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Veröffentlicht am 19.10.2021

Wunderbarer Auftakt einer Reihe, die Highlight-Potenzial hat

Ansuz – Das Flüstern der Raben (1)
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Ein rothaariges Mädchen. Ein verschneiter Wald. Ein Mann in heller Jacke und eine dünne Lederschnur, die sich langsam um den Hals des Mädchens zuzieht. Nacht für Nacht erwacht Anne schweißgebadet aus diesem ...

Ein rothaariges Mädchen. Ein verschneiter Wald. Ein Mann in heller Jacke und eine dünne Lederschnur, die sich langsam um den Hals des Mädchens zuzieht. Nacht für Nacht erwacht Anne schweißgebadet aus diesem immergleichen Albtraum, ohne je die Gesichter des Mannes oder des Mädchens sehen zu können und ohne Antwort auf die Frage, warum sich ausgerechnet dieser eine Traum ständig wiederholt. Denn sie hat zwar häufiger solche Visionen, in denen sie Ereignisse aus der Vergangeheit sieht, doch normalerweise durchlebt sie solche Szenen nur ein einziges Mal.

Dass einige Dinge gerade großen Veränderungen unterliegen, merkt Anne auch, als sie gleich am ersten Schultag zwei neue Freunde findet - sie, das Mädchen, das 17 Jahre lang Einzelgängerin war und immer von allen entweder angefeindet oder mindestens ignoriert wurde. Und als sich dann ganz in der Nähe einige Morde ereignen, die die Menschen in Angst und Schrecken versetzen, ist klar - das alles kann nicht bloß Zufall sein.

Ohne dass sie recht weiß, wie ihr geschieht, findet Anne sich plötzlich mitten in einer Welt wieder, die direkt einem Lehrbuch zur nordischen Mythologie entnommen zu sein scheint. Aufgewachsen in einer ganzen Reihe an Pflegefamilien und Wohnheimen steht sie, die immer nur auf Ablehung gestoßen ist, mit einem Mal im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, und muss bald feststellen, dass ihre Unwissenheit sie in große Gefahr bringt.

800 Seiten wirken auf den ersten Blick vielleicht ersteinmal ziemlich abschreckend. Tatsächlich lohnt es sich aber, sich an diesen Wälzer heranzutrauen, denn langweilig wird es hier keine einzige Seite lang. Anne war mir vom ersten Moment an sympathisch, weil sie ganz anders ist, als man es von einer klassischen Fantasy- oder YA-Protagonistin vielleicht erwarten würde: sie geht anderen Menschen lieber aus dem Weg und macht ihr eigenes Ding, ist mürrisch und verschlossen und irgendwie von einer düsteren Aura umgeben. Einziger Begleiter ist ihr etwas furchteinflößender Riesenhund Monster und sie hat eine Vergangenheit, bei der die meisten lieber gleich einen großen Bogen um sie machen. Weshalb ich sie trotzdem gleich ins Herz geschlossen habe, kann ich gar nicht mal so genau sagen. Tatsache ist aber, dass sie und auch die anderen Figuren sehr authentisch geschrieben sind, seien es nun ihre etwas überdrehte Freundin Luna, ihr immer gutgelaunter und freundlicher Chef Frank oder der auf charmante Art hinterlistige Elias. Einzig Varnar, der stets in Annes Nähe ist und für den sie schon bald Gefühle entwickelt, mochte ich nicht, und für meinen Geschmack hätte die Geschichte diese Liebesbeziehung überhaupt nicht gebraucht.

Davon abgesehen hat mir das Buch aber wirklich gut gefallen. Die Mischung aus nordischer Mythologie und Krimielementen ist genau richtig, es ist düster (aber auch nicht zu sehr; an vielen Stellen ist es auch wunderbar humorvoll), man fiebert mit Anne mit und will am liebsten immer weiterlesen. Daher sind dann auch die 800 Seiten erstaunlich schnell geschafft und sollten kein Grund sein, sich diese Geschichte entgehen zu lassen. Dass ein solch dickes Buch keine einzige Seite lang die Spannung vermissen lässt, spricht eigentlich schon für sich. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt auf die Fortsetzung!

