Das Verschwinden der Leuchtturmwärter
Cover:
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Das Cover wirkt schlicht in seinem Dunkelblau und dennoch wirkt die Zeichnung des Leuchtturms im tosenden Meer sehr eindringlich und mythisch. Es zieht den Leser auf magische Weise an, das Buch ...
Cover:
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Das Cover wirkt schlicht in seinem Dunkelblau und dennoch wirkt die Zeichnung des Leuchtturms im tosenden Meer sehr eindringlich und mythisch. Es zieht den Leser auf magische Weise an, das Buch in die Hand zu nehmen.
Inhalt:
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Im Dezember 1900 verschwanden drei Wärter von einem abgelegenen Leuchtturm auf der Insel Eilean Mòr in den Äußeren Hebriden. Was genau passiert ist, weiß bis heute niemand. Aus dieser Geschichte entstanden bereits Romane und auch ein Film. Emma Stonex hat diese Geschichte als Vorlage für eine neue Handlung genutzt, die zwar von diesem Ereignis inspiriert, aber eine fiktionale Geschichte ist, die im Jahr 1972 stattfindet und keine Ähnlichkeit mit dem Leben und der Persönlichkeit der Personen aus der Ursprungsgeschichte hat. In diesem Roman haben die drei Männer Arthur, Bill und Vincent gemeinsam Wache. Als die Ablösung für einen der drei eintrifft, ist die Tür jedoch von innen verschlossen, beim Eindringen in den Leuchtturm ist kein Mensch anwesend und alle Uhren sind um Viertel vor Neun stehen geblieben. Was ist mit den Männern geschehen? 20 Jahre später versucht ein Schriftsteller durch Interviews mit Menschen, die diese Männer kannten, vor allem mit den drei Frauen der Männer, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.
Mein Eindruck:
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Der Aufbau des Romans erscheint anfangs sehr verworren. Die Geschichte spielt im Wesentlichen auf den beiden Zeitebenen 1972, in dem die Männer verschwanden und 1992, dem Jahr, in dem der Schriftsteller sich auf Spurensuche begibt. Zudem Wechseln die Perspektiven der Personen innerhalb einer Zeitebene. Nach und nach erfährt der Leser durch die Interviews und Erinnerungen sowie die Erzählungen im Jahr des Verschwindens mehr über die einzelnen Protagonisten und ihre Beziehungen zueinander. Helen ist schon lange mit Arthur Black verheiratet, der sich mittlerweile zum Oberwärter hochgearbeitet hat. Die beiden haben keine Kinder, doch in ihrer Ehe gibt es ein schweres Geheimnis, dass die beiden mehr und mehr auseinanderbringt. Arthurs Freund und Wärter William "Bill" Walker hat mit seiner Frau Jenny drei Kinder, doch glücklich ist vor allem Bill nicht in der Beziehung. Hilfswärter Vincent Bourne ist frisch verliebt und kann sich, obwohl er eine dunkle Vergangenheit hat, eine gute Zukunft mit seiner Freundin Michelle vorstellen.
Durch die Wechselschicht der drei Männer und die erzwungene Gemeinschaft der an Land zurückbleibenden Frauen entwickeln sich ihre Beziehungen zueinander in einer gewissen Eigendynamik. Jeder hat seine (dunklen) Geheimnisse, die durch die Interviews mit dem Schriftsteller schrittweise gelüftet werden. Nicht zuletzt wird am Ende auch der Schriftsteller selbst "enttarnt". Der Roman spielt mit der Tatsache, dass jeder seine eigenen Wahrheiten hat bzw. eine Geschichte immer aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden kann. Dadurch hat das Buch für mich einen richtigen Sog entwickelt, ich konnte es kaum aus der Hand legen. Verstärkt wurde dieser Sog-Effekt auch durch die fast poetische Sprache, die dem Leser viele Denkanstöße liefert.
S. 161 [Helen] "Mein Mann ist tot, aber ich nicht. Auch Jenny nicht. Und was uns miteinander verbindet, ist nicht tot, es lebt, und wenn das so ist, kann es sich ändern, es kann wachsen, es kann einen Ausweg finden. Von Tod und Verlust habe ich genug, ich will das nicht mehr. Ich habe Ihnen letztes Mal vom Garten erzählt. Davon, dass das Leben wieder und wieder aus der Kälte zurückkehrt. Das ist es, worauf ich hoffe. Das ist es, was ich will."
Liebe, Verlust, Trauer, Vergeben können und nach vorne sehen, das sind die wichtigen Themen dieses Romans, eingewoben in die spannende Ergründung von persönlichen Geheimnissen und Wissen zur Arbeit von Leuchtturmwärtern.
Zugegebenermaßen ist ein konzentriertes Lesen erforderlich, um den Durchblick zu behalten, auch wenn durch Überschriften die Zeit- und Personenebenen klar voneinander abgetrennt sind. Doch es lohnt sich auf jeden Fall!
Fazit:
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Ein spannender und poetisch geschriebener Roman über das Leben von Leuchtturmwärtern und der Frage, wie viele Wahrheiten eine Geschichte haben kann