Cover-Bild Der Kolibri
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25,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Zsolnay, Paul
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 352
  • Ersterscheinung: 23.08.2021
  • ISBN: 9783552072527
Sandro Veronesi

Der Kolibri

Roman. Premio Strega 2020
Michael von Killisch-Horn (Übersetzer)

„Meisterhaft: ein Kuriositäten- und Genusskabinett voller kleiner Wunder“ Ian McEwan. „Unkonventionell, entwaffnend und zutiefst menschlich. ‚Der Kolibri‘ ist eine neue Art der Familiensaga.“ Jhumpa Lahiri
Ein Schock, der heftigste vielleicht in einem an Schocks reichen Leben: Vom Psychoanalytiker seiner Frau erfährt der Augenarzt Marco Carrera, dass sie ihn wegen eines deutschen Piloten verlassen werde, von dem sie schwanger ist. Damit beginnt Sandro Veronesis mit dem Premio Strega ausgezeichneter Roman „Der Kolibri“. Auf psychologisch raffinierte Weise erzählt er darin von einer Achterbahn der Gefühle, die das Schicksal dieses sensiblen Mannes prägen, von unvergleichlichen Charakteren, denen er auf dem Tennisplatz oder am Spieltisch begegnet, von familiärem Unglück und von einer großen, lebenslänglichen Liebe … Marcos Dasein gleicht dabei dem eines Kolibris: Auf der Suche nach Ruhe ist er ständig in Bewegung.
Ein großartiger polyphoner Roman, ein Jonathan Franzen Italian Style.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.11.2021

Eine kleine Anstrenung

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Das Buch beginnt mit einem der vielen Schicksalsschläge, mit denen Marco Carrera, Augenarzt in Rom aber gebürtig aus Florenz, in seinem Leben zurechtkommen muss. Seine Frau erwartet ein Kind von einem ...

Das Buch beginnt mit einem der vielen Schicksalsschläge, mit denen Marco Carrera, Augenarzt in Rom aber gebürtig aus Florenz, in seinem Leben zurechtkommen muss. Seine Frau erwartet ein Kind von einem anderen Mann und wird ihn verlassen. Es ist das Jahr 1999 und von diesem Ereignis ausgehend, wird das Leben des Marco Carrera erzählt, der von seiner Mutter den Spitznamen Kolibri erhielt, weil er mit 15 Jahren aufgehört hatte zu wachsen.

"Im Übrigen hatte sie, sobald dieses Defizit offenbar geworden war, für ihren Jungen den beruhigendsten aller Spitznamen geprägt, Kolibri, um zu betonen, dass Marco mit diesem anmutigen Vögelchen neben der Kleinheit eben auch die Schönheit und der Schnelligkeit gemeinsam hatte: die körperliche – in der Tat bemerkenswerte -, die ihm beim Sport zugutekam, und die – vor allem behauptete – geistige in der Schule und im gesellschaftlichen Leben."

Es sind die Frauen, die sein Leben zeichnen. Seine Schwester Irene, die den Freitod wählt, Adele, seine Tochter, die mit 22 Jahren stirbt und Miraijin, seine Enkeltochter, die ihn bis zu seinem Tod begleitet. Und dann gibt es noch Luisa, seine große Liebe.

"Ich habe Dich so sehr geliebt, wirklich, vierzig Jahre lang bist Du das Erste und das Letzte gewesen, woran ich jeden einzelnen Tag meines Lebens gedacht habe."

