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Veröffentlicht am 28.09.2021

Turbulent, frech und sehr witzig - ein großartiges Lesevergnügen

Tschakka! – Huhn voraus
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„Hey, ist es zu fassen? Ich bin das dritte Kind meiner Eltern! Und die wissen immer noch nicht, wie man mit Kindern umgeht?! Die müssen doch mitbestimmen dürfen.“

Eigentlich sollten Sommerferien doch ...

„Hey, ist es zu fassen? Ich bin das dritte Kind meiner Eltern! Und die wissen immer noch nicht, wie man mit Kindern umgeht?! Die müssen doch mitbestimmen dürfen.“

Eigentlich sollten Sommerferien doch was Schönes sein, aber diese Sommerferien stehen unter keinem guten Stern. Tabeas geliebtes Ferienhaus am Meer soll abgerissen werden, obwohl sich Tabea keinen gemütlicheren Ort vorstellen kann. Da fällt der Urlaub dort natürlich flach. Die Familie muss zu Hause bleiben. Doch als Tabea und ihr Freund Einstein auf ein ausgebüxtes Huhn treffen, das im nächsten Moment schon wieder weg ist, beschließen sie die Verfolgung aufzunehmen und das Huhn zu retten. Aber als Superhelden: Tabea wird zu Tschakka und Einstein zu Stoneman. Und kaum starten sie mit ihrer Mission, sind die Ferien überhaupt nicht mehr langweilig, denn das Leben als Superheld ist ein einziges Abenteuer.

Autorin Mara Andreck hat einen herrlich erfrischenden, spritzig-frechen Schreibstil. Die Geschichte wird von Tabea in Ich-Form erzählt, die mit ihrem ganz besonderen Humor überzeugt. Ihre originellen Formulierungen machen Spaß, so ist Einstein beispielsweise nicht klein, sondern „auf das Wesentliche reduziert“.
Das Buch ist dank Phine Wolffs Illustrationen sehr ansprechend und motivierend gestaltet. Auf jeder Seite gibt es kleine lustige, comicartige Bilder zu bestaunen. Das kreative Layout wirkt durch Pfeile, Sprechblasen oder Auflistungen auf den ersten Blick etwas „wild“, aber sehr abwechslungsreich. Die Schrift hat einen etwas größeren Zeilenabstand. Viele Wörter sind in einer anderen Schriftart gedruckt, sie werden auf diese Weise hervorgehoben. Alle Seiten sind - wie bei Comicromanen üblich- individuell aufgemacht, keine ist wie die andere.
Kinder ab acht Jahren werden die Geschichte alleine lesen können, zum Vorlesen ist sie auch schon für jüngere Mädchen und Jungen geeignet.


Tabea alias Tschakka ist ein temperamentvolles, aufgewecktes, pfiffiges Mädchen mit einem Kopf voller Ideen. Mit den Ferienvorsätzen ihrer Familie hat Tabea so ihre Probleme, ihr Bruder Leon will fit werden und seinem Bauch dem Kampf ansagen, Schwester Feli will ihre Namen verbannen und jetzt Fee heißen, ihre Eltern wollen das alte Sofa wegschmeißen. Tabea aber mag Beständigkeit: „Wieso muss plötzlich alles weg? Erst das Ferienhaus und dann auch noch alles andere. Das ist doch magaunökologisch. Haben die noch nie was von Recycling gehört?“
Tabea möchte sogar lieber noch was dazu, einen Hund nämlich.
Auch wenn sie nicht immer einer Meinung mit ihrem besten Freund Jonas alias Einstein ist, der fast genauso klug ist wie sein Namensgeber, sind Tschakka und Stoneman ein unschlagbares Team, das tut, was getan werden muss und sogar Fieslinge wie Nachbar Luis in die Schranken weist.

