Toxisch, teuflisch, süchtig
Shuggie BainKlappentext:
„Shuggie ist anders, zart, fantasievoll und feminin, und das ausgerechnet in der Tristesse und Armut einer Arbeiterfamilie im Glasgow der 80er-Jahre, mit einem Vater, der virile Potenz über ...
Klappentext:
„Shuggie ist anders, zart, fantasievoll und feminin, und das ausgerechnet in der Tristesse und Armut einer Arbeiterfamilie im Glasgow der 80er-Jahre, mit einem Vater, der virile Potenz über alles stellt. Shuggies Herz gehört der Mutter, Agnes, die ihn versteht und der grauen Welt energisch ihre Schönheit entgegensetzt, Haltung mit makellosem Make-up, strahlend weißen Kunstzähnen und glamouröser Kleidung zeigt - und doch Trost immer mehr im Alkohol sucht. Sie zu retten ist Shuggies Mission, eine Aufgabe, die er mit absoluter Hingabe und unerschütterlicher Liebe Jahr um Jahr erfüllt, bis er schließlich daran scheitern muss. Ein großer Roman über das Elend der Armut und die Beharrlichkeit der Liebe, tieftraurig und zugleich von ergreifender Zärtlichkeit.“
Was hier so „weich“ dargestellt wird, entpuppt sich beim lesen als eine extrem toxische Geschichte, die nach Alkohol regelrecht stinkt. Autor Douglas Stuart hat eine enorme, kraftvolle und extrem intensive Geschichte verfasst, dessen Hauptprotagonist „Shuggie“ besser nicht hätte beschrieben sein können. Gleich vorweg: das Buch hat mich nicht so umgehauen, wie es andere Bücher dieses Jahr bereits getan haben, aber, und nun kommt das große ABER: man liest dieses Buch , taucht in die Seele von Shuggie und Mutter Agnes ein und will eigentlich garnicht weiter lesen. Warum? Die Worte, die Stuart hier wählt sind heftig aber dennoch klar gesetzt. Punktgenau beschreibt er Situationen die man eben lieber nicht „sehen“ will, die man gern verdrängt, die gern hinter den Kulissen spielen könnte und genau das ist die Krux bei dieser Geschichte: man will eigentlich nicht und ist dennoch gefesselt und liest immer weiter.
Die Story ist für weltoffenen Menschen gedacht. Warum? Nur wer mit offenen Augen und Verstand durch diese Welt geht, wird hier nicht den Schreck seines Lebens erhalten. Stuart beschreibt eine sehr gesellschaftskritische Zeit, eine Stadt, in der der Staub alles und jeden überdeckt und die Tristesse bei jedem Bürger in einer Art Wohngemeinschaft wohnt. Douglas Stuart nimmt kein Blatt vor den Mund und hat mit seiner klaren Wortwahl es dennoch geschafft, Situationen nicht immer direkt auszusprechen, sondern gekonnt durch verschiedenen Faktoren den Leser „aufzudrängen“. Dieses aufdrängen ist auch notwendig, sonst verstehen wir die Story rund um Shuggie nie…Diese Art von Schreibstil war dafür perfekt gewählt und hat mich zutiefst beeindruckt. Hier und da gab es ein paar Längen, ein paar Situationen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen oder die so nach Alkohol stinken, das einem beim lesen schlecht wird. Das dieses Buch einen Preis erhalten hat, ist mir dennoch ein Rätsel. Wie gesagt, wer mit einem offenen und wachen Blick die Welt sieht, entdeckt hier nichts Neues, sondern eine Story, die unschön ist, aber eben nunmal überall spielen könnte. Von einem Leben in der Gosse liest niemand gern, aber dennoch ist es allgegenwärtig und ja, da gebe ich Douglas Stuart recht, auch darüber muss gesprochen werden. Nichts darf einfach so verharmlost werden oder einfach „tot-geschwiegen“ werden wenn es doch da ist.
Eine sehr beeindruckende Geschichte, der ich 4 sehr gute Sterne gebe, die aber dem äußert gelungenen Schreibstil und weniger der Story vergeben werden. Selten so eine heftige und toxische Geschichte gelesen, die nachhallt und den Leser immer wieder zum nachdenken anregt. Beeindruckend, aber mit Sicherheit nicht jeder Lesers Lieblingsbuch….