Klare Leseempfehlung
Das Wichtigste zuerst: Lest diese Reihe, wenn ihr Fantasy-Fans seid. Es lohnt sich. Wirklich.
„Die Stadt der Fragmente“ ist bereits der dritte Band rund um die Geschwister Piara, Souta und Ineas. Anders ...
Das Wichtigste zuerst: Lest diese Reihe, wenn ihr Fantasy-Fans seid. Es lohnt sich. Wirklich.
„Die Stadt der Fragmente“ ist bereits der dritte Band rund um die Geschwister Piara, Souta und Ineas. Anders als vielleicht bei manchen anderen Reihen empfiehlt es sich hier dringend, ganz von vorne anzufangen und nicht erst mittendrin einzusteigen – erstens, weil die Geschichte und das Universum, in dem sie spielt, hochkomplex sind, und zweitens einfach deshalb, weil man dann länger daran hat.
In den beiden Vorgängerbänden ist bereits unfassbar viel passiert und das hier nochmal aufzuführen würde definitiv den Rahmen sprengen. Umso besser, dass es zu Beginn des dritten Bandes eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse gibt. Daher an dieser Stelle nur so viel: Band zwei endete mit dem riesigen Cliffhanger, dass Piara und Souta dazu gezwungen waren, ihren Bruder Ineas zu töten. Die Konsequenzen dieser Tat und die Frage, ob Ineas nicht doch noch irgendwie gerettet werden kann, stehen nun im Mittelpunk des dritten Bandes.
Nach dem kurzen Rückblick zu Beginn taucht man dann auch sofort wieder tief ins Geschehen ein: Piara und Souta müssen mit der Schuld am Tod ihres Bruders zurechtkommen, Askeria, die vor Jahren als verborgener Widerstand gegen die Machenschaften des Ordens von Corasil gegründete Gilde, steht unmittelbar vor der erzwungenen Auflösung, der Souverän Lycenar schmiedet im Hintergrund weiter seine düsteren Pläne. Und über allem liegt weiterhin die Last des leise schwelenden Konflikts zwischen Menschen und Ceri. Als sich dann nach und nach nicht nur Piara und Souta, sondern auch weitere Personen aus ihrem Umfeld plötzlich mit Erinnerungsfetzen aus Ineas’ Vergangenheit konfrontiert sehen, bleibt ihnen keine andere Wahl mehr als das Risiko eines Bündnisses mit dem Feind in Kauf zu nehmen, um so Ineas vielleicht doch noch retten zu können. Doch zu welchem Preis?
Es zeichnet sich recht schnell ab, dass der dritte Band um einiges düsterer und beklemmender wird als seine beiden Vorgänger. Nicht nur die aktuelle Bedrohung durch Orden und Souveräne, auch das Gefühl der Schuld lastet schwer auf den Schultern der Protagonisten und führt sie immer tiefer hinein in das Geflecht aus Lügen und Halbwahrheiten der Gegenwart und Vergangenheit und bringt sie so auch immer näher an die tiefsten Abgründe ihrer selbst. Während die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den den einzelnen Figuren beleuchtet werden, machen sich neben dem Schmerz einstiger Taten jedoch auch Hoffnung und die unerschütterliche Liebe zwischen den Geschwistern bemerkbar. „Die Stadt der Fragmente“ stürzt einen beim Lesen noch viel mehr in ein Wechselbad der Gefühle, als es die ersten beiden Bände getan haben. Unter anderem daran wird auch auch die enorme Entwicklung deutlich, die Juliet May im Laufe der Geschichte hinsichtlich ihres Schreibstils durchlaufen hat. Wo sich anfangs vielleicht noch die ein oder andere Länge gefunden hat, überschlagen sich jetzt die Ereignisse, die Persönlichkeiten der einzelnen Figuren werden wunderbar differenziert und feinfühlig beschrieben und die Handlung zieht nun auch immer wieder Bögen zu Ereignissen aus den vorherigen Büchern. Dass sich daraus eine gewisse Komplexität ergibt, ist unausweichlich, und so erfordert „Askeria“ manches Mal zwar einiges an Konzentration, ermöglicht dadurch aber auch ein unglaublich tiefes Eintauchen in die Handlung und die Köpfe der Protagonisten.
Aus der Komplexität der Geschichte heraus wird man häufig dazu verleitet, selbst die eine oder andere Theorie über den weiteren Handlungsverlauf aufzustellen; auch hier zeigt sich dann wieder, wie ungeheuer durchdacht die Geschichte ist, denn es gelingt Juliet May immer wieder, einen auf die falsche Fährte zu locken. Immer, wenn man gerade glaubt den nächsten Schritt durchschaut zu haben, kommen eine neue Wendung oder ein neues, kleines Puzzleteil, und beweisen einem das Gegenteil. Fehlende Spannung ist hier also wirklich gar kein Thema.
Wie auch schon Band 1 und 2 ist auch „Die Stadt der Fragmente“ wieder abwechselnd aus den Perspektiven diverser Figuren erzählt. Altbekannte Charaktere treffen hier auf solche, die bisher eher am Rand aufgetreten sind, und, ja, auch Truffles ist natürlich wieder mit dabei.
Als ganz besonderen Zusatz gibt es darüber hinaus an gleich drei Stellen im Buch die Möglichkeit, einen QR-Code einzuscannen und so die jeweilige Szene gleich nochmal viel besser nachempfinden zu können - denn hinter den Codes verbergen sich eigens zu diesem Zweck komponierte Instrumentalstücke, die wirklich sehr gut zu Handlung und Atmosphäre passen. Wann hat man schonmal sowas?
Wer sich also nicht vor dicken Wälzern und komplex ausgearbeiteten Welten und Handlungen abschrecken lässt, der wird in Askeria eine fesselnde Dark-Fantasy-Reihe finden, in die man wunderbar eintauchen kann und die sich von Band zu Band steigert. Selten kann ich so guten Gewissens eine Leseempfehlung aussprechen wie hier.