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Veröffentlicht am 27.08.2021

Das letzte Geheimnis

Die Leuchtturmwärter
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Im Jahr 1972 verschwinden drei Leuchtturmwärter vor der englischen Küste spurlos. Es sieht so auch als sei der Leuchtturm eben verlassen worden. Die Ehefrauen der Wärter sind schockiert und die Chefs entsetzt. ...

Im Jahr 1972 verschwinden drei Leuchtturmwärter vor der englischen Küste spurlos. Es sieht so auch als sei der Leuchtturm eben verlassen worden. Die Ehefrauen der Wärter sind schockiert und die Chefs entsetzt. Der Leuchtturm steht zwar komplett in der See und ist damit schwer zugänglich, aber er ist doch sicher. Die drei Männer bleiben unauffindbar und die Frauen bleiben zurück, einigermaßen abgesichert durch den Arbeitgeber der Männer. Zwanzig Jahre später beginnt ein Schriftsteller, in der Sache von Neuem nachzuforschen. Er beginnt mit den ehemaligen Beteiligten zu reden, wobei er besonders den Frauen das Wort gönnt.

Auf den beiden Zeitebenen 1972 und 1992 ist die Handlung dieses Romans angesiedelt. Jenny, Hanna und Michelle müssen mit dem Verlust ihrer Männer leben. Der Schock und die Trauer bleiben bestimmend für die Hinterbliebenen. Auch zwanzig Jahre später sind die Ereignisse so gegenwärtig als seien sie gerade erst geschehen. Vielleicht liegt es daran, dass das Verschwinden ihrer Männer nie richtig aufgeklärt wurde. Natürlich ist das Leben irgendwie weitergegangen, aber es ist doch eine späte Genugtuung, dass sie jetzt ihre Gedanken mit dem fremden Autor teilen können. Was hat den Schriftsteller dazu bewogen, sich gerade dieses Themas anzunehmen?

Vage auf einem wahren Geschehen beruhend ist die Idee zu diesem Roman sehr spannend und dramatisch. Wie ergeht es Menschen, die nach einem solchen Ereignis, dass keinen richtigen Abschluss hat. Gedanken nach dem wirklichen Geschehen, die nie vergehen. Nach langer Zeit ein Ansatz, ein Versuch zu einer späten Klärung zu kommen. Leider jedoch ist besonders der Beginn des Romans etwas langatmig, für einen Familienroman zu distanziert, für einen Kriminalroman nicht so packend. Gefühlt erst nach der Hälfte wird es fesselnder, weil sich ein paar neue Informationen ergeben. Wegen der durchgängigen Berichte auf beiden Zeitebenen und der kürzeren Kapitel beginnt man die Dramatik des Geschehens nachzuempfinden. Was ist die Wahrheit, was glauben die Überlebenden. Können sie sich schließlich doch noch arrangieren? Eine Idee, die neugierig macht und die bald in einem spannenden Roman mündet.

Veröffentlicht am 26.08.2021

Philomena

Seht ihr es nicht?
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Nach einem Fall, der sie traumatisiert hat, ist Philomena Schimmer in einer Sondereinheit des BKA. Ihre Aufgabe ist es, vermisste Personen ausfindig zu machen. Bei einem Mordfall wird festgestellt, dass ...

Nach einem Fall, der sie traumatisiert hat, ist Philomena Schimmer in einer Sondereinheit des BKA. Ihre Aufgabe ist es, vermisste Personen ausfindig zu machen. Bei einem Mordfall wird festgestellt, dass die elfjährige Tochter der Familie verschwunden ist, und Philomena wird zu der Ermittlung hinzugezogen. Dabei trifft sie auch ihren Ex-Freund wieder, von dem sie auch nicht so richtig lassen kann. Natürlich kommt Philomena Schimmer nicht umhin, sich auch um den eigentlichen Fall zu kümmern, wenn sie etwas über das Mädchen erfahren will. Der Mord hat eine unbescholtene Familie getroffen, die Mutter zwar getrennt, aber Wissenschaftlerin, die es vorgezogen hat, sich auf dem Land eine andere Existenz aufzubauen.

Ein erster Fall für Philomena Schimmer, mit drei Schwestern an der Backe, die ihr aber doch sehr lieb sind. Noch immer leidet sie unter ihrem Trauma, mit dem sie zum Glück zu leben gelernt hat. Nur manchmal überwältigen sie die Ängste und dass sie immer etwas gegen ihre Besucher hat, kann man auch nicht sagen. Mitunter helfen sie ihr sogar, einen anderen Blickwinkel zu finden. Doch nun stehen Philomena und ihre Kollegen vor einem Rätsel und sie hoffen das junge Mädchen schnellstmöglich zu finden, sie hoffen, dass die Kleine noch am Leben ist.

