Wie ein Wiedersehen mit alten Freunden – lustig, skurril und bunt
GlitterschnitterWorum geht’s?
Berlin 1980: Während Freddie in einer Klinik an einer Medikamentenstudie teilnimmt, hilft sein kleiner Bruder im Café Einfall aus. Er lebt sich langsam in Berlin ein und hat eine Menge neue ...
Worum geht’s?
Berlin 1980: Während Freddie in einer Klinik an einer Medikamentenstudie teilnimmt, hilft sein kleiner Bruder im Café Einfall aus. Er lebt sich langsam in Berlin ein und hat eine Menge neue Bekanntschaften geschlossen, ein bunter Haufen aus Künstlern und solchen, die es werden wollen. Während Frank den Milchkaffee einführt, versuchen Glitterschnitter einen Platz auf der Wall City Noise zu ergattern und H.R. Ledigt auf der Wall City Berlin 1980.
Meine Meinung:
Mit „Glitterschnitter“ (Kiepenheuer & Witsch, Ausg. 2021) schreibt Sven Regener die Geschichte um seinen Protagonisten Frank Lehman weiter. Es ist inzwischen der 6. Teil und immer wieder schön, von allen zu lesen. Ein bisschen, als würde man alte Bekannte wiedersehen. Besonders Sven Regeners Schreibstil gefällt mir sehr. Er wechselt von einem zum anderen Abschnitt die Sicht, aus der er schreibt. Liest man den eine Abschnitt aus Sicht von Frank, so handelt der nächste aus der Sicht z.B. der ArschArt-Leute. Und neben der eigentlichen Erzählung lässt er parallel zu dem gesprochenen Wort die Gedanken des Sprechers einfließen. Wie im echten Leben! Oft sagt man das eine und denkt das andere. Man hat das Gefühl, der Autor schreibt einfach locker von der Leber weg, was ihm so in den Sinn kommt, und das macht das Ganze so unterhaltsam und amüsant. Man fühlt die Atmosphäre, das bunte Berlin der 1980er Jahre, die Künstler, Punks und all die anderen.
Auf der einen Seite begleiten wir Frank, der gleichzeitig bei allem auch ein bisschen der Beobachter ist, sich seinen Teil denkt. Er kämpft sich durch, hat seine Meinung ist aber durchaus zuverlässig und empathisch. Dann die Leute von ArschArt, das „Gefolge“ von P. Immel, der Möchtegern-Hausbesetzer, der eigentlich Hausbesitzer ist und von irgendwoher Geld hat. Diese Gruppe, die immer ein bisschen Aktionismus betreibt und hier auf Österreicher macht. Ich habe den Dialekt beim Lesen immer im Kopf gehabt. Die ihre Kneipe „Intimfrisur“ – was für ein Name – in ein Wiener Café umwandeln wollen. Und die Gruppe um die Band „Glitterschnitter“, von denen auch der Titel des Buches kommt. Musik vs. Bohrmaschine. Ebenso eine Truppe, die unterschiedlicher nicht sein könnte und dennoch ein geniales Zusammenspiel hat. Und wir haben noch H.R. Ledigt, den Geldgeber hinter dem Ganzen. Der ein Künstler sein will, aber mit Aktionismus und nicht auf Leinwand.
Ich kann nicht genug bekommen von der Art, wie Sven Regener schreibt. Die pragmatischen und dadurch lockeren und amüsanten Dialoge. Das agieren der Charaktere und Gruppen untereinander. Es ist bunt, es ist lustig, es schillert, ist laut und grell. Das Buch ist das reine Leben, auch wenn Frank, mit dem damals alles begann, hier fast ein bisschen zu kurz kommt. Von ihm und auch von Freddie hätte ich gerne noch mehr gelesen. Das Buch hat mich fasziniert. Ich weiß nicht, was es ist, aber P. Immel, Kacki (und ihr Kampf in Versen von Shakespeare), Frank, Erwin und wie sie alle heißen ziehen mich immer wieder in ihren Bann und ich möchte noch mehr und mehr von ihnen erfahren und hoffe, dass dies nicht das letzte Buch war!
Fazit:
Mit „Glitterschnitter“ hat Sven Regener die Reihe um Frank Lehmann & Co fortgesetzt. In dem Buch tobt das Leben im Berlin der 1980er Jahre. Die Künstlerszene, die Hausbesetzer, das Café Einfall – wir treffen alle alten Bekannte wieder. P. Immel und seine Leute von ArschArt, die in diesem Buch Wienerisch reden. „Glitterschnitter“, die als Band groß rauskommen wollen. Und besonders genial: Die Ottakringer Shakespeare-Schlacht zwischen P. Immel und Kacki.
4 Punkte für diese gelungene Fortsetzung, ich hoffe, wir lesen bald mehr von unseren Freunden!