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Veröffentlicht am 18.08.2021

Ein bildgewaltiger Ritt durch den Wilden Westen

Wie viel von diesen Hügeln ist Gold
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Das Geschwisterpaar Lucy und Sam wachsen im amerikanischen Westen, dem berüchtigten „Wilden Westen“, im ausgehenden 19. Jahrhundert in bitterer Armut und umgeben von Brutalität auf. Der Vater, der mit ...

Das Geschwisterpaar Lucy und Sam wachsen im amerikanischen Westen, dem berüchtigten „Wilden Westen“, im ausgehenden 19. Jahrhundert in bitterer Armut und umgeben von Brutalität auf. Der Vater, der mit seiner Tätigkeit als Goldschürfer und als Tagelöhner kaum die Familie ernähren kann, verfällt nach dem Tod seiner Frau dem Alkohol. Nach dem Tod des Vaters wiederum machen sich die beiden charakterlich sehr ungleich Geschwister auf die Suche nach sich selbst, einem Zuhause und ihrem Platz in einem Land, in dem sie „anders“ sind. Der Ritt durch die Ödnis und Härte des Wilden Westens verändert die beiden von Grund auf…
Der Einstieg in den Roman fiel mir aus zweierlei Gründen nicht leicht: Zum einen setzt die Handlung unmittelbar ein, ohne viel zu erklären; zum anderen wird das Lesevergnügen durch die sehr bildliche und intensive Sprache der Autorin C Pam Zhang beeinflusst, was in den zwei letzten Teilen besonders beeindruckend, im ersten Teil des Buches jedoch äußerst ekelerregend ist. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann mir das letzte Mal beim Lesen fast übel geworden ist aufgrund einer Beschreibung. Dennoch hat mich die Intensität mit der C Pam Zhang das Setting des Wilden Westens vermitteln konnte sehr beeindruckt. Ihre bildgewaltige Sprache stand dabei immer wieder in einem starken Kontrast zur Grausamkeit und Härte der Handlung.
Was mich von Beginn an begeistern konnte, war die Einbettung von chinesischen Wörtern und Eindrücken in den Fließtext, insbesondere in die wörtliche Rede – und zwar auf eine Weise, die es auch allen, die nicht der Chinesischen Sprache mächtig sind, ermöglicht, sich diese Wörter aus dem Kontext zu erschließen. Das habe ich bis jetzt so noch bei keinem anderen Roman gesehen!
Von besonderem Interesse war für mich die literarische Auseinandersetzung mit der chinesischen Diaspora, die im mittleren und ausgehenden 19. Jahrhundert das Kaiserreich verließ und dem Ruf des Goldes und die Vereinigten Staaten folgte. Aufgrund meines sinologischen Hintergrunds hatte ich mir hier mehr Informationen und Bezüge dazu gewünscht, zum Beispiel wie die Nachricht vom Gold die Menschen in China erreicht hat, oder wie sie nach ihrer Ankunft von Menschenhändler-ähnlichen Strukturen als Arbeiter ausgebeutet wurden.
Tatsächlich lag der Fokus des Romans jedoch eher auf der Auseinandersetzung mit aktuellen Diskursen zu Identität, Rassismus und Zugehörigkeit, die anhand von Lucy und Sam, aber auch ihrer Eltern aufgegriffen wird, da sie auf mehreren Ebenen aufgrund ihrer äußeren Merkmale einer bestimmten Herkunft und Gruppe zugeordnet werden, der Anschein jedoch trügt! Das war für mich als Leserin spannend, weil die eigene Meinung immer wieder redigiert werden musste – ähnlich einer Vorurteilsbrille, die mich vorschnell zu einer Tatsache finden lässt, und die mir immer wieder vorgehalten wurde. So gehe ich aus diesem Leseerlebnis mit einem Zitat raus, welches mehrfach im Roman fiel und doch nicht oft genug gefragt werden kann: „Was macht ein Zuhause zu einem Zuhause?“

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Veröffentlicht am 31.07.2021

Hundefreunde und Katzenfans aufgepasst!

