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Veröffentlicht am 18.09.2021

Eine liebenswerte Geschichte mit Humor, Herz und wichtigen Inhalten!

Was Schildkröten im Schilde führen
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"Was Schildkröten im Schilde führen" war eine persönliche Empfehlung von Elisa vom Piper-Bloggerteam, die mir als großer Fan der Känguru-Reihe von Marc-Uwe Kling diese Neuerscheinung aus ihrem Programm ...

"Was Schildkröten im Schilde führen" war eine persönliche Empfehlung von Elisa vom Piper-Bloggerteam, die mir als großer Fan der Känguru-Reihe von Marc-Uwe Kling diese Neuerscheinung aus ihrem Programm besonders ans Herz gelegt hat. Wer das kommunistische Känguru mochte, wird auch die umweltaktivistische Schildkröte feiern, hat sie prophezeit. Und sie hatte absolut recht: Maria Keims Roman ist mindestens genauso witzig und gesellschaftskritisch wie Marc-Uwe Klings Känguru-Reihe und wurde schon nach wenigen Seiten zum Herzensbuch!


"Größe sagt doch nichts darüber aus, wie erwachsen zu bist. Das ist so typisch. Die Welt wird regiert von großen Kindern, und niemand interessiert sich für die kleinen Erwachsenen."


Schon die äußere Gestaltung des Romans ist ein Volltreffer. Auf dem Cover zu sehen ist eine grüne Schildkröte mit roter Strickmütze, auf der der Slogan "There is no planet B" schon einen Hinweis auf den Lebensplan des Panzertiers gibt. Der Star der Geschichte ist auch zu Beginn von jedem zweiten der insgesamt 26 Kapiteln abgedruckt. Passend zur wichtigen Botschaft des umweltaktivistischen Reptils ist der Roman übrigens klimaneutral produziert und ich habe mich sehr über die Blumensamen zum Säen einer Blumenwiese und den Statement Jutebeutel aus Biobaumwolle gefreut, welche zusätzlich zu meinem gebundenen Exemplar des Buches im Paket aufzufinden waren.


„WECHSELWARMES KRIECHTIER SUCHT EINSIGARTIGE WOHNGEMEINSCHAFT MIT MÖGLICHST K(L)EINEM ÖKOLOGISCHEN FUSSABDRUCK! PS: Nieder mit der Kohle“


Mit einem pappigen Pappplakat mit dieser Aufschrift erregt eine kleine grüne Schildkröte vor dem Kölner Dom die Aufmerksamkeit der jungen Schülerin Marlin. Kurzerhand nimmt sie das plappernde Kriechtier mit zu sich nach Hause, wo sie zusammen mit ihrer Oma, die leider seit dem Tod ihres Mannes den Dusel hat, und ihrem immerzu arbeitenden Vater lebt. Was diese Schildkröte im Schilde führt ist ziemlich schnell klar: sie will die Welt verändern. Und weil sie trotz ihrer Plakate und wilden Reden nicht an die großen Stellschrauben des Weltgeschehens herankommt, krempelt sie einfach kurzerhand Marlins Leben um. Schneller als sie "Pappplakat" buchstabieren kann ist die sonst introvertierte Außenseiterin die Leiterin einer brandneuen Umwelt-AG, achtet auf ihre Ernährung und nötigt ihren Vater, auf dem Weg zur Arbeit mal das Fahrrad zu benutzen. Und schon bald wird ihr klar, dass große Veränderungen oft ganz klein beginnen...


"Ihr Menschen scheint immer erst dann zu handeln, wenn das Handeln zu spät ist. Die Erde brennt bereits. Da spielt es keine Rolle, wer Schildkröte und wer Mensch ist. Ich muss diesen Super-GAU verhindern." "Bin stolz auf dich, Schildi." "Nenn mich nicht Schildi. Das ist entwürdigend."