Der Autor ist vielleicht von seinen Kriminalromanen um Major Schäfer bekannt und nun schickt er eine neue Ermittlerin an den Start. Es mag nicht für jeden oder jede ganz leicht sein, sich mit ihr anzufreunden. Man schwankt vielleicht zwischen Mitgefühl und der Schwierigkeit, ihre Besucher zu verstehen. Etwas schwierig ist es auch, das Beziehungsgeflecht der betroffenen Familie zu entschlüsseln. Zum Glück blitzt auch der spezielle Humor Philomenas immer wieder auf und ihre Bande zur Familie sind bemerkenswert. Der Fall ist kompliziert und überraschend und die tragischen Opfer erwecken Mitgefühl. Möglicherweise werden Major Schäfer und Philomena Schimmer einmal die Gelegenheit bekommen, ihre Kräfte zu bündeln, aber auch alleine ist Philomena eine spannende neue Persönlichkeit am Krimihorizont.

Veröffentlicht am 23.08.2021

Astrids Welt

Die Glocke im See
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Astrid Hekne ist eine, die mehr will. Doch im kleinen Ort Butangen in Norwegen geht es nicht so schnell mit dem Fortschritt. Als im Jahr 1880 der neue Pfarrer Kai Schweigaard sein Amt antritt hofft Astrid ...

Astrid Hekne ist eine, die mehr will. Doch im kleinen Ort Butangen in Norwegen geht es nicht so schnell mit dem Fortschritt. Als im Jahr 1880 der neue Pfarrer Kai Schweigaard sein Amt antritt hofft Astrid auf eine andere Zukunft. Neue Ideen hat Schweigaard schon einmal. Er will die alte Stabkirche abbauen lassen und ein neues größeres und modernes Kirchengebäude errichten. Den Abbau überwachen soll der junge Architekturstudent Gerhard Schönauer. Und mit ihm weht der Wind des Unbekannten ins kleine Butangen. Astrid muss überlegen, wohin ihre Sehnsucht sie zieht. Sieht sie sich als Pfarrersfrau oder will sie lieber mit der Kirche ins ferne Dresden reisen.

Die Hekne Familie hat eine enge Bindung zu der Stabkirche. Einer ihrer Vorfahren hat die Kirchenglocken gestiftet. Allerdings sind nicht nur die Heknes wenig begeistert, dass die Glocken mit ihrer Kirche ins ferne Deutschland reisen sollen. Da war der neue Pfarrer vielleicht doch etwas zu schnell mit dem Verkauf. Astrid dagegen will irgendwie beides, das Moderne und die Heimat. Wie soll sie sich entscheiden? Ihre Phantasie lässt sie nicht im Stich, sie wird sich etwas einfallen lassen, so dass alle zufrieden sind. Auch die Schwesternglocken? Das ist der Plan.

Der Prolog dieses Romans ist spannend, dramatisch und tragisch. Wie kam es zu der Stiftung der Glocken? Und wieso werden sie die Schwesternglocken genannt? Welche Legenden ranken sich um sie? Dagegen verliert Astrids Geschichte fast zwangsläufig an Fahrt. Schließlich lässt sich der Autor viel Zeit sie zu entwickeln. Astrids forsche wissbegierige Art macht sie sehr sympathisch. Da hat es der Pfarrer mit seinen inneren Widerständen nicht nur bei den Dorfbewohnern schwerer zu punkten. Der angehende Architekt Schönauer wirkt dagegen wie ein frischer Wind, der um ein altes Gemäuer bläst. Auch ein gewisser Humor und die eigene Art zu sprechen der Leute aus Butangen runden die Geschichte ab. Auch wenn man das Gefühlt hat, die Handlung hätte eine gewisse Straffung vertragen, so ist sowohl die Geschichte der Schwesternglocken als auch die Astrids interessant und zum Ende hin ergreifend. Dieses vermag die Vorleserin Beate Rysopp bestens zu transportieren.

Veröffentlicht am 16.08.2021

Stuntdouble

Es war einmal in Hollywood
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Im Los Angeles des Jahres 1969 versucht der Schauspieler Rick Dalton seine Karriere wieder in Gang zu bringen. Früher war er ein Serienheld, doch inzwischen ist er auf kleinere Rollen des Bösewichts abonniert. ...

Im Los Angeles des Jahres 1969 versucht der Schauspieler Rick Dalton seine Karriere wieder in Gang zu bringen. Früher war er ein Serienheld, doch inzwischen ist er auf kleinere Rollen des Bösewichts abonniert. Weil er keinen Führerschein mehr hat, lässt er sich von Cliff Booth durch die Gegend kutschieren. Dieser ist eigentlich Ricks Stuntdouble, doch da Jobs rar gesät sind, macht er auch das. Das Nachbargrundstück bei Ricks Haus wird von neuen Leuten bewohnt und zwar dem Regisseur Roman Polanski und seiner Frau Sharon Tate. In einer alten Kulissenstadt hat sich die Family von Charles Manson eingenistet.