Wann gehts rund beim Hund?/ Wann macht die Katz Rabatz?: Ein Wendebuch
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Bei dem kleinen Büchlein „Wann geht´s rund beim Hund? Wann macht die Katz Rabatz?“ handelt es sich um ein Wendebuch für Kleinkinder ab zwei Jahren. Es fühlt sich von der Haptik her sehr angenehm an, mit ...

Bei dem kleinen Büchlein „Wann geht´s rund beim Hund? Wann macht die Katz Rabatz?“ handelt es sich um ein Wendebuch für Kleinkinder ab zwei Jahren. Es fühlt sich von der Haptik her sehr angenehm an, mit dicken Pappseiten und ist optisch ansprechend gestaltet durch die Mattheit der Illustrationen.
Inhaltlich hat man direkt zweifachen Lesespaß! Je nachdem, an welchem Ende man startet, begleitet man entweder Hund Max bei seinen täglichen Abenteuern oder Katze Mieze bei ihren nächtlichen Aktivitäten. Spannend dabei ist, dass die Orte, an denen sich Max und Mieze aufhalten, stets dieselben sind. Dadurch lernen wir unterschiedliche Facetten der Szenerie zu Tag- und Nachtzeiten kennen und so gibt es immer viele verschiedene Dinge und Wesen auf den Illustrationen zu entdecken. Die Detailliertheit der Bilder möchte ich auch nochmal betonen, sodass man das ganze auch interaktiv als Entdeckungs- und Ratespiel gestalten kann.

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Veröffentlicht am 03.07.2021

Ein Roman, der sich Zeit lässt

Von hier bis zum Anfang
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„Wenn du mir das alles zeigst, die ganze Schönheit hier, und denkst, dass ich das auch sehe… dann solltest du wissen, dass alles verblasst neben dem, was ich vorher gesehen habe. Das Lila da …“, sie machte ...

„Wenn du mir das alles zeigst, die ganze Schönheit hier, und denkst, dass ich das auch sehe… dann solltest du wissen, dass alles verblasst neben dem, was ich vorher gesehen habe. Das Lila da …“, sie machte eine Handbewegung zu den Heidelbeeren, „erinnert mich an ihre Rippen, so heftig wurde auf sie eingeprügelt. Das blaue Wasser, das sind ihre Augen, ganz klar, man sieht sofort, dass keine Seele mehr darin wohnt. Du kannst die Luft atmen und für frisch halten, aber ich hole kein einziges Mal Luft, ohne den Stich zu spüren.“
Solche Worte aus dem Mund einer Dreizehnjährigen! Duchess und ihr sechsjähriger Bruder Robin wachsen mit einer psychisch labilen und alkoholabhängigen Mutter Star in einem nach außen hin idyllischem Küstenort in Kalifornien auf, sodass die mutige und zornige Duchess schon früh lernt, auf eigenen Beinen zu stehen und sich um ihren Bruder zu kümmern. Zerstört wurde das Leben von Star vor vielen Jahrzehnten, als ihre kleine Schwester von dem gleichaltrigen Vincent getötet wurde. Dieses Ereignis bedeutete einen Schnitt in das Leben von Star, Vincent, Vincents Freund und späterem Chief Walk, aber auch in das Leben der nachfolgenden Generation von Duchess und Robin. Verzweifelt versuchen die einzelnen Charaktere aus dieser Episode ihres Lebens, die für immer stehen geblieben zu sein scheint, auszubrechen.
Besonders gelungen fand ich die Figur der jungen Duchess. Chris Whitaker schafft es auf poetische Weise, ihren Zorn und ihren Hass aus ihren Augen und in ihren Handlungen brodeln zu lassen – ein Hass, der sie fast zu verschlingen droht. Als Leserin weiß man, dass dieser früher oder später aus ihr herausbrechen wird und in einer Katastrophe münden wird und fiebert diesem Ereignis mit Spannung entgegen. Dennoch ist es ein Roman, der sich Zeit lässt, der langsam und Schritt für Schritt das Innenleben seiner Figuren entfaltet und uns ihre Verzweiflung und Zerrissenheit präsentiert. Wer also eine Geschichte erwartet oder lesen möchte, mit viel Action, Angst und Spannung ist hier also an der falschen Adresse. Das interessante ist nämlich, dass das Buch im englischen Original als „Thriller“ vermarktet wurde (was mich davon abgehalten hätte nach diesem Buch zu greifen), der Piper Verlag sich jedoch für den Zusatz „Roman“ entschieden hat. Die bessere Wahl, wie ich finde!