Maria Keim erzählt hier eine liebenswerte Geschichte über Familie, Freundschaft, Verantwortung, Klimakrise und die Wichtigkeit von kleinen Schritten, die man einfach lieben muss. Dabei setzt sie vor allem auf drei magische Komponenten, die "Was Schildkröten im Schilde führen" zu einem besonderen Erlebnis machen: Humor, Herz und Inhalte. Egal ob durch witzige Schlagabtäusche mit der vorlauten Schildkröte, verrückte Aktionen von Marlins vom Dusel geplagten Oma, die die Schildkröte gerne mal mit dem Salzstreuer verwechselt oder wahnsinnig schlecht geplante Protestaktionen, die in Desastern enden - der Roman lädt regelmäßig zum Lachen oder zumindest zum Schmunzeln ein und setzt dabei auch auf gewitzte Wortwitze und Insidergags. Der offensichtliche Star der Geschichte ist dabei natürlich die Schildkröte. Das vorlaute Reptil das es "entwürdigend" findet, Schildi genannt zu werden, gerne im lauwarmen Tee herumpaddelt und gerne mal gigantische Muskelprotze auf dem Polizeirevier in Grund und Boden diskutiert muss man einfach ins Herz schließen.


"Meine Oma hält die Schildkröte gefährlich nah über ihr flüssiges Eigelb und schüttelt sie heftig. "Loslassen!", kreischt das Kriechtier. "Das ist entwürdigend!" Meine Oma hält inne und sieht mich verdutzt an. "Sverre", ruft sie. Wie so oft verwechselt sie mich mit meinem Vater, aber das bin ich mittlerweile gewohnt. "Ich glaube, ich bin verrückt geworden." Vorsichtig legt sie die Schildkröte in den Brotkorb. "Der Salzstreuer spricht mit mir."


Die zweite Zutat neben dem grandiosen Humor ist die regelmäßig ans Herz gehenden Situationen, die Maria Keim im Miteinander der Figuren entstehen lässt. Marlin erzählt in den 26 kurzen, kindgerechten, aber dennoch sehr wichtigen Kapiteln aus der Ich-Perspektive nämlich nicht nur, wie die Begegnung mit einer Schildkröte ihr Leben umkrempelt, sondern auch, weshalb sie es nicht ganz leicht hat. Ihr Vater ist ein vielbeschäftigter Arzt, sodass seitdem ihre Mutter abgehauen ist, fast alle Hausarbeit an ihr hängen bleibt. Sie kauft also (nach einem kaum lesbaren Einkaufzetteln - denn die Handschrift von einem Arzt ist bekanntlich nur für seinesgleichen entzifferbar) ein, kocht, wäscht und passt zusätzlich noch auf ihre Großmutter auf, deren immer schlimmer werdende Demenzerkrankung sie liebevoll "den Dusel" nennt. Auch in der Schule hat sie nicht besonders viel Unterstützung und ist mit ihren Strickmützen, der Latzhose und den versteckten Ohrstöpseln eine viel ignorierte Einzelkämpferin. Das ändert sich erst, als sie durch die Schildkröte zusammen mit dem beliebten Mitschüler Tim die Umwelt AG gründet. Trotz der geringen Seitenzahl macht Marlin eine starke Entwicklung durch. Wie sie Schritt für Schritt aufzublühen beginnt und sie durch Schildi (sorry, ich weiß, das ist entwürdigend) gespiegelt bekommt, dass sie eigentlich noch ein Kind ist und zuhause auch die Chance haben sollte, eines zu sein, ist toll mitanzusehen.


"Ihr raucht die Erde wie Zigaretten!", keucht sie. "Begeht eine Sünde für einen Augenblick des Genusses. Verschwendet keinen Gedanken daran, dass ihr den unfreiwilligen Passivrauchern dabei genauso den Tod näherbringt wie euch selbst!"


Die dritte Zutat, die "Was Schildkröten im Schilde führen" komplett macht, sind die Inhalte. Der Roman ist nämlich zwischen den Zeilen angefüllt mit vielen wichtigen Informationen, Zusammenhängen und Anregungen. Hier geht es ganz nebenbei um den Treibhauseffekt, Rohstoffe, Massentierhaltung, erneuerbare Energien, den ökologischen Fußabdruck, die Abholzung des Regenwaldes, Globalisierung, Artensterben und vieles mehr. Durch kleine Analogien, Erklärungen und anschauliche Beispiele werden diese komplexen Themen einfach erklärt, sodass auch Kinder sie verstehen können, aber dabei so konkret, dass auch Erwachsene von der Perspektive profitieren können. Neben den Informationen ist es aber vor allem die Message des Buches, das meine Anerkennung gewonnen hat und mit der ich auch meine Rezension beenden möchte: "Man kann die Welt nicht von jetzt auf gleich retten, auch wenn die Klimaaktivisten sich das so wünschen. Das funktioniert nur Schritt für Schritt. Das Wichtigste ist: Aufhören zu reden und anfangen zu handeln, verstehst du? Langsam sein ist okay, solange du niemals stehen bleibst."