Bei diesem Debütroman handelt es sich um das Buch zu dem Film „Once upon a Time in Hollywood“. Wenn man sich die Beschreibung zum Film anschaut, scheint der Roman ausführlicher zu sein und in Teilen möglicherweise auch anders. So könnte es eine gute Idee sein, zur Lektüre des Buches sich auch den Film zu Gemüte zu führen. Einen erheblichen Teil des Romans macht auch die Beschreibung des Hollywood-Geschäftes aus. Als Teil davon hat der Autor einen guten Durchblick und kann seinen Lesern einen tollen Abriss darüber geben, wie es im Filmgeschäft zugeht. Und da ist Sharon Tate eine der Wenigen, die sich von ihrer Heimat aus aufmacht, um Erfolg zu haben und die es tatsächlich schafft. Leider kann sie es nicht lange genießen.

Wenn man einige der Filme von Quentin Tarantino gesehen hat, hegt man einige Erwartungen, die der Roman nicht so ganz erfüllen kann. Vielleicht hat man da auch einfach die falschen Filme gesehen und sollte sich zusätzlich den Film anschauen, zu dem das Buch erschienen ist. Jedenfalls wirken gerade die beschreibenden Szenen schon etwas ausgewalzt. Zum Glück blitzt ab und zu auch das Tarantino mäßige auf und zusätzlich schafft es der Autor teilweise mit wenigen prägnanten Worten die Szenen zu zeichnen, so dass es schon wieder gut rüberkommt. Auch wenn der Roman ein wenig zu viele beschreibende Elemente hat, so bekommt man doch ein vermutlich sehr authentisches Bild vom Hollywood der späten 1960er. Die Welt hat sich für die Schauspieler alter Schule verändert, sie müssen den Jungen Platz machen und sie wagen noch ein Aufbäumen. Die Grundstimmung der Zeit und der Personen ist wahrscheinlich sehr gut getroffen.

Veröffentlicht am 01.08.2021

Der Ausbruch

Monschau
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Im Jahr 1962 kann man so einiges von einer Geschäftsreise mitbringen, leider auch noch die Pocken. Und so passiert es einem Monteur der Monschauer Rither-Werke. Da er nur leicht erkrankt, wird er falsch ...

Im Jahr 1962 kann man so einiges von einer Geschäftsreise mitbringen, leider auch noch die Pocken. Und so passiert es einem Monteur der Monschauer Rither-Werke. Da er nur leicht erkrankt, wird er falsch diagnostiziert und geht bald wieder arbeiten. Als jedoch seine kleine Tochter schwerer erkrankt, wird ein Arzt aufmerksam und lässt sie nach Aachen in eine Klinik bringen, um sie zu isolieren. Dort jedoch weigert man sich, das Kind aufzunehmen und in Monschau muss eine provisorische Isolierstation aufgebaut werden. Aus Düsseldorf eilen Professor Stüttgen und sein junger Assistent herbei, die dafür sorgen sollen, Kranke in Quarantäne zu schicken und Ansteckungen zu verhindern.

Ein historisches Ereignis wird hier romanhaft aufgearbeitet. Im Vergleich mit der heutigen Pandemie ist der Ausbruch der Pocken damals eher winzig. Die Reaktionen der Politiker, Industriellen, der Menschen, Mediziner und Kranken sind jedoch erschreckend ähnlich wie heute. Man darf sich also fragen, wie groß ein Lerneffekt ist. Eher klein, ist zu befürchten. So redeten die Politiker schon damals alles klein, die Fabrikanten wollten ihre Werke am Laufen halten, die Quarantäne war eher ungeliebt und die Monschauer im Umkreis unbeliebt und das im Karneval. Und doch bemüht sich das medizinische Personal mit Hilfe von Freiwilligen, die Ansteckungsgefahr zu gut wie möglich einzudämmen.

Natürlich ist es gerade in der heutigen Pandemiezeit sehr interessant auf einen historisch belegten Krankheitsausbruch in einem beschaulichen Städtchen zu schauen. Spannend sind dabei auch Veröffentlichungen aus dem Internet, mit denen man einen Eindruck bekommt, wie genau der Autor recherchiert hat. Doch man bekommt das Gefühl, dass der Autor machmal etwas zu weit abschweift, mitunter anekdotisch oder auch zeitgeschichtlich, wodurch dann die eigentlichen Begebenheiten im Epilog abgehandelt werden. Auch wenn das Drumherum durchaus lesens- und wissenswert erscheint, hätte man gerne mehr über den Krankheitsausbruch und seine Auswirkungen auf die Monschauer gewusst. Auch wie die Ärzte ihre Aufgabe empfinden und wie sie mit ihren Patienten umgehen, hätte noch etwas eingehender geschildert werden können. Dennoch verarbeitet der Autor in seinem Roman ein spannendes Thema, das von Johann von Bülow sehr sympathisch vorgelesen wird.