Die Idee hinter dem Buch klang toll. Wirklich. Ich habe die Protagonistin Kendra bewundert, noch während ich den Klappentext gelesen habe.
Eine solche Wanderung ist… für mich ehrlich gesagt nicht vorstellbar. Ich kann mir nicht vorstellen, wie viele Nerven und wie viel Motivation und was weiß ich es einen alles kosten muss eine 3500 Kilometerlange Wanderung zu machen. Allein sich so etwas zuzutrauen… Respekt.
Aber dann habe ich angefangen das Buch zu lesen und fand die Protagonistin leider fast von der ersten Seite an… nun ja… unausstehlich? Man mag es vielleicht noch mutig finden, dass Kendra den Appalachian Trail ganz alleine wandern will, nachdem ihre beste Freundin kurzfristig abspringt, aber ich fand es ehrlich gesagt eher ein wenig dämlich. Nicht unbedingt in dem Hinblick, dass sie die Wanderung alleine durchziehen möchte, aber wie sie sich in dem Punkt das ganze Buch über gegenüber ihren Mitmenschen verhält.
Kendra ist diese Wanderung sehr wichtig und sie hat eine sehr genaue Vorstellung davon, wie sie ablaufen soll - nämlich ohne Handy. Ihre Eltern, die nicht einmal wissen, dass ihre (minderjährige) Tochter diese Reise alleine unternimmt, sondern immer noch glauben, ihre Freundin würde mitkommen, fragen ganz höflich und nett, ob Kendra sich nicht jeden Morgen mal eben melden könne, nur, damit sie wissen, dass sie noch lebt. Ist das zu viel verlangt? Ich finde nicht. Kendra allerdings schon. Schließlich einigen sie sich auf zweimal die Woche, was Kendra immer noch nicht passt, aber gut. Bereits da war ich an einem Punkt angekommen, bei dem sich absolutes Unverständnis in mir breit gemacht hat. Ich fand das Verhalten ihrer Eltern deutlich nachvollziehbarer als Kendras.
Aber das war nicht einmal das schlimmste. Sich nicht unbedingt immer bei den Eltern melden zu wollen, schön und gut. Da hätte ich vielleicht drüber hinwegsehen können. Aber wie sie ihren Freund Branden am Anfang behandelt hat, da hätte ich bereits echt zu viel kriegen können. Die beiden sind erst seit drei Monaten zusammen, aber Kendra gibt von sich, dass sie ihn liebt - und dann will sie sich monatelang nicht bei ihm melden? Wie bitte?
Dass die Beziehung der beiden nicht sonderlich lange gehalten hat, in Anbetracht dessen wie absolut unliebevoll Kendra mit Branden umgegangen ist, hat mich nicht im geringsten gewundert - Kendra allerdings schon, als sie nach einiger Zeit eine Nachricht kriegt, in der er um eine Beziehungspause bittet. Kendra ist natürlich total verletzt, was ich persönlich überhaupt nicht mitfühlen konnte, denn zum einen kommt sie recht schnell drüber hinweg und zum anderen sieht sie kaum, dass vielleicht ihr Verhalten daran Schuld sein könnte. Ich meine… gerade bei einer Fernbeziehung ist Kommunikation doch das wichtigste. Das allerwichtigste. Da kann man nicht doch nicht einfach sagen „Tschüss! Wir sehen und hören uns jetzt für ein paar Monate nicht, bis Weihnachten!“ und glauben, dass das gut geht.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich schon enorm über Kenner aufregen müssen und ein wenig Antipathie für sie entwickelt. Bedenke, wir befinden uns immer noch ziemlich am Beginn des Buches.
Kurz darauf wird das schon im Klappentext erwähnte Love Interest Sam eingeführt, den ich leider nicht viel mehr leiden konnte als Kendra, was vor allem daran lag, dass er Sachen gedacht hat wie „Sie sah genauso aus, wie ein Mädchen aussehen sollte, süß, brav und anständig“ und Kendra dazu bringt ihren gesunden Menschenverstand auszuschalten. Gefühlt ist sie die ganze Zeit wie eine verliebte Ente hinter ihm hergewatschelt, hat sein Verhalten ihr gegenüber, das zum Teil nicht in Ordnung war, immer wieder verteidigt und klein geredet. Eine gesunde Beziehung sieht anders aus. Eine tragische Vergangenheit rechtfertigt nämlich nicht alles.
Abgesehen davon, dass ich also beide Hauptpersonen mal mehr mal weniger gut leiden konnte (meistens leider weniger), fand ich, dass die Beziehung zwischen den beiden etwas schnell voran geschritten ist. Erst verfolgt Sam sie, um auf Kendra aufzupassen, dann sind sie plötzlich Freunde und kaum hat Kendra eine Flasche Whisky gefunden und ist leicht angeheitert fängt sie an sich auszuziehen und ist unsterblich verliebt. Wo war da die Chemie? Wo war da das Kennenlernen und ineinander verlieben? Man wurde von der Autorin einfach vor vollendete Tatsachen gesetzt. Und wie gesagt, ich empfand die Beziehung zwischen Sam und Kendra als kein gutes Beispiel dafür, wie eine gesunde Beziehung funktionieren sollte. Kendra ist regelrecht abhängig von Sam.
Lediglich gegen Ende konnte Kendra sich noch ein paar Pluspunkte bei mir sammeln, da sie endlich einmal eine vernünftige Entscheidungen trifft.
Der Gedanke hinter dem Buch war gut, die Umsetzung leider weniger. Die Charaktere konnten mich überhaupt nicht überzeugen, gehen selten mit einem guten Beispiel voran und sind für mich immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Ich habe so viele ihrer Handlungen nicht nachvollziehen können - will ich auch gar nicht. Für mich war „The Distance from me to you“ leider nicht das, was ich mir erhofft hatte, auch, wenn das Buch zugegeben ein wenig Lust macht selbst einmal ein wenig wandern zu gehen.