Berlin die damals 19-jährige Katharina und der 53-jährige Hans. Und wie es Kairos, der Gott des glücklichen Augenblicks, in dem Moment bestimmt, nutzen ...

Am 11. Juli 1986 treffen sich zufällig mitten in Ost-Berlin die damals 19-jährige Katharina und der 53-jährige Hans. Und wie es Kairos, der Gott des glücklichen Augenblicks, in dem Moment bestimmt, nutzen die beiden „die Gunst der Stunde“ und entscheiden, den Abend zusammen zu verbringen. Und auch später halten sie an der Stirnlocke des Gottes fest und setzen ihre aufregende Bekanntschaft fort.

Was zuerst als eine kleine Liebesaffäre beginnt, wächst mit der Zeit zu einer großen Liebe, die eigentlich keine sein darf. Denn Hans, ein freier Rundfunkmitarbeiter und Schriftsteller ist verheiratet und hat einen Sohn. Er hat überhaupt nicht vor seine Familie zu verlassen, dafür aber will er -eifersüchtig und besitzergreifend, wie er ist - die junge Katharina, angehende Bühnenbildstudentin, nach seinen Vorstellungen zu formen. Katharinas Liebe scheint keine Grenzen zu haben, sie unterwirft sich ihm vollkommen und man kann nur fassungslos beobachten, wie sie langsam in ihr Unglück rennt.

Diese dramatische Liebesgeschichte verbindet Jenny Erpenbeck meisterhaft mir der deutschen Geschichte der späten achtziger Jahre, mit dem Untergang der DDR und der unmittelbaren Zeit danach. Sie lädt ihre Leser und Leserinnen nach Berlin und beschreibt genau, wie die Stadt damals ausgesehen hat. Sie führt ihre Leserschaft durch die bekannten Straßen und an die meistbesuchten Orte, erzählt, wie man damals gelebt und geliebt hat, worüber man sprach. Die Leser und Leserinnen tauchen in die Welt des Theaters, Musik, Dichter und Denker ein, folgen Erzählungen über Kämpfer für die bessere Welt. Die Autorin bedient sich einer anspruchsvollen aber fesselnden Sprache, ist mal nachdenklich, mal allegorisch, mal poetisch.

Zu bedeutenden Themen dieses Romans gehören sowohl die Utopie des Kommunismus sowie die vernichtenden, grausamen Bilder des Nationalsozialismus, brutale Methoden der Faschisten und später der Stasi.

„Kairos“ ist ein großartiger Roman, den ich mit großem Interesse gelesen habe und der noch lange in meiner Erinnerung bleibt. Das Buch bekommt meine wärmste Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 12.09.2021

Die Sprachen der Liebe

Die Berge, der Nebel, die Liebe und ich
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Das bildhübsche stimmungsvolle Cover des neuesten Buches von Tessa Randau zieht den Blick des Betrachters magisch an, lädt zum Reinschauen ein. Der Untertitel „Von einer Begegnung, die das Herz wieder ...

Das bildhübsche stimmungsvolle Cover des neuesten Buches von Tessa Randau zieht den Blick des Betrachters magisch an, lädt zum Reinschauen ein. Der Untertitel „Von einer Begegnung, die das Herz wieder öffnete“ klingt vielversprechend, verkündet eine interessante Lektüre und weckt meine Neugier. Und ich wurde nicht enttäuscht.

Das kleine, liebevoll gestaltete Büchlein handelt über Eheprobleme, die den meisten von uns gut bekannt sind. Ich konnte mich sehr gut in die Gedankenwelt der Protagonistin versetzen, einer verheirateten Frau, Mutter von drei Töchtern, die den Zauber der ersten Ehejahre, des Verliebtseins schmerzlich vermisst. Sie sehnt sich nach mehr Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit von ihrem Mann, der sie ihrer Meinung nach nicht mehr genug achtet und liebt. Sie streiten oft und distanzieren sich voneinander.

Ein gemeinsames Wochenende in den Bergen soll den beiden helfen, wieder zueinander zu finden. Doch die Vorstellungen der Eheleute von der Nähe und der gemeinsamen Freizeit sind sehr unterschiedlich. Und so kommt es, dass sie alleine ihre Wanderung macht, während er seinen Tag mit Mountainbiken verbringt.

Auf ihrem Wanderweg entdeckt die Frau einen Steinkreis mit einer Inschrift in einer fremden Sprache. Die Bedeutung der Worte erklärt ihr ein alter Mann, den sie dort trifft und mit dem sie ihre Wanderung fortsetzt. Diese Begegnung und die gemeinsame Bergtour helfen ihr ihre Ehe aus anderen Perspektiven zu betrachten, über ihre Probleme nachzudenken und neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen.

