Profilbild von walli007

walli007

Lesejury Star
offline

walli007 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit walli007 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.09.2021

Hin und weg

Sarah Jane
0

Obwohl sie noch jung ist, hat Sarah Jane Pullman schon einiges erlebt. An einem Punkt hatte sie sogar nur noch die Wahl zwischen Knast und Armee. Nun ist sie schon eine Weile zurück und in dem kleinen ...

Obwohl sie noch jung ist, hat Sarah Jane Pullman schon einiges erlebt. An einem Punkt hatte sie sogar nur noch die Wahl zwischen Knast und Armee. Nun ist sie schon eine Weile zurück und in dem kleinen Ort Farr ist sie zunächst in den Polizeidienst eingetreten und als der amtierende Sheriff verschwindet, übernimmt sie dessen Posten. Nicht, dass sie in irgendeiner Form darauf vorbereitet gewesen wäre. Doch zu ihrer eigenen Überraschung sind die Bewohner ganz zufrieden mit ihr und sie beginnt sich heimisch zu fühlen. Fast vergisst sie, dass sie eigentlich immer auf dem Sprung ist.

Sarah Jane ist zwar keine gelernte Polizistin, aber eine von Herzen. Sie erzählt von ihrem Leben bevor sie in Farr angekommen ist und von ihrem Alltag als Sheriff. Dabei geht sie integer mit den Dorfbewohnern um. Leider muss sie manchmal Verstorbene entdecken und manchmal darf sie verschwundene Jugendliche wiederfinden oder alte Damen im Pflegeheim besuchen. Das macht sie zu einer sehr sympathischen Person, die sich ihres Ortes angekommen hat. Allerdings wirkt Sarah auch so, als bereite sie sich darauf vor, bald wieder weiter zu ziehen. Angekommen und doch auf dem Sprung, wieso ist sie so?

Dieser Crime Noir kann eigentlich nur als Standalone funktionieren. Sarah Jane Pullman ist eine Persönlichkeit, die es versteht, Sympathie zu wecken und doch geheimnisvoll zu bleiben. Sie ist liebenswert zu ihren Mitmenschen und kann in bestimmten Situationen die nötige Härte aufbringen. Lange rätselt man, wieso sie sich nur bis zu einem gewissen Punkt öffnet. Doch wenn die Hintergründe so langsam klar werden, hat man einen echten Aha-Effekt, der diesen Roman von den üblichen Kriminalromanen abhebt. Ehe man es sich versieht, ist einem Sarah Jane ans Herz gewachsen und man kann noch nicht mal mit ihr hadern. Diese Art Krimi verdreht ist sehr besonders und man sollte ihn mit dem Herzen lesen.

Veröffentlicht am 10.09.2021

Bruder

Der versperrte Weg
0

Die Goldschmidts leben während der 1920er in Reinbek bei Hamburg. Die älteste Schwester ist schon fast aus dem Haus und Erich ist der kleine Herrscher des evangelisch geprägten Hauses. Bis sein kleiner ...

Die Goldschmidts leben während der 1920er in Reinbek bei Hamburg. Die älteste Schwester ist schon fast aus dem Haus und Erich ist der kleine Herrscher des evangelisch geprägten Hauses. Bis sein kleiner Bruder Jürgen-Arthur im Jahr 1928 auf die Welt kommt. Erichs Welt bricht zusammen, weil dieser Kleine ihm die Aufmerksamkeit der Eltern entzieht. Als die Nazi-Herrschaft beginnt, kommt es schlimmer. Die Familie, obwohl sie sich seit Jahren als protestantisch empfindet, zählt per Dekret plötzlich zu den deutschen Juden und verliert somit ihren bürgerlichen Status. Die Eltern sind sich der Gefahr bewusst und um wenigstens die Jungs zu retten, schicken sie diese ins Exil.

Über Italien geht es für Erich und Jürgen-Arthur in ein Internat im Osten Frankreichs. Die Brüder leiden aneinander, besonders Erich fällt es schwer, seinen empfindsamen, aber in seinen Augen oberflächlichen Bruder zu ertragen. Sobald es möglich ist schließ er sich dem Widerstand an und schlägt auch später eine militärische Laufbahn bei der Fremdenlegion ein. Eine enge Verbindung haben die beiden Brüder nicht und ihre Eltern sehen sie nie wieder.