Fazit
:

Maria Keim erzählt hier eine liebenswerte Geschichte über Familie, Freundschaft, Verantwortung, Klimakrise und die Wichtigkeit von kleinen Schritten. "Was Schildkröten im Schilde führen" ist mindestens genauso witzig und gesellschaftskritisch wie Marc-Uwe Klings Känguru-Reihe und wurde schon nach wenigen Seiten zum Herzensbuch!

PS: Den halben Stern Abzug gibt es für das leicht übertriebene und plakative Ende.

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Veröffentlicht am 10.09.2021

Charmant, amüsant und besonders!

What to say next
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"What to say next" ist eine Neuauflage von Julie Buxbaums gleichnamigem Originalroman, welcher 2018 schonmal in Deutschland unter dem Titel "Mein Herz in allen Einzelteilen" erschienen ist. Obwohl ich ...

"What to say next" ist eine Neuauflage von Julie Buxbaums gleichnamigem Originalroman, welcher 2018 schonmal in Deutschland unter dem Titel "Mein Herz in allen Einzelteilen" erschienen ist. Obwohl ich die Geschichte noch nirgends gesehen habe, hat der Klapptext gleich beim ersten Lesen etwas in mir zum Schwingen gebracht, sodass ich den Roman kurzerhand angefragt habe. Und tatsächlich: dieser wundervolle Roman über Stärke, Außenseiter, Besonderssein, Mut und Liebe ist einfach wunderschön zu lesen, sodass mir mit Kits und Davids Geschichte ein überraschendes, unerwartetes, aber umwerfendes Monatshighlight geschenkt wurde.


David: "Jetzt passt dein Äußeres viel besser zu deinem Inneren, hat Kit vorhin gesagt, aber sie hat sich geirrt- Nein, jetzt ist mein wahres Inneres nach außen gekehrt und alle können es auseinandernehmen und darüber lachen. Ich bin wie ein überfahrenes Tier am Straßenrand. Ich werde angestarrt und jeder findet es spannend, aber essen will mich niemand. So wertvoll bin ich nicht"


Die Gestaltung der Neuauflage ist sehr nah am Originalcover gehalten, was mir wunderbar gefällt, da durch den türkisgrünen Hintergrund mit der abgedruckten Zahlenfolge der Zahl Pi und die beiden sich zugewandten Milchshakes Kits und Davids Annäherung auf spritzige, jugendliche und auch leicht nerdige Weise rübergebracht wird. Auch der Titel wurde dankenswerter Weise übernommen, was mir ebenfalls gut gefällt, da sich Kit nach dem Verlust ihres Vaters genau aus diesem Grund an den stillen David wendet: sie muss sich keine Gedanken darüber machen, was sie als nächstes zu ihm sagen soll...


Erster Satz: "Ein Wunder ist geschehen: Kit Lowell hat sich gerade in der Schulkantine zu mir gesetzt."


Die Geschichte hatte mich schon beim ersten Satz. Julie Buxbaum entwickelt hier in 40 kurzen Kapiteln eine Mischung aus Highschool-Komödie, Coming-of-Age-Drama und Liebesgeschichte. Dadurch, dass sie abwechselnd aus der Sicht von David und Kit erzählt, kann sie geschickt mit der Fremd- und Eigenperspektive der Figuren spielen und gleich zwei schwere Themen ansprechen, ohne dass Gefühle zu kurz kommen. Während Kit erst kürzlich bei einem Autounfall ihren Vater verloren hat und stark mit seiner Abwesenheit, Trauer, Schuld, Wut und Orientierungslosigkeit zu kämpfen hat und sich zwischen all diesen Gefühlen von ihrem Freundinnen entfremdet und selbst verloren hat, lernen wir mit David einen Teenager aus dem Autismus Spektrum kennen. Mit einem überdurchschnittlichen IQ, der Fixation auf kleine Details, Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Umgang und entwaffnend ehrlicher Kommunikation würde er nach der alten Definition als Asperger-Autist gelten, kann sich selbst mit diesem Label aber nicht besonders gut identifizieren.