Veröffentlicht am 17.09.2021

Reise durch ein Leben

Reise durch ein fremdes Land
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Einige Tage kurz vor Weihnachten macht Tom sich auf den Weg quer durch Großbritannien, um seinen Sohn Luke abzuholen, der für sein Studium fortgezogen ist. Da er nun aber krank ist und wetterbedingt auch ...

Einige Tage kurz vor Weihnachten macht Tom sich auf den Weg quer durch Großbritannien, um seinen Sohn Luke abzuholen, der für sein Studium fortgezogen ist. Da er nun aber krank ist und wetterbedingt auch keine Flüge gehen, nimmt Tom die weite Reise auf sich, damit sein Sohn die Feiertage nicht alleine verbringen muss. Während er durch die verschneite Landschaft fährt schweifen seine Gedanken immer wieder ab, Leitfaden sind dabei die Bilder, die er im Laufe seines Lebens als Photograph geschossen hat. Sie erinnern ihn an den Anfang seiner Beziehung, an zahlreiche Begegnungen und an seine Kinder Lilly und Luke. Und vor allem auch an seinen ältesten Sohn Daniel, den er vor langer Zeit verloren hat.

Anfangs hat mich das Buch gleich in seinen Bann gezogen. Der Schreibstil ist sehr atmosphärisch, die verschneite Landschaft wird gut greifbar, und eine lange, einsame Autofahrt verspricht viel Raum für interessante Gedanken. So war es auch hier, denn während Tom auf dem Weg zu Luke ist, erzählt er nach und nach die gesamte Lebensgeschichte Daniels nach. Erst verhalten, dann immer hypnoider. Beinahe tranceartig scheint er in seinen Erinnerungen, seiner Schuld gefangen, wie auch der Schnee um ihn herum alles abzudämpfen scheint, während Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschmelzen.

Die Beschreibung der Landschaft, die unter einer dicken Schneeschicht begraben liegt, vereiste Straßen, die ständige Gefahr, ins Schleudern zu geraten oder auf der weiten Strecke irgendwo versehentlich falsch abzubiegen, während er auf dem Weg zu seinem Sohn ist. Die ganze Metaphorik dahinter erschließt sich erst im Laufe des Buches, denn letztendlich ist die Reise Toms eine Reise durchs Leben, eine einzigartige und zugleich doch eine ganz typische. Wir laufen ständig Gefahr, uns irgendwie zu verlaufen, die falsche Abzweigung zu nehmen, zwischendrin begegnen wir immer wieder Menschen, die unseren Weg prägen - auf Toms Autofahrt vor allem eine ältere Frau und die Fahrerin eines Unfallwagens -, doch den Weg in seiner Ganzheit können nur wir allein bestreiten. Und für Tom ist das nicht nur der Weg zu Luke, den er nach Hause holen will, sondern auch der zu Daniel, den er um Verzeihung bitten möchte, den er auch nach all der Zeit noch nicht loslassen konnte.

Fazit: Ein atmosphärischer, bildgewaltiger und intensiver Roman über Trauer, Schuld und die Macht der Vergangenheit, der mir sehr gut gefallen hat und den ich gerne weiterempfehle!

Veröffentlicht am 10.09.2021

Klare Leseempfehlung

Askeria: Stadt der Fragmente
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Das Wichtigste zuerst: Lest diese Reihe, wenn ihr Fantasy-Fans seid. Es lohnt sich. Wirklich.

„Die Stadt der Fragmente“ ist bereits der dritte Band rund um die Geschwister Piara, Souta und Ineas. Anders ...

Das Wichtigste zuerst: Lest diese Reihe, wenn ihr Fantasy-Fans seid. Es lohnt sich. Wirklich.

„Die Stadt der Fragmente“ ist bereits der dritte Band rund um die Geschwister Piara, Souta und Ineas. Anders als vielleicht bei manchen anderen Reihen empfiehlt es sich hier dringend, ganz von vorne anzufangen und nicht erst mittendrin einzusteigen – erstens, weil die Geschichte und das Universum, in dem sie spielt, hochkomplex sind, und zweitens einfach deshalb, weil man dann länger daran hat.