In seinem autobiographischem Roman widmet sich Georges-Arthur Goldschmidt hauptsächlich dem Leben seines Bruders. Wie die Familie aus ihrer vermeintlich sicheren bürgerlichen Existenz gerissen wird ist wirklich tragisch, wobei zu bedenken ist, dass auch das Selbstbild zerstört wird. Plötzlich aus einer Gesellschaft ausgestoßen zu sein, zu der man sich zugehörig fühlte, lässt einen sicher halt- und orientierungslos zurück. Doch durch ihr Exil erhalten die Jungen, insbesondere Erich, einen Blick von außen auf das perfide Nazi-Regime. Und so bekommt Erich die Chance, die Nazis im Widerstand zu bekämpfen. Es ist ergreifend, wie schwierig das Leben bleibt, als Einzelkämpfer, dessen Bindungen schließlich eher bei der Fremdenlegion liegen als bei der Familie. Dieser kurze, sehr lesenswerte Roman schildert eindringlich das Hadern mit dem auferlegten Schicksal, welches nie wirklich aufhört.

Veröffentlicht am 07.09.2021

Wer es wert ist

Rache der Orphans
0

Evan Smoak wird gejagt, doch er ist auch der Jäger. Sein Ziehvater Jack Jones ist auf üble Art und Weise umgekommen, aber er konnte Evan noch eine letzte Nachricht übermitteln und eine letzte Bitte. Er ...

Evan Smoak wird gejagt, doch er ist auch der Jäger. Sein Ziehvater Jack Jones ist auf üble Art und Weise umgekommen, aber er konnte Evan noch eine letzte Nachricht übermitteln und eine letzte Bitte. Er warnt Evan und bittet ihn, ein Paket abzuholen. Dieses Paket entpuppt sich als faustdicke Überraschung. Und die Warnung kommt gerade rechtzeitig. Denn Evan als ehemaliges Mitglied der Orphans wird gejagt. Er ist eine Spur, die vernichtet werden soll. Immer dichter zieht sich das Netz um ihn zusammen und Evan muss alles aufbieten, was er als Orphan gelernt hat, um eine Überlebenschance zu haben.

In diesem dritten Band um Evan Smoak, den Nowhere Man, der obwohl zum Killer ausgebildet versucht, Gutes zu tun. Menschen in Not oder Gefahr können ihn um Hilfe bitten. Doch diesmal geht es um ihn selbst. Immer mehr Mitglieder des Orphan Programms werden getötet und andere Orphans sind hinter Evan her. Warum? Nun, jedenfalls kennen die Jäger keine Gnade. Und Jene, die im Wege stehen, müssen ebenso um ihr Leben fürchten wie Evan. Seine Hoffnung auf ein relativ normales Leben, so befürchtet Evan, muss er aufgeben. Aber, er wird nicht aufgeben.

Diese Reihe verlangt einem einiges ab, was Schilderungen von brutalen Szenen und Beschreibungen von Waffen oder Waffensystemen angeht. Dennoch ist der Charakter des Evan Smoak wesentlich vielschichtiger als man es von einem erzogenen Staatskiller erwarten könnte. Schließlich ist es Evan gelungen, sich aus der Organisation zu lösen und seine Fähigkeiten so positiv wie möglich zu nutzen. Seine Weiterentwicklung ist in diesem Band in eine sehr spannende Handlung gekleidet, die einem den Atem raubt. Gleichzeitig gibt es gefühlvolle Momente, was man bei einem Mann wie Evan nicht erwarten würde. Die Story bleibt so rasant, dass man bei dem von Stephan Lehnen eindringlich vorgetragenen Hörbuch, sogar manchmal bei dem, was man neben dem Hören so macht, innehält und sich ganz auf die Geschichte konzentriert.

Veröffentlicht am 06.09.2021

Ewiges Rom

Im ersten Licht des Morgens
0

Im Jahr 1943 als junge Frau muss Chiara Ravello miterleben wie Juden von den Nazis aus dem Ghetto entführt und deportiert werden. Geistesgegenwärtig behauptet die Mutter des kleinen Daniele, er gehöre ...

Im Jahr 1943 als junge Frau muss Chiara Ravello miterleben wie Juden von den Nazis aus dem Ghetto entführt und deportiert werden. Geistesgegenwärtig behauptet die Mutter des kleinen Daniele, er gehöre zu Chiara. Diese übernimmt das Kind etwas überrumpelt, wohl wissend, dass sie ihm das Leben rettet. Daniele bleibt in den folgenden Jahren bei seiner Ziehmutter, doch er ist von den entsetzlichen Ereignissen geprägt. In den 1970ern meldet sich die junge Maria aus Wales bei Chiara, sie hat erfahren, dass die Danieles Tochter ist. Wieder sagt Chiara nicht nein, die junge Frau darf sie den Sommer über in Rom besuchen.