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Veröffentlicht am 13.06.2021

Ein Senior:innen-Quartett ermittelt!

Der Donnerstagsmordclub (Die Mordclub-Serie 1)
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In diesem unterhaltsamen, britischen Kriminalroman entführt uns Richard Osman nach Coopers Chase, einer luxuriösen Senior:innenresidenz in der idyllischen Grafschaft Kent. Hier verbringen unter anderem ...

In diesem unterhaltsamen, britischen Kriminalroman entführt uns Richard Osman nach Coopers Chase, einer luxuriösen Senior:innenresidenz in der idyllischen Grafschaft Kent. Hier verbringen unter anderem die ehemalige Geheimagentin Elizabeth, der Psychiater Ibrahim, der Gewerkschaftsführer Ron und die Krankenschwester Joyce gemütlich ihren Lebensabend. Moment, habe ich gemütlich gesagt? Während das ulkige Quartett eigentlich an alten, ungelösten Kriminalfällen tüfteln wollte, geschehen mehrere Morde in ihrer unmittelbaren Umgebung – und dabei mitzumischen, lassen sich die vier nicht entgehen!

Ich lese eher selten Kriminalromane, doch das idyllische Setting und die ungewöhnliche Konstellation der Protagonist:innen hat mich zu diesem Buch greifen lassen. Für mich als jungen Menschen war es immer wieder verblüffend, bewundernswert aber teilweise auch emotional zu lesen, wie die verschiedenen Charaktere mit Themen wie Tod, Verlust, körperliche Einschränkungen und Familie umgehen. Dieser andere Blick und die Erfahrungen, die sie alle in ihrem langen Leben gesammelt haben, führen dazu, dass das Senior:innenquartett ganz andere Ansätze und Spuren verfolgt als die Polizei, die ebenfalls in diesem Fall ermittelt. Die verschiedenen Perspektiven im Roman, ebenso wie Joyces Tagebucheinträge, haben sich dabei gut ergänzt und somit ein komplementäres Bild der Ereignisse gezeichnet.
Da die Anzahl an möglichen Tatverdächtigen eher begrenzt war, hat es viel Spaß gemacht, mitzurätseln und meine eigenen Theorien bezüglich der Morde aufzustellen. Während ich bei einer Auflösung richtig lag, fehlten meiner Meinung nach viel zu lange die entscheidenden Hinweise oder Brotkrumen im Roman, um auf die Tatmotive zu kommen. Ebenso fehlte mir die Vernetzung zwischen den Morden, es gab viele lose Fäden, die zwar alle aufgelöst wurden, jedoch leider für sich allein zu Ende verliefen, statt in einem komplexeren Handlungsstrang vernetzt zu werden. Das fand ich ein wenig unbefriedigend.

Alles in allem fand ich diesen Kriminalroman jedoch sehr erfrischend und habe die Hauptfiguren alle sehr zu schätzen gelernt. Empfehlenswert für alle, die gerne auf Blut und Schrecken in Krimis verzichten und stattdessen viel rumrätseln wollen! Ich freue mich auf weitere Abenteuer in Coopers Chase!