Tschakkas Welt muss man einfach mögen. Da geht es ganz schön turbulent, abenteuerlich, chaotisch und alles andere als langweilig zu. Und nebenher und völlig unaufdringlich macht sich Tschakka für Natur- und Umweltschutz stark, was in ihrem Fall sogar richtig Spaß macht. Sie hat durchaus recht, wenn sie meint, dass jeder nur ein bisschen tun muss, um die Umwelt zu schützen. Wenn jeder hilft, nutzt das viel, denn die Welt ist schön und hat es verdient, geschützt zu werden. Am Ende löst sich dann meiner Meinung nach alles etwas zu flott auf.
Insgesamt aber ein witziger, kurzweiliger, höchst unterhaltsamer Lesespaß. Ich will definitiv noch mehr von Tschakka und Stoneman lesen und freue mich darauf, wenn sie wieder die Welt retten.

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Veröffentlicht am 13.09.2021

Erneutes Highlight der Reihe - interessanter Aufbau und sehr fesselnde Handlung

Das Grab in den Schären
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„Das ist das letzte Mal, wiederholte sie für sich. Morgen würde sie keinen Tropfen anrühren. Aber heute Abend brauchte sie das.“

Während der Bauarbeiten für neue Sommerhäuser werden auf der Schäreninsel ...

„Das ist das letzte Mal, wiederholte sie für sich. Morgen würde sie keinen Tropfen anrühren. Aber heute Abend brauchte sie das.“

Während der Bauarbeiten für neue Sommerhäuser werden auf der Schäreninsel Telegrafholmen menschliche Überreste gefunden. Thomas Andreasson und sein Team übernehmen die Ermittlungen. Vor zehn Jahren wurden gleich zwei Personen aus Sandhamn, der nächstgelegenen bewohnten Insel, als vermisst gemeldet: die siebzehnjährige Astrid und die 35-jährige Gemeindesekretärin Siri. Doch welche der beiden Frauen ist die Leiche?
Thomas beste Freundin Staatsanwältin Nora Linde, seit ihrem letzten Fall krankgeschrieben, macht sich selbst für das Verschwinden einer jungen Mutter und ihres Sohns verantwortlich. Als sie erfährt, dass ihre frühere Babysitterin Astrid möglicherweise die unbekannte Tote sein könnte, beginnt sie auf eigene Faust zu ermitteln und bringt sich und Thomas damit gewaltig in die Bredouille.

Viveca Sten schreibt wie gewohnt leicht verständlich und unkompliziert, ihr Sprachstil ist angenehm flüssig zu lesen. Die Autorin erzählt aus verschiedenen Perspektiven, arbeitet Rückblenden in ihre Geschichte mit ein. So schildert sie die aktuellen Ermittlungen, nimmt aber auch die Sichtweise der potentiellen Mordopfer Siri und Astrid kurz vor ihrem Verschwinden ein und macht dabei deutlich, welche Entwicklungen zum Verschwinden der Frauen beigetragen haben. Bis zum Ende ist nicht klar, welche Aspekte tatsächlich relevant für den Fall sind und wer die Leiche wirklich ist. Die Kapitel sind sehr kurz, die Erzählstränge werden immer wieder unterbrochen, was die Geschichte noch spannender macht.