In den beiden Vorgängerbänden ist bereits unfassbar viel passiert und das hier nochmal aufzuführen würde definitiv den Rahmen sprengen. Umso besser, dass es zu Beginn des dritten Bandes eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse gibt. Daher an dieser Stelle nur so viel: Band zwei endete mit dem riesigen Cliffhanger, dass Piara und Souta dazu gezwungen waren, ihren Bruder Ineas zu töten. Die Konsequenzen dieser Tat und die Frage, ob Ineas nicht doch noch irgendwie gerettet werden kann, stehen nun im Mittelpunk des dritten Bandes.

Nach dem kurzen Rückblick zu Beginn taucht man dann auch sofort wieder tief ins Geschehen ein: Piara und Souta müssen mit der Schuld am Tod ihres Bruders zurechtkommen, Askeria, die vor Jahren als verborgener Widerstand gegen die Machenschaften des Ordens von Corasil gegründete Gilde, steht unmittelbar vor der erzwungenen Auflösung, der Souverän Lycenar schmiedet im Hintergrund weiter seine düsteren Pläne. Und über allem liegt weiterhin die Last des leise schwelenden Konflikts zwischen Menschen und Ceri. Als sich dann nach und nach nicht nur Piara und Souta, sondern auch weitere Personen aus ihrem Umfeld plötzlich mit Erinnerungsfetzen aus Ineas’ Vergangenheit konfrontiert sehen, bleibt ihnen keine andere Wahl mehr als das Risiko eines Bündnisses mit dem Feind in Kauf zu nehmen, um so Ineas vielleicht doch noch retten zu können. Doch zu welchem Preis?

Es zeichnet sich recht schnell ab, dass der dritte Band um einiges düsterer und beklemmender wird als seine beiden Vorgänger. Nicht nur die aktuelle Bedrohung durch Orden und Souveräne, auch das Gefühl der Schuld lastet schwer auf den Schultern der Protagonisten und führt sie immer tiefer hinein in das Geflecht aus Lügen und Halbwahrheiten der Gegenwart und Vergangenheit und bringt sie so auch immer näher an die tiefsten Abgründe ihrer selbst. Während die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den den einzelnen Figuren beleuchtet werden, machen sich neben dem Schmerz einstiger Taten jedoch auch Hoffnung und die unerschütterliche Liebe zwischen den Geschwistern bemerkbar. „Die Stadt der Fragmente“ stürzt einen beim Lesen noch viel mehr in ein Wechselbad der Gefühle, als es die ersten beiden Bände getan haben. Unter anderem daran wird auch auch die enorme Entwicklung deutlich, die Juliet May im Laufe der Geschichte hinsichtlich ihres Schreibstils durchlaufen hat. Wo sich anfangs vielleicht noch die ein oder andere Länge gefunden hat, überschlagen sich jetzt die Ereignisse, die Persönlichkeiten der einzelnen Figuren werden wunderbar differenziert und feinfühlig beschrieben und die Handlung zieht nun auch immer wieder Bögen zu Ereignissen aus den vorherigen Büchern. Dass sich daraus eine gewisse Komplexität ergibt, ist unausweichlich, und so erfordert „Askeria“ manches Mal zwar einiges an Konzentration, ermöglicht dadurch aber auch ein unglaublich tiefes Eintauchen in die Handlung und die Köpfe der Protagonisten.

Aus der Komplexität der Geschichte heraus wird man häufig dazu verleitet, selbst die eine oder andere Theorie über den weiteren Handlungsverlauf aufzustellen; auch hier zeigt sich dann wieder, wie ungeheuer durchdacht die Geschichte ist, denn es gelingt Juliet May immer wieder, einen auf die falsche Fährte zu locken. Immer, wenn man gerade glaubt den nächsten Schritt durchschaut zu haben, kommen eine neue Wendung oder ein neues, kleines Puzzleteil, und beweisen einem das Gegenteil. Fehlende Spannung ist hier also wirklich gar kein Thema.

Wie auch schon Band 1 und 2 ist auch „Die Stadt der Fragmente“ wieder abwechselnd aus den Perspektiven diverser Figuren erzählt. Altbekannte Charaktere treffen hier auf solche, die bisher eher am Rand aufgetreten sind, und, ja, auch Truffles ist natürlich wieder mit dabei.