David: "Meine Mom meint, mein Dad und ich wären uns sehr ähnlich, was mir Anlass zum Optimismus gibt. Wenn er jemanden wie meine Mutter dazu bringen konnte ihn zu lieben - jemanden, der allgemein als supernett und wunderbar klingt -, und nicht nur zu lieben, sondern ihn so sehr zu lieben, dass sie den Rest des Lebens mit ihm verbringen will, dann gibt es vielleicht auch für mich noch Hoffnung."


Fakt ist, dass wir David durch seinen Alltag begleiten, der dank seiner speziellen Weltsicht einige Fallstricke birgt und - mal lustig, mal tragisch, aber immer wahnsinnig einfühlsam dargestellt - beobachten können, wie er versucht, sich durch planerische Kniffe, die Nicht-zu-trauen-Liste seiner großen Schwester, in einem Notizbuch gesammelte Informationen über seine Mitschüler und die Hilfe seines Gitarrenlehrers halbwegs unbeschadet durch den High-School-Dschungel zu manövrieren. Ganz schön durcheinander gewirbelt wird seine Routine, als sich plötzlich die schöne und beliebte Kit an seinen Tisch beim Mittagessen setzt und ihm die Möglichkeit auf Anschluss, Freundschaft und vielleicht auch mehr bietet...


Kit: "Bei ihnen scheint angekommen zu sein, dass die Welt groß und vielfältig ist, und dass anders sein nichts Angsteinflößendes ist. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie viele Leute das nicht begreifen."


Über die Zeit entwickelt sich die anfängliche Charaktervorstellung zu einer süßen, unterhaltsamen Lovestory, die trotz der vielen klischeehaften Stellen überraschend viel Tiefe aufweist. Zwar hatte Julie Buxbaum mit dem "beliebtes Mädchen freundet sich nach einem Schicksalsschlag mit einem Außenseiter an und bald schon flattern die Schmetterlinge"-Konzept nicht gerade eine neue Grundidee und auch typische High-School-Cliquen oder das obligatorische Makeover, nach dem alle bemerken, dass der unscheinbare Nerd doch ein Hottie ist, erinnern an bekannte Highschool-Filme wie "He´s all that" oder "She´s all that". Dennoch erscheint "What to say next" besonders und sticht dadurch hervor, wie viel Herz die Autorin ihren Figuren verleiht.


David: "Ich dachte immer, Einsamkeit wäre, immer nur die eine Stimme im Kopf zu hören. Aber das war falsch. Einsamkeit ist, auch die Stimmen aller anderen zu hören, die nur immer wieder das eine Wort wiederholen: Stirb, stirb, stirb."


Besonders David ist mir über die 368 Seiten wahnsinnig ans Herz gewachsen. Ich habe selten von einem so anbetungswürdigen Young Adult Protagonisten gelesen, den ich am liebsten ganz fest in den Arm genommen und vor der ganzen Welt beschützt hätte. Mit all seinen Eigenheiten ist er kein besonders leichter oder nach der üblichen Definition attraktiver Protagonist, mit seiner wachen Intelligenz, seinem besonderen Blick auf die Welt und der naiven Verletzlichkeit, die er ausstrahlt, muss man ihn aber einfach lieben. Auch Kit ist als Halbinderin, die neben der Trauer um ihren Vater mit dem Schönheitsideal ihrer Mutter zu kämpfen hat und genervt von der Oberflächlichkeit der Highschool ist, eine für einen Young-Adult-Roman sehr komplexe, reflektierte und diverse Figur. Ganz mit David mithalten konnte sie für mich aber nicht, gerade auch weil seine Abschnitte für mich einfach einen besonderen Reiz hatten.


David: "Mein Notizbuch zu lesen, ist wie meinen Kopf zu öffnen und der unverständigen Welt alles offenzulegen, was keinen Sinn ergibt. Alles, was mich zum Freak, Geistesgestörten oder Loser macht, oder was für Worte sie mir auch immer entgegenschleudern. Alles, was mich anders sein lässt. Alles, was mich mich sein lässt."