Dies ist der zehnte Fall von Thomas Andreasson und Nora Linde. Die Figuren sind mir mittlerweile so vertraut, als kenne ich sie persönlich. Daher hat mich Noras Verhalten in diesem Band nicht kaltgelassen. Nora Linde ist bekannt für ihre Neugier und ihre Hartnäckigkeit. Sie mischt sich in Dinge ein, die sie nichts angehen, bringt sich dabei immer wieder in Gefahr. Am Ende hat sie aber oft den richtigen Riecher. Im neuesten Band ist sie von zurückliegenden Erfahrungen traumatisiert, wirkt „getrieben“. Sie macht sich gar strafbar, weil sie ihre eigenen Schuldgefühle nicht loswird: „Keiner mochte sie mehr, nicht einmal sie selbst. Was hatte sie nur angerichtet?“ Auch wenn Nora nicht zurechnungsfähig scheint - sie sucht immer wieder Trost im Alkohol - hatte ich häufig den Impuls, sie zu „schütteln“, ihr Grenzen zu setzen, ihr ins Gewissen zu reden. Ein eindeutiger Beweis dafür, wie mitreißend und lebendig Sten ihre Charaktere gestaltet. Thomas, der schon immer zurückhaltender und rationaler agiert als Nora, hat diesmal alle Hände voll zu tun, Noras Fehltritte zu verwischen. Auch er hat nach der Trennung von Pernilla mit privaten Herausforderungen zu kämpfen und eigentlich auch ohne Noras Verfehlungen genug zu tun.

Ich gestehe, ich bin süchtig nach dieser Krimi-Serie. Und nachdem ich „Das Grab in den Schären“ gelesen habe, weiß ich wieder genau warum. Auch wenn es sonst auf Sandham eher beschaulich, und recht ruhig zugeht, ist dieser Fall dermaßen spannend aufgebaut, dass ich sofort von der Geschichte gefesselt war, den Dingen unbedingt auf den Grund gehen und erfahren wollte, wie alles zusammenhängt. Das „Puzzle“ musste einfach zu Ende gepuzzelt werden, damit letztendlich alles einen Sinn ergibt. Zudem habe ich die Figuren mittlerweile so lange begleitet, dass ich mehr als neugierig bin, wie es mit ihnen weitergeht, wie sie sich beruflich und vor allem privat entwickeln. Natürlich spricht mich als Skandinavienfan auch der besondere, idyllische Schauplatz der Reihe an. „Das Grab in den Schären“ ist für mich eine perfekt gelungene Fortsetzung, ein sehr stimmig und interessant konstruierter klassischer Krimi, der von Anfang an packt. Ein weiteres Highlight einer uneingeschränkt lesenswerten Reihe.

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Veröffentlicht am 09.09.2021

Taschenriese in Not - genial komisch, magisch turbulent und sehr spannend

Luis und Lena - Der Zwerg des Zorns
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Nachdem Lena und Luis ihre letzte magische Herausforderung erfolgreich bewältigt haben und die Zahnfee des Grauens in ihre Heimat zurückschicken konnten, wartet schon der nächste magische Notfall. Luis ...

Nachdem Lena und Luis ihre letzte magische Herausforderung erfolgreich bewältigt haben und die Zahnfee des Grauens in ihre Heimat zurückschicken konnten, wartet schon der nächste magische Notfall. Luis findet einen Taschenriesen. Und der ist alles andere als ein angenehmer Zeitgenosse. Trotz seiner geringen Größe, verfügt er über ein enormes, ja riesenhaftes Selbstbewusstsein, hat den Drang, ständig Feuer zu legen und ist mit seiner unzugänglichen, harschen Art und seinen Wutausbrüchen ein wahrer „Zwerg des Zorns“ Er lehnt sowohl Lena als auch Luis als Gesprächspartner ab und so wissen die zwei gar nicht, wie sie dem magischen Geschöpf helfen können. Das scheint eine unlösbare Aufgabe für die „Gesellschaft der magischen Katastrophen“. Doch da erhalten sie von unerwarteter Seite Hilfe.