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Veröffentlicht am 19.05.2021

Die Absurdität und Widersprüchlichkeit der menschlichen Existenz

Wie hat Ihnen das Anthropozän bis jetzt gefallen?
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In seinem ersten Sachbuch, welches den passenden Untertitel „Notizen zum Leben auf der Erde“ trägt, führt John Green ausschnittsweise und skizzenhaft verschiedene Themen aus, die seine Aufmerksamkeit erhascht ...

In seinem ersten Sachbuch, welches den passenden Untertitel „Notizen zum Leben auf der Erde“ trägt, führt John Green ausschnittsweise und skizzenhaft verschiedene Themen aus, die seine Aufmerksamkeit erhascht haben. So wird aus diesem Sachbuch insgeheim ein sehr persönliches Buch, welches in meinen Augen daher auch in die Kategorie „Privates Notizbuch“ fallen könnte (wenn es denn eine solche gäbe😉).
Anhand dieser sehr selektiv ausgewählten Themen versucht John Green uns die Widersprüchlichkeit der menschlichen Macht und der menschlichen Existenz sowie ihre Auswirkungen auf unseren Planeten, andere Lebewesen und unser eigenes Leben aufzuzeigen. Seine Kurzartikel reichen dabei von amüsant-morbiden Themen („Die Pinguine aus Madagaskar“), über etymologische Herleitungen („Teddybären“) und historische Ereignisse („Höhlenmalereien“ und „Die zeitliche Verbreitung der Menschheit“), bis hin zu abstrusen Abhandlungen über „Duftsticker“ und „Hotdog-Wettessen“. Darüber hinaus hebt sich dieses Sachbuch von anderen seiner Art ab, da zum Abschluss eines jeden Kapitels die beschriebene Thematik bzw. der Gegenstand auf einer Sterneskala von eins bis fünf bewertet wird, was dem Ganzen eine außerordentliche Prise an Humor und Eigensinn verleiht.
Während ich einigen (historischen) Kapiteln andächtig folgte und bei anderen wiederum aufgrund der Absurdität vor mich hin schmunzelte, musste ich doch bei vielen Kapiteln feststellen, dass das Zielpublikum ein US-amerikanisches sein muss, da es sehr viele Referenzen zu Marken, Fernseh-Shows und Orten gab, mit denen ich – als europäische Leserin – nicht viel anfangen konnte.
Da das Buch aber anhand des Inhaltsverzeichnisses übersichtlich gegliedert ist, kann man wunderbar den Kapiteln nachgehen, die ansprechend klingen oder neugierig machen. Mein persönliches Highlight ist zum einen das Kapitel zum beliebten „Teddybären“, welches eindrücklich den Einfluss der Menschheit auf das Überleben verschiedener Arten aufzeigt; zum anderen das Kapitel zu den „Höhlenmalereien von Lascaux“, welches einerseits den menschlichen Drang beschreibt, Kunst zu erschaffen und zu hinterlassen, dem aber andererseits die Marginalität des Menschen im Paläolithikum entgegengesetzt wird. Das Kapitel, in welchem John Green die Absurdität des Anthropozäns und das Wesen der Menschheit in meinen Augen jedoch am besten verdeutlicht, ist jenes zu „Den Pinguinen aus Madagaskar“. Da kann ich allen nur empfehlen: Lest dieses Kapitel!
Um dem Buch und seiner Aufmachung gerecht zu werden, vergebe ich abschließend 4 Sterne 😉. Da viele Kapitel für mich als nicht-US-Amerikanerin eher verwirrend oder uninteressant waren, muss ich leider einen Stern abziehen. Dennoch hatte ich ein unterhaltsames, emotionales und nachdenklich machendes Leseerlebnis – ich werde bestimmt noch das ein oder andere Mal zu diesem Buch greifen, um einzelne Kapitel nachzulesen!

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