Meine persönlichen Leseeindrücke
Der Roman ist ein Puzzle, wie es Sandro Veronesi selber schreibt. Er hätte die Handlung auch in chronologische Reihenfolge setzen können, das wollte er aber nicht, denn er könne von seinen Lesern auch eine kleine Anstrengung verlangen. Und so zieht sich dieser Anspruch durch das gesamte Buch, das ich mit Begeisterung ab der ersten Seite gelesen habe. Gäbe es nicht diese Tragödien, ich könnte der Geschichte etwas Amüsantes abgewinnen.
Der Roman ist eine berührende Erzählung über Marco Carrera und sein Leben. Marco verkörpert einen Durchschnittsitaliener der Mittelschicht, mit all seinen Schrullen und Ansichten, seinen Schwächen, seinen Freunden und seinen Familien. Sein Leben verläuft nach einem gleichbleibenden Muster: jahrelang verharrt er im Stillstand, während die anderen sich vorwärtsbewegen. Dann bricht ein unerwartetes, außergewöhnliches Erlebnis aus, stets begleitet von großem Schmerz, das ihn in ein neues, unbekanntes Anderswo schleudert. Stets ist er begleitet und beeinflusst von Frauen, die ohne Psychoanalysten nicht lebensfähig scheinen. Am Ende grenzt es an ein Wunder, dass er ein normales Leben führt. Die Tragödien, denen er schutzlos und machtlos ausgesetzt ist, gipfeln mit jenem Schicksalsschlag, der für Eltern das Schlimmste ist: ein Kind zu verlieren. Veronesi findet dafür gar kein Wort in unserer Sprache sondern weicht auf das Hebräische „shakul“ oder auch in das Arabische „thaakil“ oder auf das Sanskirt „vilomah“ aus, was ich sehr treffend beschrieben, diese Ohnmacht dem Schmerz gegenüber. Nur die Sorge um und die Liebe zu seiner Enkeltochter gibt ihm die Kraft zum Weitermachen.
"... weil mein erster Gedanke jetzt ihr gilt, und auch mein letzter Gedanke gilt ihr, und dazwischen gibt es weitere Gedanken für sie. Nur so ist es mir jetzt möglich zu leben."

Die Anstrengung des Lesers liegt darin, die Ereignisse der verschiedenen Kapitel in ein Ganzes zusammenzufügen. Eigentlich ist das gar nicht so schwer, aber man ist verwöhnt und möchte sich nicht über die Maßen verausgaben. Damit ist erklärt, warum so viele mit dem Roman nicht so zurechtkommen.
Noch ein Wort zur Übersetzung. Michael von Killisch-Horn hat diesen Roman in außerordentlicher Feinarbeit und hoher Sensibilität übersetzt. Ich bewundere diese Fähigkeit.

Fazit
„Der Kolibri“ von Sandro Veronesi ist eines der schönsten Bücher, die ich dieses Jahr lesen durfte. Ein literarisches Puzzle, das die Handlung absichtlich in zeitlich wirr verschachtelten Abschnitten zwischen Jahren und Jahrzehnten hin und her schwirren lässt. Und dennoch fügt sich jedes Teil perfekt in die Geschichte ein, die eine tief berührte Geschichte erzählt.
Wer eine leichte, unbekümmerte Lektüre sucht, sollte allerdings die Hände davonlassen.

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Veröffentlicht am 12.09.2021

Eine Geschichte, so ganz anders

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Diese Geschichte ist so ganz anders als man anhand des Klappentextes erwarten würde.

Keine großartige Spannung, ständig wechselnde Handlungsorte und Zeitsprünge. Viele kleine Puzzleteile, die zusammengesetzt ...

Diese Geschichte ist so ganz anders als man anhand des Klappentextes erwarten würde.

Keine großartige Spannung, ständig wechselnde Handlungsorte und Zeitsprünge. Viele kleine Puzzleteile, die zusammengesetzt ein großartiges Bild über das Leben der Protagonisten abgeben.

An den Schreibstil muss man sich erst gewöhnen, aber wenn man sich darauf einlässt wird man mit einer psychologisch raffinierten Geschichte belohnt.

Der Kolibri wird hier zum Synonym. Der Autor dringt in Marcos Leben wie ein umherschwirrender Vogel. Siebzig Jahre, die keinesfalls chronologisch abgehandelt werden. Erzählt wird auch in Briefen, Telefonaten und emails und so bekommt man einen tieferen Einblick ins Geschehen.

Die Gestaltung des Buches finde ich sehr schön. Alles in zartem Grün gehalten geben dem Buch eine Leichtigkeit, wie die eines Kolibiris.

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Veröffentlicht am 06.09.2021

Meditation über das Leben

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Sandro Veronesi ist in Italien bereits ein Literaturstar, erhielt zweimal den renommierten Premio Strega – diesmal für „Der Kolibri“. Die opulente, philosophische und sprachlich außergewöhnlich raffinierte ...