Autor Thomas Winkler schreibt als Luis in der ersten Person und das tut er so unterhaltsam, direkt und genial komisch wie schon im ersten Band. Luis spricht seine Leserschaft immer wieder persönlich an, bezieht sie mit in die Geschichte ein, erlaubt sich schon mal den ein oder anderen Scherz mit ihnen oder fordert sie gar auf, mitten im Buch einfach mit dem Lesen aufzuhören. Luis Listen und Aufzählungen bringen immer wieder zum Schmunzeln. Ziemlich originell auch Luis Wortschöpfungen, sein persönlicher Fluch „Schnacke“ ist schon aus dem ersten Buch bekannt, diesmal hat er sich den Ausdruck „slein“ für sehr, sehr, sehr, sehr klein ausgedacht und wendet diesen auch konsequent an. Diese spritzige, freche Erzählweise macht einfach Spaß. Genau wie Daniel Stieglitz comicartige Illustrationen. Die sind sehr individuell, frech, lustig und gleichzeitig erstaunlich ausdrucksstark. Die Bilder motivieren und gestalten das Buch abwechslungsreich.
Die Schrift des Buches ist etwas größer gedruckt, der Zeilenabstand etwas breiter gehalten.
Mädchen und Jungen ab neun Jahren können das Buch schon eigenständig lesen, zum Vorlesen eignet es sich auch schon für jüngere Kinder.

Alle wichtigen mitwirkenden Figuren sind auf dem Vorsatz- und Nachsatzpapier abgebildet, vorne fehlt allerdings Lena.
Luis ist ein Nerd wie aus dem Buche: er ist einfallsreich, sehr an wissenschaftlichen Zusammenhängen interessiert, vergeistigt, ganz schön clever, mag es ironisch und tappt immer wieder unfreiwillig in völlig abstruse magische Fettnäpfchen. Trotz seiner ausgeprägten Unsportlichkeit trifft er sich regelmäßig mit den Wildschweinen zum Trainieren.
Luis Freundin Lena glaubt fest an jede Art von Magie, ist ein wandelndes „Lexikon der magischen Wesen“ und übertreibt es mit ihren spinnösen Aktionen schon mal ein wenig.
Die „Wildschweine“, eine Freizeitsportmannschaft, präsentieren sich - Nomen est Omen- ganz schön ruppig und wild, teilen einen recht derben Humor und nehmen kein Blatt vor den Mund, haben aber wie Lena das Herz am rechten Fleck und wissen, was wahre Freundschaft bedeutet. Die originellste Figur ist der drei Zentimeter große Taschenriese „Herbert“. Er fordert Lena und Luis ganz schön heraus, gönnt ihnen keine Ruhe, weigert sich aber beharrlich, mit ihnen zu sprechen und Auskunft über sich zu erteilen.
Diese ganz besondere Figurentruppe ist in jeder Hinsicht phantastisch.

Werden Luis und Lena herausfinden, wie sie dem Taschenriesen helfen können?
Ihre neueste magische Mission bringt sie nicht nur gehörig ins Grübeln, sondern entwickelt sich auch turbulent und ziemlich gefährlich, am Ende geht es regelrecht dramatisch zu.
Immer wieder ausgesprochen lustig, in welche absurden Situationen Herbert Luis bringt und dabei ist Luis vielfältige Gedankenwelt alleine schon unbeschreiblich witzig. Sehr gut gefallen hat mir, welche große Bedeutung die Freundschaft in diesem Buch einnimmt. Nicht nur Luis und Lena sind zu echten Freunden geworden, auch die eher „rustikalen“ Wildschweine zeigen, dass man sich immer auf sie verlassen kann.
„Der Zwerg des Zorns“ ist eine absolut gelungene Fortsetzung, ein urkomisches Lesevergnügen.
Von meinen Mitlesern (fünf, sieben und zehn Jahre alt) und mir gibt es eine unbedingte Leseempfehlung. Wir freuen uns jetzt schon auf das nächste Abenteuer der „Gesellschaft für magische Katastrophen“.

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Veröffentlicht am 03.09.2021

Ein Roman wie das Leben selbst: ehrlich und ungeschönt, komisch und tragisch

Gespenster
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„Ich bin wie eine Raststätte auf der Autobahn. Jeder weiß, da bekommt man immer einen Tee und ein Käsesandwich. Bei mir weiß man, was man kriegt. Ich wirke vertraut. Und Männer mögen alles, was vertraut ...

