Kurz, Rau, Intensiv
SturmvögelDieses Büchlein ist durch Zufall auf meinem Radar gelandet, aber als ich den Klapptext las, war ich sofort neugierig. Ich bin fasziniert von Geschichten, in denen Menschen in einer Notsituation über sich ...
Dieses Büchlein ist durch Zufall auf meinem Radar gelandet, aber als ich den Klapptext las, war ich sofort neugierig. Ich bin fasziniert von Geschichten, in denen Menschen in einer Notsituation über sich hinauswachsen, daher zog Sturmvögel unverzüglich bei mir ein.
Vom Fischerleben und der Unzähmbarkeit der See
Das Buch beginnt schonungslos mitten im Eissturm. Schon auf den ersten Seiten bekommen wir die unbarmherzige Kraft des Meeres und Eises zu spüren. Wir lesen von meterhohen Brechern und Eispanzer, die Stahlseile auf den Umfang von Rohren anwachsen lassen. Der Sturm heult, die Gischt spritzt und als Leser/in befindet man ich sofort am Deck des Trawlers. Obwohl Kárason sich einer eher subtile und schlichte Ausdrucksweise bedient, ist das Buch sehr atmosphärisch. Vielleicht ist es gerade diese Einfachheit, die die ungezähmte Kraft der See am besten beschreibt. Im Angesicht der wütenden Elemente gibt es am Ende nicht mehr viel zu sagen. Große Wortgebilde und imposante Metaphern sind was für Poeten, doch hier sprechen Fischer. Einfache Männer der See im Überlebenskampf, denen der Autor mit seinem Stil eine authentische Stimme gibt, sodass sich die Schilderung der Ereignisse sehr realistisch anfühlt, als ob man tatsächlich den Bericht eines isländischen Fischers und kein fiktives Werk vor sich hätte.
"Zweiunddreißig waren wir an Board gewesen, erfahrene Seemänner oder solche, die es werden wollten, doch nur acht von uns trauten sich hiernach noch einmal auf See."
(Sturmvögel von Einar Kárason, btb erlag, 2021, S. 140)
Diese Authentizität liegt mit Sicherheit auch darin begründet, dass der Autor früher selbst zur See gefahren ist. Er weiß also, wovon er schreibt und das spürt man auf jeder Seite. Ein gewisses Interesse für die Seefahrt sollte man als Leser/in jedoch mitbringen, denn gerade, weil sich der Autor so gut auskennt, lässt er auch viel von seinem Wissen in diesem kurzen Roman einfließen. Man lernt tatsächlich eine Menge über die Fischerei und den Alltag der Fischer an Board, da Kárason, wenn er nicht gerade das Drama an Board schildert, in Rückblenden vom Alltag der Seemänner erzählt. Als Leser/in ist es an dieser Stelle vom Vorteil, zumindest die Basisbegriffe der Schifffahrt zu kennen, sprich Bug und Heck, sowie Steuer- und Backboard auseinanderhalten zu können, alles Weitere wird aber gut erklärt und ich kann sagen, dass ich nach der Lektüre definitiv schlauer bin, als vorher.
Ein Schiff gegen die Elemente
Im Grunde habe ich nur einen kleinen Kritikpunkt an dem Buch: Obwohl der Sturm und die Kraft des Meeres toll beschrieben wurden, fehlte es mir ein bisschen an letzten Nervenkitzel. Die Wirkung des Sturms auf die Psyche der Männer ist hervorragend beschrieben und wirkt beklemmend, doch ich hätte gerne noch eine, oder zwei Szenen gehabt, in denen es nochmal richtig gefährlich wird, in denen ich richtig mitbangen und mitzittern hätte können, gerade zum Ende hin.
Fazit:
Trotz einfacher Sprache ist diesr kurze Roman sehr atmosphärisch. Dieses Buch ist so, wie der Wintersturm, gegen die diese Männer ankämpfen: Kurz, Rau, Intensiv.