Als ganz besonderen Zusatz gibt es darüber hinaus an gleich drei Stellen im Buch die Möglichkeit, einen QR-Code einzuscannen und so die jeweilige Szene gleich nochmal viel besser nachempfinden zu können - denn hinter den Codes verbergen sich eigens zu diesem Zweck komponierte Instrumentalstücke, die wirklich sehr gut zu Handlung und Atmosphäre passen. Wann hat man schonmal sowas?


Wer sich also nicht vor dicken Wälzern und komplex ausgearbeiteten Welten und Handlungen abschrecken lässt, der wird in Askeria eine fesselnde Dark-Fantasy-Reihe finden, in die man wunderbar eintauchen kann und die sich von Band zu Band steigert. Selten kann ich so guten Gewissens eine Leseempfehlung aussprechen wie hier.

Veröffentlicht am 05.09.2021

Griechische Mythologie - auch für Erwachsene toll zu lesen

Der Sohn des Odysseus
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Telemachos, Sohn des Odysseus, ist erst etwa ein Jahr alt, als sein Vater zum Krieg gegen Troja aufbricht. Jahre später, Telemachos ist nun 11, ist er jedoch noch immer nicht zurückgekehrt - und das, obwohl ...

Telemachos, Sohn des Odysseus, ist erst etwa ein Jahr alt, als sein Vater zum Krieg gegen Troja aufbricht. Jahre später, Telemachos ist nun 11, ist er jedoch noch immer nicht zurückgekehrt - und das, obwohl der Krieg längst vorüber ist. Niemand weiß, wohin Odysseus verschwunden ist, weshalb langsam Unruhe am königlichen Hof entsteht. Vielen scheint es nicht länger verantwortbar, dass Ithaka noch länger ohne Herrscher bleiben und von Odysseus' Frau regiert werden soll. Doch Telemachos selbst ist in ihren Augen zu jung und unerfahren, um den Thron zu besteigen.

Kindgerecht und doch sehr nah am Original wird hier die Geschichte des jungen Telemachos aufgearbeitet, der ohne seinen Vater aufwachsen muss und sich plötzlich mit der harten Realität und den Machtkämpfen um den Thron Ithakas konfrontiert sieht. Telemachos hält, anders als die anderen Jungen und Männer um hin herum, nicht viel von Krieg und Gewalt, weshalb sie ihm meist nicht den Respekt entgegenbringen, der ihm als Königssohn gebührt. So hat er eine nicht ganz einfache Jugend, in der er immer wieder der Schikane anderer ausgesetzt ist und zugleich um die Ehre seiner Mutter fürchten muss, die sich aus zahlreichen Freiern einen neuen Mann erwählen soll, um so Ithaka einen neuen König zu schenken. Dabei ist Telemachos sich sicher: sein Vater lebt, er wird wiederkommen. Das muss er einfach. Bestärkt wird er in dieser Hoffnung von seiner Kinderfrau Eurykleia, die Odysses' Abenteuer in ihren Träumen sieht und dem Jungen davon berichtet. So wird wie nebenbei auch ein Teil der Odyssee in die Handlung miteingeflochten und ermöglicht einen schönen, umfangreichen Einblick in die griechische Mythologie.

Das Buch ist, denke ich, für "ältere" Kinder gedacht, da es durchaus auch einnige gewaltsamere Szenen gibt (die sich aber in Grenzen halten). Ich denke, die optimale Zielgruppe sind Kinder ab etwa 10 Jahren. Aber auch als Erwachsener ist "Der Sohn des Odysseus" wunderbar zu lesen, da er durchaus einiges an Wissen vermittelt und zudem sprachlich auf einem recht hohen Niveau verfasst ist. Besonders hervorzuheben sind auch die vielen Illustrationen, die sich immer wieder im Buch finden und die Geschichte etwas auflockern. Gegen Ende hat sich die Geschichte stellenweise ein klein wenig gezogen, da mich das Buch aber ansonsten vollkommen überzeugt hat, sehe ich da gerne drüber hinweg und empfehle es sehr gerne weiter an alle, die ein wenig in die griechische Mythologie eintauchen möchten.