Das Buch „Die Berge, der Nebel, die Liebe und ich“ ist eine bemerkenswerte Lektüre, die vieles über die unterschiedlichen Sprachen und Botschaften der Liebe verrät. Mit vielen wertvollen Tipps zum Thema Beziehung, fesselnd geschrieben und sehr angenehm zu lesen, regt dieses Werk zum Nachdenken an, hilft eigenes Verhalten mühelos zu analysieren und bietet außerdem gute Unterhaltung. Dieser kluge Ratgeber könnte bei der Suche nach dem eigenen Schlüssel zur Liebe sehr behilflich sein.

Das wunderschöne Buchcover und die zum Text passenden Illustrationen bereichern diese Ausgabe unheimlich. Zauberhaft, inspirierend, lehrreich. Bitte lesen!

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Veröffentlicht am 05.09.2021

Ein Pageturner, so schön wie das wahre Leben

Wellenflug
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Als kleines Mädchen hörte Anna begeistert ihrem Vater zu, der wunderschöne Märchen erzählen konnte. Besonders die Geschichte über ein armes Waisenmädchen, das dank einer silbernen Spinne zwischen dem Sonnen- ...

Als kleines Mädchen hörte Anna begeistert ihrem Vater zu, der wunderschöne Märchen erzählen konnte. Besonders die Geschichte über ein armes Waisenmädchen, das dank einer silbernen Spinne zwischen dem Sonnen- und dem Mondjüngling wählen dürfte, hat Anna und ihren Schwestern sehr gefallen.

Aber in ihrer großbürgerlichen Welt galten andere Gesetze, die nichts mit den schönen Märchen gemeinsam hatten. So heiratet Anna den Mann, der für sie ausgewählt wurde und später, als ihr geliebter Sohn Heinrich sich in ein armes Mädchen Marie verliebt hatte, wurde diese Beziehung weder von Anna noch von der übrigen Familie akzeptiert.

In dem Roman „Wellenflug“ erzählt Constanze Neumann über die beiden Frauen: Anna und Marie, deren Schicksale durch die Liebe zu Heinrich miteinander verbunden waren. Obwohl Marie als Heinrichs Frau von Anna missachtet wurde, steht sie das ganze Leben ihrem geliebten Mann zur Seite und kämpft um ihre Liebe.

Aber dieser Roman ist viel mehr als die Geschichte einer nicht standesgemäßen Beziehung. Die Autorin erzählt hier über das Schicksal einer angesehenen wohlhabenden jüdischen Familie vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Genauso wie die damaligen Zeiten ist das Schicksal der Familie voller Veränderungen, Höhen und Tiefen, Glücks und Katastrophen, der Unruhe, des ständigen Wechsels.

Sehr bewegend ist diese Geschichte. Besonders das Leben von Marie, das zuerst wie ein Märchen beginnt und später viel von der herzensguten Frau verlangt, hat mich sehr berührt. Den Teil des Buches, der ihre und ihrer kleinen Familie Geschichte erzählt, habe ich in einem Rutsch ausgelesen.

Der Roman über Annas und Maries Leben ist auch größtenteils die wahre Familiengeschichte der Buchautorin. Vieles davon ist wirklich passiert; es gibt zahlreiche Dokumente darüber.

Mit ihrer bildhaften Erzählweise konnte die Autorin mich auf eine emotionale Reise in die jüngste Vergangenheit ihrer Familie mitnehmen. Ich bin in diese spannende, authentisch wirkende Geschichte vollkommen eingetaucht und musste später noch lange über das Gelesene nachdenken.

„Wellenflug“ ist ein lesenswerter Roman, hochinteressant und so schön, wie das wahre Leben selbst.

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Veröffentlicht am 19.08.2021

Ein Roman über Bücherliebe

Die letzte Bibliothek der Welt
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"Wir müssen um unsere Bücherei kämpfen, als wäre es die letzte Bibliothek der Welt“ (184) verkündet laut Mrs. B., als von der Kreisverwaltung in Chalcot offiziell bekannt gegeben wurde, dass die kleine ...

"Wir müssen um unsere Bücherei kämpfen, als wäre es die letzte Bibliothek der Welt“ (184) verkündet laut Mrs. B., als von der Kreisverwaltung in Chalcot offiziell bekannt gegeben wurde, dass die kleine Bücherei im Ort demnächst geschlossen wird. Denn die Bewohner des Ortes leihen hier nicht nur ihre Bücher aus. Die Bücherei ist auch ein beliebter Treffpunkt für viele Bewohner von Chalcot, die Hilfe oder Unterstützung brauchen. Hier kann Jackson seine Schulaufgaben machen, Chantal für die Abschlussprüfungen lernen, die Flüchtlingsfrau Leila Kochbücher ausleihen, Mrs. B. ihren Unmut über alles loslassen, der 82-jährige Stanley Hilfe bei Kreuzworträtseln und Internetsurfen bekommen.