„Ich bin wie eine Raststätte auf der Autobahn. Jeder weiß, da bekommt man immer einen Tee und ein Käsesandwich. Bei mir weiß man, was man kriegt. Ich wirke vertraut. Und Männer mögen alles, was vertraut ist. Sie wissen das selbst nicht, aber so ist es.“

Nina ist gerade 32 Jahre alt geworden. Viele ihrer Freundinnen sind mittlerweile verheiratet oder Mütter. Da die Beziehung zu ihrem langjährigen Freund Joe gescheitert ist - aus Liebe wurde Freundschaft- meldet sich Nina bei einer Dating-App an. Auf diese Weise lernt sie Max kennen. Zunächst scheint es zwischen den beiden wunderbar zu laufen, bis Max eines Tages einfach aus Ninas Leben verschwindet. Und nicht nur das bereitet Nina Kummer, ihr Vater leidet an Demenz und zu einer früheren guten Freundin verliert sie den Draht.

Autorin Dolly Alderton erzählt unkompliziert und flüssig aus Ninas Perspektive in Ich-Form. Sie schreibt herrlich direkt, erfrischend ehrlich und voller Humor. Da finden sich reihenweise amüsante Stellen wie diese: „Wenn ich mich besonders verzweifelt fühlte, rechnete ich mir manchmal aus, wie viele Minute meiner verbleibenden Lebenszeit ich, sollte ich fünfundachtzig werden, damit verbringen würde, die Härchen von meiner Oberlippe zu zupfen, und anschließend stellte ich mir vor, wie viele Fremdsprachen ich in derselben Zeit hätte lernen können.“

Nina ist eine sympathische Figur, die nachvollziehbar und authentisch geschildert wird und mit der ich mich gut Identifizieren konnte. Sie steht stellvertretend für viele Singles Anfang dreißig, die darauf warten „anzukommen“. Nina wird permanent mit den anstrengenden Eigenarten ihrer Mitmenschen konfrontiert. Ninas Freundin Katherine sieht, seit sie Mutter geworden ist, nur noch sich und ihre eigene Situation, ihren eigenen Kosmos. Da verhält sie sich oft rücksichtslos und unsensibel. Nina nimmt das relativ gelassen und denkt sich meist ihren Teil. Auch die Launen und kleinen Verrücktheiten ihrer Mutter, die urplötzlich mit einem neuen Namen angesprochen werden möchte, erträgt sie irgendwie. Mit der fortschreitenden Demenz ihres Vaters hat die zupackende, pragmatische Nina allerdings große Probleme. Es tut ihr weh, ihren Vater, der früher mit Leidenschaft unterrichtet hat und so feinfühlig, sanft und neugierig war, so verändert zu erleben, verschwinden zu sehen. Dolly Alderton hat sehr unterhaltsame Figuren konstruiert, sie sind grundsätzlich stimmig und glaubwürdig, an einigen Stellen bewusst auch etwas klischeehaft übertrieben und überzeichnet. Lola, Ninas letzte Singlefreundin, benimmt sich oft so überdreht und absurd, dass es nicht ganz realistisch wirkt, aber gerade diese Überdrehtheit macht sie zu so einem witzigen und unterhaltsamen Charakter. Vor allem die männlichen Figuren haben mit den Geistern der Vergangenheit und Beziehungsängsten zu kämpfen.

