Zerbrochene Freundschaft
Hans Schwarz, der Sohn eines jüdischen Arztes der im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz geehrt wurde, besucht das Karl-Alexander-Gymnasium in Stuttgart. Der 16-Jährige ist sehr in sich gekehrt, träumt ...
Hans Schwarz, der Sohn eines jüdischen Arztes der im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz geehrt wurde, besucht das Karl-Alexander-Gymnasium in Stuttgart. Der 16-Jährige ist sehr in sich gekehrt, träumt davon Dichter zu werden und hat kaum Kontakt zu seinen Mitschülern. Dies ändert sich, als im Januar 1932 ein neuer Schüler, Konradin Graf von Hohenfels, in die Klasse kommt. Hans fühlt sich sofort zu ihm hingezogen und sucht seine Nähe. Bald entsteht eine innige Freundschaft zwischen den beiden. Der junge Graf wird zum gern gesehenen Gast im Hause Schwarz, während Hans nur einige Male, in Abwesenheit der Eltern, in die Villa des Freundes kommen darf. Nach einer Opernaufführung, bei der Hans von Konradin völlig ignoriert wurde, erfährt er, dass Konradins Mutter keine Juden in der Nähe ihrer Familie duldet. Der aufkommende Nationalsozialismus und die antisemitische Hetze dringen bald auch bis zur Schule vor. Als Hans von seinen Mitschülern schikaniert wird, wird dies von Konradin teilnahmslos toleriert …
Der Autor Fred Uhlman (geb.1901 - gest.1989) besuchte das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart, das auch einige Jahrgänge unter ihm Claus Graf Schenk von Stauffenberg besuchte. Uhlmann war ein jüdischer Rechtsanwalt, Schriftsteller und vielbeachteter Maler. Als aktives Mitglied der SPD und Freund von Kurt Schumacher floh er 1933 vor den Nazis nach Frankreich, wo er seinen Lebensunterhalt zunächst als Kunsthändler verdiente. Nachdem er seine spätere Ehefrau Diana Croft, Tochter von Sir Henry Baron Croft, kennen lernte, zog er mit ihr 1936 nach England. Seine Eltern und seine Schwester, die in Deutschland zurück geblieben waren, überlebten den Holocaust nicht. Als Schriftsteller bekannt wurde Uhlmann durch die in neunzehn Sprachen übersetzte Novelle von 1978 „Reunion“, deren deutsche Übersetzung zunächst 1979 unter dem Titel „Versöhnt“ erschien, dann 1988 unter dem Titel „Der wiedergefundene Freund“ neu aufgelegt und 1989 verfilmt wurde. Bereits 1960 erschien in England seine Autobiografie, die er seiner Frau und seinen beiden Kindern widmete.
Ob eine Freundschaft zwischen einem jüdischen Arztsohn und einem jungen Adligen in der Zeit der Machtergreifung Hitlers möglich ist und Bestand hat, diese Frage greift der Autor in seiner Novelle auf. Er macht das großartig, geht sehr behutsam vor, lässt den Leser aber schon ahnen, dass die Harmonie und das Einvernehmen auf Dauer nicht so bleiben kann. Die Wege der jungen Männer müssen sich trennen, der Kontakt reißt ab – bis Hans etwa 30 Jahre später einen Spendenaufruf seiner damaligen Schule bekommt. Jetzt hat er die Möglichkeit, etwas über den Verbleib seines einstigen Freundes Graf von Hohenfels zu erfahren. Auch wenn der Schreibstil in der heutigen Zeit etwas antiquiert wirkt und einige Längen vorhanden sind, lohnt es sich weiter zu lesen. Die Quintessenz kommt ganz zum Schluss!
Fazit: Eine elegante kleine Erzählung, die man getrost in die Reihe der Klassiker aufnehmen kann.