Sandro Veronesi ist in Italien bereits ein Literaturstar, erhielt zweimal den renommierten Premio Strega – diesmal für „Der Kolibri“. Die opulente, philosophische und sprachlich außergewöhnlich raffinierte Familiengeschichte mit dem Protagonisten Marco Carrera ist intelligent durchdacht und raffiniert komponiert – die Zeiten und die Chronologie brechen aus ihrer Ordnung: Das von Schmerz und Leid geprägte Leben von Marco, der seit einer Wachstumsstörung den Spitznamen Kolibri hat, rollt sich von Geburt bis zum Tod kaleidoskopartig mit vielen Splittern aus Rückblenden, Briefen, Dialogen und Episoden auf. Und am Ende der gewürfelten Zeitsprünge und cleveren Mosaike ergibt sich ein bewegendes Gesamtbild eines Lebens mit Höhen und Tiefen.

Der ruhige Augenarzt ist eine Art moderner Hiob – viel Leid und Sterben prallen auf ihn ein. Er meistert sein Leben, indem er nicht jeder Veränderung Schritt hält, sondern die Geschehnisse wie der Vogel im Punkt-Schwirrflug betrachtet sowie auch den Objekten und Gegenständen wie dem großen Nachlass der Eltern eine tiefere Bedeutung schenkt. So werden beispielsweise fehlende Ausgaben einer Science-Fiction-Romansammlung scharfsinnig und pointiert in das Erzählte miteingeflochten.

In Veronesis Sätzen steckt viel Intelligenz, die durch eine fantasiereiche und lyrische Prosa getragen wird – das kann auch schon mal kurios Ausufern: Manche Assoziationen und Gedankengänge werden über Seiten ausgeführt, aber langweilen nie. Es geht um Schuld, Leid, Liebe, Sucht, Resilienz sowie die begrenzte Lebenszeit – und obwohl Marco soviel familiäre Tragik im Leben überfällt, schwingt eine humorvolle, warme und sehr kluge Lakonie im Schreibstil mit.

Sandro Veronesi ist mit „Der Kolibri“ auf dem Höhepunkt seines jahrzehntelangen Schreibens angelangt – ein gewaltiges, poetisches, tiefsinniges und ergreifendes Epos.

„Ausgehend von dieser Erfahrung lief sein Leben jedoch immer auf die gleiche Weise ab: Jahrelang verharrte es im Stillstand, während diejenigen der anderen sich vorwärtsbewegten, und brach dann plötzlich in ein unerwartetes, außergewöhnliches Ereignis aus, das ihn in ein neues, unbekanntes Anderswo schleuderte.“ S. 297

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Veröffentlicht am 05.09.2021

Sandro Veronesi - Der Kolibri

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Alle nannten ihn nur Kolibri, weil er viel kleiner war als alle anderen Jungs und filigran; erst eine riskante Therapie konnte das Wachstum des Teenagers beschleunigen und als Erwachsener ist der Augenarzt ...

Alle nannten ihn nur Kolibri, weil er viel kleiner war als alle anderen Jungs und filigran; erst eine riskante Therapie konnte das Wachstum des Teenagers beschleunigen und als Erwachsener ist der Augenarzt Marco Carrera zu einer normalen Körpergröße gelangt. Das Gefühl anders, ein Außenseiter, der erst als letzter in die Mannschaft gewählt wird, zu sein, konnte er jedoch nie ganz ablegen, ebenso wie eine besondere Sensibilität, weshalb auch nur er verstehen kann, weshalb sich seine kleine Tochter Adele einbildet, einen Faden in ihrem Rücken zu haben. Sein Leben ist voller emotionaler Begegnungen und außergewöhnlicher Menschen, mit denen er Verbindungen aufbaut, die mal enger mal lockerer sind, die jedoch nie abreißen und ihn durch alle Unwägbarkeiten des Daseins begleiten.