„Gespenster“ stellt auf amüsante Art die Probleme der Generation der Frauen um die Dreißig dar. Jede in der Geschichte vorkommende Frau wünscht sich anzukommen. Aber egal, welchen Weg sie gewählt hat, ihr Ziel hat bisher keine der Frauen erreicht. Nina macht von allen noch den ausgeglichensten Eindruck. Den Konflikt, der zwangsläufig auftritt, wenn Frauen unterschiedliche Lebensmodelle führen, schildert Alderton sehr anschaulich und realistisch. Die Autorin zeigt sehr treffend, wie Frauen sich entwickeln, sobald sie eine Familie gründen. Zu glauben, man könnte einfach so weiterleben wie vorher, bleibt da meist nur Illusion. Mit Kindern ändern sich zwangsläufig die Beziehungen zu anderen. Aber auch die verkrampfte Suche nach einer Partnerschaft gestaltet das Leben von Frauen kompliziert. Die richtige Balance und Entspannung zu finden, ist für Frauen in den Dreißigern eine besondere Herausforderung. Hinzu kommt, dass manche Männer mit sich und ihrer Geschichte hadern, was den Frauen zusätzliche Probleme bereitet. Wiederholt wird in „Gespenster“ das neue und in letzter Zeit häufig zu beobachtende Phänomen „Ghosting“ thematisiert, in dem sich die Bindungsunfähigkeit mancher Personen sehr deutlich offenbart.
Alderton schildert auf den ersten Blick „nur“ Ninas 33. Lebensjahr, ihr Buch liefert aber gleichzeitig einen ungeschönten, ehrlichen, witzigen, aber auch tragischen Blick auf eine ganze Generation und überzeugt durch seine sympathische Heldin. Ein Roman mitten aus dem Leben und genau wie das Leben, mit seinen ständigen Aufs und Abs.

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Veröffentlicht am 23.08.2021

Der dritte Fall der Tierpolizei: Grandioser, herrlich komischer Lesespaß

Die Tierpolizei 3. Mach nicht so 'ne Welle!
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Katzenbärin Flopson und ihre Kollegen von der Tierpolizei ereilt ein Hilferuf von Familie Otter. Ihre Heimat der Fluss ist weg, vertrocknet. Einfach so. Der fiese Gangster Tortellini und seine Nudelbande ...

Katzenbärin Flopson und ihre Kollegen von der Tierpolizei ereilt ein Hilferuf von Familie Otter. Ihre Heimat der Fluss ist weg, vertrocknet. Einfach so. Der fiese Gangster Tortellini und seine Nudelbande haben sich an der letzten Pfütze breit gemacht und lassen sich jeden Tropfen Wasser teuer bezahlen. So kann das natürlich nicht weitergehen. Die Tierpolizei begutachtet den Tatort genau und Chefin Flopson verspricht den Flusstieren, den Fluss zurückzuholen. Ob sie sich da mal nicht übernommen hat? Denn mit Wasser kennt sich Flopson eigentlich gar nicht so richtig aus…

Anna Böhm schreibt gut verständlich, kindgemäß und vor allem sehr witzig. Ihre Geschichte enthält viel wörtliche Rede, zahlreiche lebendige, überaus amüsante Gespräche. Dabei lässt die Autorin ihre Figuren herrlich einfallsreiche Ausdrücke erfinden, die es eigentlich schon längst hätte geben müssen. Wenn es nicht um „Körpergröße“ geht, sondern um „Angstgröße“, weiß wohl jeder, was gemeint ist. Auch sollte man sich wirklich mal fragen, warum es „Einsatz“- und nicht „Zweisatz“- oder „Keinsatzzentrale“ heißt. Anna Böhm schreibt in der Sprache ihrer Zielgruppe, trifft genau den richtigen Ton und mit ihrem Humor voll ins Schwarze.
Wie in den Vorgängerbänden ergänzen Ramona Wultschners wunderbare Bilder perfekt die Geschichte. Die Illustrationen sehen nicht nur sehr drollig aus, an den Gesichtern der Tiere lässt sich auch ihre momentane Stimmung ablesen. Natürlich hat dieser Band auch wieder ein Loch im Cover und die Seiten sind am Rand von Absperrband „gefangen“. Diesmal gibt es als Extra eine Anleitung zum Zeichnen von Pony Fridolin.
Die Schrift ist ein wenig größer gedruckt, der Zeilenabstand recht breit, so wird Kindern das Lesen vereinfacht. Zum Selberlesen eignet sich das Buch für Kinder ab acht Jahren, zum Vorlesen für Kinder ab sechs.

