Der lange Weg der Traurigkeit
Ich hatte das Buch angefordert, weil ich mich in eine Familiengeschichte stürzen wollte, die spannend ist und Konflikte untereinander erzählt. Leider war das Buch eher atmosphärisch, ausführlich, künstlerisch. ...
Ich hatte das Buch angefordert, weil ich mich in eine Familiengeschichte stürzen wollte, die spannend ist und Konflikte untereinander erzählt. Leider war das Buch eher atmosphärisch, ausführlich, künstlerisch. Es zeigt Momentaufnahmen, in denen Konflikte teilweise gelöst werden, aber wirklich thematisiert werden sie auch nicht. Ich habe mich lange gefragt, wann es zu Ende ist, und am Ende habe ich mich gewundert, dass es plötzlich zuende ist.
Besonders deprimiert hat mich, dass alle Figuren Probleme haben, diese aber nicht ansprechen, sondern auf der Stelle treten. Sie sich aber einreden, dass sie zufrieden sind.
Rezi enthält Spoiler
Worum geht es?
Charlotte, die Mutter der drei Geschwister, schwebt in einer Zwischenwelt, weil sie nicht Abschied nehmen kann. Während sie über ihr Leben und mit ihrem ebenfalls toten Mann redet, zeigt uns der Text das Schicksal der drei Kinder: Niels, der den wenigsten Raum einnimmt, schlägt sich als Plakatierer durch und kümmert sich um seinen depressiven Mitbewohner. Sidsel hat ein Kind von ihrem Professor, sagt ihm das aber nicht, und sie hadert damit, dass sie sich gern beruflich verwirklichen will. Ea wiederum lebt mit ihrem Freund und dessen Tochter in San Francisco, kann aber die Mutter nicht loslassen. Sie besucht Beatrice, die ihre Tochter bei der Oma zurückließ, um mit ihrer Partnerin in San Francisco zu leben. Dort hat sie aber auch nach 10 Jahren noch keinen Anschluss gefunden und gibt sich dem Alkohol und der Verzweiflung hin. Und sie versucht, auf das Leben ihrer Tochter Einfluss zu nehmen. Die wiederum als ASMR-Künstlerin lebt - die Niels gern zum Einschlafen guckt.
Wie hat mir das Buch gefallen?
Für mich hat der Text Eindruck hinterlassen, weil ich allen Figuren die Meinung sagen wollte. Und weil sie Probleme mit ihren Kindern haben. Sidsel und Beatrice haben ihren Töchtern die Väter verschwiegen. Niels lernt, wie stressig es sein kann, wenn man ein Kind ein paar Tage betreut. Ea hat ein gutes Verhältnis zu ihrer Stieftochter, möchte aber kein eigenen Kinder. Und Mutter Charlotte, zu der alle drei ein unterkühltes Verhältnis haben, hat in der Zwischenwelt nichts Wichtigeres zu tun, als sich in Metaphern zu verlieren.
Für mich war der Text nicht gut greifbar, die Passagen der Mutter habe ich überlesen. Eine schöne Pointe ist jedoch der Schluss, in der eine Familie durch einen Irrtum erschaffen wird. Während die Figuren im ganzen Buch einer Bindung hinterher laufen, die sie eher belastet als erfüllt, fragt man sich am Ende, ob ein familiäres Gefühl entstehen kann, wenn man es als solches definiert. Und ob das nicht besser ist.
Nicht glücklich war ich mit dem sehr langatmigen Schreibstil, den vielen Beschreibungen, dem Pendeln zwischen den Figuren, deren Geschichten sich ähneln.
Gut gefallen hat mir das Interview mit der Autorin. Es kann einem Leser die Freude am Deuten nehmen, weil es erklärt, was die Intention des Buches war. Für mich hat das aber vieles aufgelöst und ich fand das Interviev interessanter als den Text.
Fazit
Wer auf traurige Familiengeschichten und Metaphern steht, wer gern zwischen den Zeilen liest und sich in Beschreibungen und Vages fallen lässt, der wird hier seine Freude haben. Für mich war es nur mäßig gut.