Sandro Veronesis Roman wurde mit dem renommierten Premio Strega ausgezeichnet, eine Ehre, die der poetischen und dichten Sprache Rechnung trägt. Es ist keine chronologische Erzählung eines Lebens, sondern ein Kaleidoskop verschiedener Momente, Briefe wie Gesprächsdokumente, die immer wieder zeitlich, räumlich und auch bezogen auf die Figuren springen und einem scheinbar unbewussten Bewusstseins- oder Erinnerungsstrom folgen, der erst im Rückblick und der Gesamtschau ein klares Bild ergibt. „Der Kolibri“ ist einer dieser ganz langsamen Romane, die man immer wieder weglegen muss, um sie wirken zu lassen und nicht überfordert zu werden von ihrer Intensität.

Was sofort ins Auge sticht, ist die Gabe des Autors für präzise Beobachtung und den Transfer von kleinen Momenten in durchdringende Sprache. Kein Kapitel gleicht dem anderen, die unterschiedlichen Textsorten allein schon verhindern eine Gleichförmigkeit und doch gibt es rote Fäden, die sich durch sie hindurchziehen und verbinden.

Den Figuren ist die glückliche Liebe vergönnt. Schon Marcos Eltern sind mehr durch das Unglücklichsein miteinander verbunden als durch Zuneigung. Der junge Marco verliebt sich in Luisa, doch ihnen ist keine Zukunft über ihren Briefwechsel hinaus vergönnt. Die Ehe mit seiner Frau hält auch nur kurz, einzig seine Liebe zur Tochter und später zur Enkelin ist von Dauer. Die Frauen insbesondere scheinen unter keinen guten Sternen geboren zu sein, auch die psychoanalytische Betrachtung hilft ihnen nicht das Leben zu führen, von dem sie träumen. Immer wieder legt es auch das Schicksal darauf an, Marcos Leben frühzeitig zu beenden, doch dem kann er mal clever mal glücklich ein Schnippchen schlagen, bis dann doch sein letzter Tag auf Erden gekommen ist.

Eine Familiengeschichte, die ihresgleichen sucht, denn es geht nicht um ein Leben, eine Familie, sondern um das, was bleibt, wenn ein Mensch mal nicht mehr ist und auch, wie man seine Familie jenseits von genetischer Zusammengehörigkeit finden kann, um sie zu versammeln, wenn man sie braucht.

Veröffentlicht am 27.08.2021

Ein Mann, sein Leben und eine Familiengeschichte drumherum

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Man öffnet dieses Buch und stürzt mitten hinein in das Leben, das Leben des Augenarztes Marco Carrera. Gerade hat er erfahren, dass ihn seine Frau, eine Stewardess, verlassen wird und zwar nicht von dieser ...

Man öffnet dieses Buch und stürzt mitten hinein in das Leben, das Leben des Augenarztes Marco Carrera. Gerade hat er erfahren, dass ihn seine Frau, eine Stewardess, verlassen wird und zwar nicht von dieser selbst, sondern von ihrem Psychoanalytiker. Das ist schon eine doppelte Schmach und setzt eine Menge Emotionen bei diesem frei. Und dann geht das Leben einfach weiter. Da warten einige heftige Schicksalsschläge auf diesen Mann und auch die Mitglieder seiner Familie müssen harte Zeiten durchstehen. Die Geschichte blickt aber auch verstärkt zurück und erzählt von dem Weg des späteren Arztes, beginnend bei den Problemen in seiner Kindheit. Und der Name des Kolibris als Symbol eines unendlich zartknochigen aber trotzdem geradezu vibrierenden Geschöpfs hat ihn schon damals begleitet.
Irgendwie ist bei dieser Geschichte alles im Fluss, obwohl man sie nicht in chronologischem Ablauf erzählt bekommt. Ständig wird zwischen den Zeiten gewechselt und was man erfährt, wird teilweise aus Briefen bestückt und durch sehr kunstvolle aber manchmal auch aberwitzig konstruierte Dialoge befüllt. Dies so anzunehmen und es als absoluten Gewinn für diesen Roman zu sehen, dafür braucht es 'Eingewöhnung', aber dann wird 'dieser Kolibri' einfach zu einem ganz wunderbaren Leseerlebnis.
Und die Auszeichnung "Premio Strega 2020" steht, absolut verdient, genau dafür.

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