Schöpft Potential nicht aus
Mit jedem JahrSimon Van Booy erzählt in "Mit jedem Jahr" die Geschichte von Harvey und ihrem Onkel Jason, der sie nach dem Tod ihrer Eltern adoptiert. Jason, dessen Vergangenheit von Gewalt, Alkohol, einer Haftstrafe ...
Simon Van Booy erzählt in "Mit jedem Jahr" die Geschichte von Harvey und ihrem Onkel Jason, der sie nach dem Tod ihrer Eltern adoptiert. Jason, dessen Vergangenheit von Gewalt, Alkohol, einer Haftstrafe und wenig menschlichen Bezugspersonen geprägt war, fällt es nicht leicht, die Vaterrolle für ein kleines Mädchen zu übernehmen, dennoch nimmt er sich der Aufgabe gewissenhaft an.
In Rückblenden wird episodenhaft das gemeinsame Leben der beiden erzählt.
Hierbei ist die Geschichte insgesamt vorhersehbar und klischeehaft, hin und wieder an der Grenze zum Kitsch. Es ist eigentlich eine schöne, ungewöhnliche Familiengeschichte, die leider das Potential nicht ganz ausschöpft. Die Stärke des Romans liegt deshalb eben nicht in der Rahmengeschichte, sondern in den kleinen Situationen im alltäglichen Familienleben von Jason und Harvey, die für sich genommen einfühlsam beschrieben werden. Insgesamt gesehen ergeben sie allerdings ein zu perfektes Bild ab.
Vor allem Jason wuchs mir mit der Geschichte ans Herz, während die Jugendliche und Erwachsene Harvey etwas farblos blieb und es so schwer war, mich in sie hinein zu versetzen. Vielleicht ist das auch Absicht von Simon Van Booy, der den Fokus auf Jason legen wollte? Bei beiden Personen hätte die Darstellung der Persönlichkeit und ihrer Entwicklung aber gerne mehr in die Tiefe gehen können.
Der Schreibstil ist flüssig und das Buch lässt sich sehr gut lesen. Sprachlich ist es (im besten Sinne) einfach verfasst. Kleine Zeitsprünge innerhalb der einzelnen Episoden haben mich manchmal stutzen lassen, gehören aber wohl bewusst zum Erzählstil des Autors.
Fazit: Eine schöne Geschichte über eine ungewöhnliche Vater-Tochter-Beziehung, leider mit deutlichen Schwächen.