atemberaubend spannende Kombination von Themen, die für sich allein schon ausreichen würden
Die GottesmaschineDer Autor dieses Thrillers ist Wissenschaftsjournalist und studierter Elementarteilchenphysiker.
Noch vor Beginn des ersten Kapitels findet sich die Bemerkung Diese Geschichte beruht auf realen wissenschaftlichen ...
Der Autor dieses Thrillers ist Wissenschaftsjournalist und studierter Elementarteilchenphysiker.
Noch vor Beginn des ersten Kapitels findet sich die Bemerkung Diese Geschichte beruht auf realen wissenschaftlichen Theorien und Fakten.
Inhalt
Der katholische Weihbischof Stefano Lombardi, der im Buch nur als Lombardi beschrieben wird, reist auf Wunsch seines Freundes in ein Benediktinerkloster in den Schweizer Alpen, um nach dessen Ziehsohn Sébastien zu sehen, Mönch und Physiker. Das Kloster ist ein Ort, an dem durch den vorhandenen, extrem leistungsstarken Computer Naturwissenschaftler zusammen kommen, um zu forschen. Doch als Lombardi im Kloster eintrifft, findet er eine eigenartige Atmosphäre vor, die nicht nur an dem Sturm liegt, der angekündigt wurde. Doch im Stromausfall, den dieser Sturm hervorruft, zusammen mit einem totalen Abschnitt des Klosters von der Außenwelt, findet er Sébastien tot auf. Gemeinsam mit der Quantenphysikerin Samira Amirpour, die durch die Wetterbedingungen im Kloster festsitzt, versucht er, herauszufinden, wer hinter dem Mord steckt. Dabei stoßen sie auf Teile der Ergebnisse Sébastiens Forschungsarbeit, die die Frage aufwerfen, ob er womöglich einen wissenschaftlichen Gottesbeweis fand.
Meinung
Das Buch an sich ist ein echter Blickfang. Die Farbgestaltung des Covers passt zu einem Thriller im allgemeinen, zu diesem aber besonders, weil sie die Atmosphäre im Kloster einfängt und widerspiegelt. Zu sehen ist ein Kirchengewölbe, das man auf den ersten Blick aufgrund von Licht und Schatten aber auch für einen Roboterkopf halten könnte, was im weiteren Sinne zum Supercomputer passt.
Zentral im unteren Teil des Covers zwischen den beiden Ts des Titels findet sich klein ein Kreuz, hinter dem Licht scheint. Das finde ich ebenfalls gelungen, weil das ungefähr die Thematisierung der Religion im Buch wiedergibt: Sie ist thematisch immer dabei, im Hintergrund, schon allein wegen Ort und handelnder Figuren, ohne sich dabei aber zu sehr in den Vordergrund zu drängen.
Die Figuren sind besonders gut gelungen, jede einzelne ist individuell und klar erkennbar, unglaublich detailliert ausgeformt. Besonders die beiden Hauptfiguren finde ich sympathisch, sie wirken nahbar und echt. Der Autor schafft es, den Figuren verborgene Züge zu geben, sodass sie einen laufend überraschen. Gerade am Ende wechselt die Wahrnehmung der verschiedenen Akteure mit jedem Kapitel, man glaubt, man hätte alles durchschaut, und die nächste Seite stellt alle Theorien auf den Kopf, setzt sie wieder zusammen, um sie dann erneut zu widerlegen.
Die Handlung nimmt unglaublich schnell Fahrt auf. Die 400 Seiten lassen sich auf jeden Fall an einem Vormittag lesen, das Buch ist ein echter Pageturner. Schon bei der Hälfte des Buches glaubt man, das retardierende Moment gefunden zu haben und fragt sich, was denn noch alles passieren kann, und dann kommt so viel Schlag auf Schlag, dass das Ende fast schon überstürzt wirkt.
Der Schreibstil unterstützt dabei, schafft es, Lesende mit den ersten Seiten in den Bann zu ziehen und auf der einen Seite präzise genug die Dinge einzuleiten, dass man meint, die Handlung schreite gemütlich voran, wobei sie einen Sprint hinlegt, den man aber erst bemerkt, wenn man schon darin gefangen ist. In der zweiten Hälfte raubt die Geschwindigkeit den Atem, aber man kann trotzdem nicht schnell genug lesen, weil es so spannend ist.
Dazu tragen auch die Perspektivenwechsel bei, zu Beginn ist Lombardis Perspektive vorherrschend, mit kleinen Ausflügen in die Gedankenwelt des "Dieners", ab der Hälfte aber wechselt die Perspektive alle zwei Seiten, was ein unglaubliches Tempo zur Folge hat, zusätzlich kann man sich nicht entscheiden, welche Perspektive man als nächstes verfolgen möchte, da sie zwar auch geographisch auseinander liegen, aber sich trotzdem um einen kleinen Kern drehen und jede für sich allein genommen schon spannend genug wäre.
Auch glaubwürdig wirkt diese Geschichte. Zum einen merkt man, dass der Autor weiß, wovon er spricht, wenn etwas erklärt wird, zum anderen sind die Ereignisse gerade eben noch so, dass sie nicht aus der Luft gegriffen wirken. Immer wieder tragen Wendungen dazu bei, dass der Spannungsbogen noch ein bisschen weiter gespannt wird, obwohl man schon dachte, man wäre am Maximum angelangt.
Beim Lesen des Klappentextes denkt man zuerst an Dan Browns "Illuminati", und so abwegig ist der Vergleich nicht, trotzdem gelingt es hier, trotz ähnlichen Themas eine komplett neue Geschichte zu erfinden. Die Ideen wurden so umgesetzt, dass eine nicht dagewesene Geschichte entsteht, und auch so, dass jede davon fruchtet, weil sie so fein ausformuliert ist.
Gelungen finde ich auch die Verknüpfung der Themen. Man merkt, dass der Autor Ahnung hat und sich nicht alles aus den Fingern saugt. Dabei werden immer wieder physikalische, mathematische und religiös-philosophische Sachverhalte erklärt, so ganz nebenbei in kurzen Sätzen, was im ersten Moment logisch klingt, aber danach überhaupt nicht mehr, Quantenphysik eben. Wer also eine riesengroße Abneigung gegen Physik hat, findet hier wahrscheinlich nicht sein Lieblingsbuch. Trotzdem sind die Erklärungen ausreichend, um zu verstehen, worum es geht, und spannend genug, um das Bedürfnis zu wecken, ausführlich nachzuschlagen.
Wissenschaft und Religion werden meiner Meinung nach angemessen dargestellt, ohne in Klischees zu verfallen.
Fazit
Ein großer Lesespaß ist hier auf jeden Fall für alle gegeben, die bei mindestens einem der Themen Thriller, Wissenschaft, Religion oder Dan Brown jubeln.
Wer einen Pageturner mit einem kleinen bisschen Bildung nebenbei sucht, ist hier ebenfalls richtig.
Für mich ein unglaublich gutes Buch, das ich nahezu uneingeschränkt empfehlen würde.