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Veröffentlicht am 07.08.2021

Ein Mädchen, das des eigenen Lebens beraubt wird

Unsere unendlichen Tage
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Während ihre Mutter auf Konzertreise in Deutschland ist, verbringt die achtjährige Peggy einige Wochen allein mit ihrem Vater zuhause. Dieser, schon seit einer ganzen Weile vom Gedanken an ein Leben als ...

Während ihre Mutter auf Konzertreise in Deutschland ist, verbringt die achtjährige Peggy einige Wochen allein mit ihrem Vater zuhause. Dieser, schon seit einer ganzen Weile vom Gedanken an ein Leben als Aussteiger begeistert, erhält über einen Bekannten die Gelegenhet, eine kleine abgelegene Waldhütte in den Bergen zu übernehmen. Also macht er sich gemeinsam mit seiner Tochter auf den Weg dorthin. Kaum angekommen erzählt er dem Mädchen, die restliche Welt sei untergegangen, alle Menschen tot, sie beide die einzigen, die überlebt haben. Auf keinen Fall dürfe sie den Fluss überqueren oder die Berggipfel überschreiten, denn dahinter lauere nur noch die Große Kluft, ein unendliches Nichts. Und so beginnen endlose Jahre im Wald, in denen Peggy im Kampf ums Überleben erwachsen wird und doch zugleich das kleine Mädchen bleibt, das sie war, als die Welt unterging.

Die Handlung ist zweigeteilt. Ein Strang handelt vom Leben in der Abgeschiedenheit der kleinen Waldlichtung, der andere spielt Jahre später, als Peggy wieder zurück in die Zivilisation gelangt und erkennen muss, dass ihr Vater sie all die Jahre belogen hat.

Peggy ist eine sympathische Protagonistin. In den Rückblicken auf die Zeit "Davor", als sie noch ein ganz normales Leben mit ihren Eltern und Freunden irgendwo in London führte, war sie ein aufgewecktes und wissbegieriges kleines Mädchen. Stets hat sie sich bemüht, ihrem Vater eine Freude zu machen, und so wehrt sie sich auch nicht gegen dessen Beschluss, die tagelange Reise mit langem Fußmarsch zur abgelegenen Waldhütte anzutreten, obwohl sie eigentlich viel lieber zuhause bleiben würde. Als sich irgendwann abzeichnet, dass aus dem Abenteuerurlaub ein "für immer" werden soll, akzeptiert sie auch dies recht schnell. Und dennoch ist sie nicht glücklich über dieses neue Leben in der Einsamkeit. Wie auch, sie ist gerade einmal acht Jahre alt, als sie aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen wird, als sie plötzlich ihren gesamten Alltag umkrempeln muss.

Es ist eine seltsame Beziehung zwischen Vater und Tochter, einerseits geprägt von der Entscheidung des Vaters, Peggy gegen ihren Willen dazu zu zwingen, an seinem Traum teilzuhaben - und sie so ihres eigenen Lebens beraubt -, und andererseits von seiner großen Liebe zu ihr, die er unter Beweis stellt, als er ihr mühevoll aus Holz ein Klavier baut. Mit den Jahren zeichnet sich zusehends eine leichte Spur des Wahnsinns ab, der den Vater immer wieder überkommt und unter dem Peggy in all der Zeit sehr leidet.

Und doch gibt der Handlungsstrang aus dem Jahr 1985 Hoffnung, denn es ist klar: sie wird aus diesem Leben entkommen, zu dem ihr Vater sie verpflichtet hat, sie wird zurückkehren, auch, wenn sie ihre Vergangenheit nie ganz wird abstreifen können.

Der Roman ist spannend erzählt. Er ist nicht auf Action aus, hat aber einen dystopischen Hauch, und dank des eingehenden Schreibstils kann man nicht anders, als mit dem kleinen Mädchen mitzufiebern und stets darauf zu hoffen, dass für sie alles gut ausgehen wird. Die Atmosphäre schwankt auf einer Skala von beklemmend bis unbeschwert, dazwischen ist alles vertreten; doch zu jedem Zeitpunkt wirkten die Figuren und Szenen authentisch, die Beschreibungen eingängig und ergreifend.

Ich habe "Unsere unendlichen Tage" sehr gerne gelesen und empfehle es daher gerne weiter!

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