Die 28-jährige June Jones ist eine Bibliothekarin mit Leib und Seele: „manchmal, wenn sie die Augen schloss, stellte sie sich vor, dass die Bücher sich gegenseitig ihre Geschichten zuflüsterten.“ (26)

June hat für jeden Besucher ein passendes Buch parat und auch sonst steht sie immer hilfsbereit jedem zur Seite. Bücher bestimmen das Leben der jungen Frau, die ihre Zeit entweder mit Lesen oder sonst mit Erinnerungen an ihre verstorbene Mutter verbringt. Erst der Kampf um die Bücherei und die unerwartete Unterstützung von ihrem früheren Schulfreund Alex verändern das Leben von June.

Mit Begeisterung habe ich diesen wunderschönen Roman gelesen. Mit viel Witz und Humor erzählt die Autorin nicht nur über die einfallsreiche Protestaktion gegen die Schließung der Bücherei. Auch manche Protagonisten, vor allem die schüchterne June, müssen ihre persönlichen Kämpfe ausfechten, um ihren eigenen Träumen nachzugehen, eigene Pläne zu verwirklichen. Liebevoll skizziert Freya Sampson die unterschiedlichen Charaktere, erzählt ihre Lebensgeschichten, die oft zu Herzen gehen. Es gibt auch traurige Ereignisse, und so habe ich dieses Buch mal lächelnd mal mit Tränen in den Augen gelesen.

„Die letzte Bibliothek der Welt“ von Freya Sampson ist ein wunderschönes Buch über eine kleine Bücherei, die für viele Besucher ein Zufluchtsort ist. Es ist ein Roman über Bücherliebe, Freundschaft und Zusammenhalt, aber auch über Gefühle und Liebe.
Absolut lesenswert!

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Veröffentlicht am 16.08.2021

Tragisch und mysteriös

Das letzte Bild
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Familiengeheimnisse – aus welchen Gründen verschweigt man jahrelang wichtige Ereignisse in der Familie? Die Wahrheit wird dann meistens durch einen Zufall entdeckt. Und welchen Wert haben eigentlich die ...

Familiengeheimnisse – aus welchen Gründen verschweigt man jahrelang wichtige Ereignisse in der Familie? Die Wahrheit wird dann meistens durch einen Zufall entdeckt. Und welchen Wert haben eigentlich die Familienfotos, zuerst sorgfältig aufbewahrt und von Zeit zu Zeit angeschaut, bis sie irgendwann in Vergessenheit geraten? Ist es möglich, dass man den nächsten Angehörigen aus eigenen Erinnerungen ausradiert, ihn aufgibt oder sogar vergisst?

Diese und viele anderen Fragen haben mir keine Ruhe gelassen nachdem ich das Buch „Das letzte Bild“ von Anja Jonuleit ausgelesen habe. Die Autorin erzählt in dem Roman die Geschichte einer Frau, deren vollkommen verbrannte Leiche im November 1970 im norwegischen Isdal gefunden wurde. Der Fall wurde bis heute nicht aufgeklärt.

Im Buch entdeckt die deutsche Schriftstellerin Eva Berger das Phantombild der verbrannten Frau in einer Zeitung. Die verblüffende Ähnlichkeit der Isdal-Frau mit ihrer Mutter macht sie stützig und bewegt sie zur genauen Recherche. Da sie von ihrer Mutter nichts Brauchbares erfahren konnte, reist sie sogar nach Norwegen und verfolgt dort jede kleinste Spur der getöteten Frau.

Spannend erzählt Anja Jonuleit diese bewegende, sehr gut recherchierte Geschichte. Gekonnt verbindet sie die realen Fakten mit der literarischen Fiktion. Sie gibt der unbekannten Frau ein Gesicht, haucht ihr das Leben ein.

Die Geschichte spielt abwechselnd auf zwei Zeitebenen: Eva recherchiert im Jahre 2018, die Lebensgeschichte der unbekannten Frau beginnt in den Kriegsjahren. Die literarische Begleitung der beiden Protagonistinnen auf den Seiten dieses Buches hat mir sehr deutlich die ganze Tragik der ungewöhnlichen Geschichte gemacht.

FAZIT: „Das letzte Bild“ ist ein bewegender Roman, der mit seinem tragischen und zugleich mysteriösen Plot fesselt. Emotional und mitreißend! Unbedingt lesen!

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