Nach dem Inhaltsverzeichnis und vor Beginn der Geschichte werden die vier Tierpolizisten mit Bildern und Steckbriefen kurz vorgestellt, auf der allerletzten Seite sind die Porträts und Kurzbeschreibungen weiterer Mitwirkender zu finden.
Hauptkommissarin Flopson ist abenteuerlustig, neugierig und immer nett. Ihre wilde weite Welt ist jetzt nicht mehr gerade und berechenbar und darüber freut sie sich jeden Tag. Flopson kann sogar lesen, aber eine kleine Schwäche hat sie auch, wie sich in diesem Band herausstellt.
Der immer hungrige Falabella Fridolin steht oft auf der Leitung, aber ohne ihn und seine Bärenkräfte läuft auch in diesem Band nichts. Diesmal trainiert er ausgiebig seine Fähigkeit im Hamsterwurf.
Hamster und Fingerabdrückler Jack übernimmt am Tatort die Spurensicherung. Diesmal trifft er auf ein spezielles Tier, das ihn in punkto Grummelig- und Bockigkeit durchaus das Wasser reichen kann, da sind witzige Momente garantiert. Jack hamstert gerne und man weiß nie, wofür das gut ist.
Die Blaumeise Meili hat aufgrund ihrer offen, freundlichen Art zu vielen Tieren einen guten Draht und gelangt so an allerhand wichtige Informationen.
Gemeinsam ist das Team der Tierpolizei unschlagbar. Mit jedem Band wächst die Truppe immer mehr zusammen, und mir und meinen Mitlesern ein Stück mehr ans Herz.
Diesmal erleben Flopson und Co ein Wiedersehen mit alten Bekannten, die an dieser Stelle nicht verraten werden. Mit der Nudelbande bekommen es Flopson und Co mit hundsmeerschweinchenmützengemeinen Bösewichten ganz in der Tradition der Frettchen Rumpel und Raubacke zu tun. Und dann treten auch noch menschliche Fieslinge auf, die alles andere als sauber sind.

Wohin ist der Fluss nur verschwunden? Wird die Tierpolizei auch diesen komplizierten Fall lösen können?
In „Mach nicht so ne Welle“ geht es geheimnisvoll, spannend, turbulent und natürlich ganz schön lustig zu. Die Geschichte besticht erneut durch ihre wunderbare Situationskomik und die unvergleichlich urkomischen Dialoge Nebenher werden ganz unkompliziert, „leichtfüßig“ und völlig unaufdringlich Themen wie Umwelt- und Naturschutz und die Suche nach Sündenbocken berührt, eindeutige Parallelen zur aktuellen Gesellschaft sind da offensichtlich.
Auch diesmal lernt die Leserschaft wieder besondere Tierarten kennen, die sie vorher vermutlich noch nicht kannte: Rohrdommeln, Kammmolche oder Blaukernaugen zum Beispiel.
Von der Freundlichkeit einiger Tiere können die Leser noch was lernen, denn „nett sein ist doch nett“. So einfach wie richtig.
Ein zentrales Thema des Buches ist die Angst. Die Tierpolizei macht in einem ihr legendären Gespräche einfühlsam klar, dass es total normal ist, Angst zu haben und man sich dafür überhaupt nicht schämen braucht.

Auch der dritte Fall der Tierpolizei hat uns auf ganzer Linie überzeugt, optisch ein Augenschmaus und inhaltlich ein absolutes Lesevergnügen. Natürlich endet das Buch mit einem kleinen Cliffhanger, der großen Appetit auf die Fortsetzung macht. Flopson und Co haben noch lange nicht zu Ende poliziert. Und das ist sehr gut so.

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