Welch grausamen Schicksale hat der Krieg, haben die Nazis verursacht. Hier muss ein kleiner Junge seine Familie hergeben, um zu überleben. Dieses Überleben fällt ihm alles andere als leicht. Er leidet daran und er kann Chiaras Hilfe nicht dankbar annehmen. Er ist nicht dankbar, er hat seine Familie verloren. Trotzdem unternimmt Chiara alles, um den Jungen zu beschützen. Beis sie ihn nicht mehr beschützen kann. All dies kommt wieder hoch als Maria nach Rom kommt. Sie will von ihrem Vater erfahren, alles, was Chiara eigentlich nicht erzählen möchte. Aber hat das junge Mädchen nicht ein Recht auf Wissen?

Dieser auf zwei Zeitebenen angesiedelte Roman beginnt mit der dramatischen ersten Begegnung von Chiara und Daniele. Danach wird die Erzählweise etwas beschreibend, vielleicht um dem Leser Zeit zum Nachdenken zu geben. Es gibt einiges an Dunkelheit in diesem Roman, was ihn wahrscheinlich umso realistischer werden lässt. Vielleicht wäre es schön gewesen, den Protagonisten wären einige helle Momente mehr vergönnt gewesen. Dennoch bleibt die Verquickung der Erzählungen von Chiara und Maria fesselnd und teilweise aufwühlend. Es bleibt die sich immer wieder verfestigende Erkenntnis, dass es nichts taugt, wenn sich Menschen über andere Menschen erheben. Und es bleibt die Hoffnung, dass es einige wenige gibt, die ihr Bestes geben, um ein wenig Licht zu bringen.

Veröffentlicht am 04.09.2021

Winter in Leipzig

Eisige Tage
0

Der Anwalt Michail Malinowski wird tot in seinem Auto aufgefunden. Trotz der Eiseskälte bietet die Leiche mit der Schusswunde keinen schönen Anblick. Die Kommissare Hanna Seiler und Milo Novic haben zunächst ...

Der Anwalt Michail Malinowski wird tot in seinem Auto aufgefunden. Trotz der Eiseskälte bietet die Leiche mit der Schusswunde keinen schönen Anblick. Die Kommissare Hanna Seiler und Milo Novic haben zunächst nicht viele Anhaltspunkte. Offensichtlich hat der Tote wohl Verbindungen zum organisierten Verbrechen gehabt. Eine Befragung des örtlichen Paten bringt jedoch nichts, er behauptet, er habe die Dienste des Anwalts schon seit Jahren nicht mehr in Anspruch genommen. Wer sollte also Interesse am Tod Malinowskis gehabt haben? Die Lebensumstände erweisen sich als ungewöhnlich. Er lebte fast verwahrlost, hatte aber dennoch wertige Besitztümer. Aus seiner Tätigkeit als Anwalt kann er das nicht finanziert haben.

In ihrem ersten Fall haben Seiner und Novic es gleich mal nicht leicht. Wie nicht anders zu erwarten, sind die Zeugen nicht gerade auskunftsfreudig. Aus kleinen Indizien müssen sie versuchen, etwas herauszulesen. Eine erste Spur ergibt sich aus den Akten des Anwalts. Hier entdecken die Ermittler Fotos von offenbar noch minderjährigen Mädchen. Wie ist Malinowski an die Bilder gekommen? Und zu welchem Zweck wurden sie aufgenommen? So langsam wird es Hanna Seiler und Milo Novic unheimlich. Was für einer Sache sind sie da auf die Spur gekommen?

Dieser Kriminalroman ist wirklich eine kleine Entdeckung. Vom sympathischen Ermittlerteam bis zu dem spannenden Fall. Seiler und Novic sind sehr unterschiedliche Charaktere, ergänzen sich in ihrer Arbeit aber gerade deshalb sehr gut. Was sie in ihrem bisherigen Leben mitgemacht haben, wird angedeutet und von ihrem Privatleben wird mit angenehmer Zurückhaltung berichtet. Intensiver geht es da schon um den Mord, der zunächst viele Rätsel aufgibt. Der Gedanke, dass er sich nicht im Russen-Milieu abgespielt haben soll, erscheint etwas abwegig. Umso geschickter ist dem Autor hier eine Art Quadratur des Kreises gelungen, die zu einigen überraschenden Wendungen führt. Es wird von einer Wirklichkeit berichtet, die hoffentlich in großen Teilen der Phantasie entsprungen ist. Jedenfalls ist man von Beginn an gepackt und man hechelt durch das Buch, weil man einfach schnell die Zusammenhänge erkennen möchte.