Neben den Figuren ist vor allem der allgegenwärtige Witz des Schreibstils, der es schafft, die tragischen Inhalte rund um den Verlust von Kits Vater, Mobbing oder die Grausamkeit von Teenagern gegenüber denen, die aus dem Raster fallen, auszugleichen. Die Autorin findet hier ganz wunderbar eine Balance zwischen Ernst und Humor, sodass die Wichtigkeit der angesprochenen Themen nicht verloren geht, sich die jugendlichen Figuren aber nie selbst zu ernst nehmen. Zusätzlich aufgelockert wird die Erzählung außerdem durch eingeschobene Listen, Emails, Briefe oder Aufzählungen, oft mit humoristischem Inhalt. So ist die Geschichte trotz einiger hochemotionaler Szenen, bei denen einem die Spucke wegbleibt, ein absolutes Wohlfühlbuch, das sich wie eine warme Decke übers Herz legt und in dem man sich am liebsten häuslich einrichten würde. Ich hätte also gerne noch ewig weiter über die beiden lesen können, war aber auch sehr zufrieden, als das Ende gekommen ist, denn Julie Buxbaum ist es hier gelungen, ihren Abschluss offen, aber rund und einfach perfekt zu gestalten, sodass sie unbedingt auf die Liste der AutorInnen gerutscht ist, von denen ich dringend Nachschub brauche!


David: "Was sollen wir bloß mit dir machen?", fragt sie, und mein Magen zieht sich zusammen. In der neunten Klasse fan dich mich alle zwei Wochen bei der Direktorin, Ms Hodge, wieder, weil irgendetwas mit mir schiefgelaufen war, und sie hat mir diese Frage, die idiomatisch und rhetorisch zugleich zu verstehen ist, immer wieder gestellt: Was sollen wir bloß mit dir machen? Als wäre ich ein Gruppenprojekt. Wenigstens dieses eine Mal könnte die Antwort doch sein: nichts. Wenigstens dieses einmal Mal könnte die Antwort doch sein: Du bist genau richtig so. Wenigstens dieses eine Mal könnte die Frage doch überhaupt nicht gestellt worden sein."




Fazit:


"What to say next" ist eine Mischung aus Highschool-Komödie, Coming-of-Age-Drama und Liebesgeschichte, die das Rad nicht neu erfindet, aber durch die Figuren charmant, den Schreibstil amüsant und die Einfühlsamkeit der Themen besonders wirkt. Ganz klare Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
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  • Erzählstil
  • Handlung
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Veröffentlicht am 10.09.2021

Charmant, amüsant und besonders!

What to say next
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"What to say next" ist eine Neuauflage von Julie Buxbaums gleichnamigem Originalroman, welcher 2018 schonmal in Deutschland unter dem Titel "Mein Herz in allen Einzelteilen" erschienen ist. Obwohl ich ...

"What to say next" ist eine Neuauflage von Julie Buxbaums gleichnamigem Originalroman, welcher 2018 schonmal in Deutschland unter dem Titel "Mein Herz in allen Einzelteilen" erschienen ist. Obwohl ich die Geschichte noch nirgends gesehen habe, hat der Klapptext gleich beim ersten Lesen etwas in mir zum Schwingen gebracht, sodass ich den Roman kurzerhand angefragt habe. Und tatsächlich: dieser wundervolle Roman über Stärke, Außenseiter, Besonderssein, Mut und Liebe ist einfach wunderschön zu lesen, sodass mir mit Kits und Davids Geschichte ein überraschendes, unerwartetes, aber umwerfendes Monatshighlight geschenkt wurde.


David: "Jetzt passt dein Äußeres viel besser zu deinem Inneren, hat Kit vorhin gesagt, aber sie hat sich geirrt- Nein, jetzt ist mein wahres Inneres nach außen gekehrt und alle können es auseinandernehmen und darüber lachen. Ich bin wie ein überfahrenes Tier am Straßenrand. Ich werde angestarrt und jeder findet es spannend, aber essen will mich niemand. So wertvoll bin ich nicht"


Die Gestaltung der Neuauflage ist sehr nah am Originalcover gehalten, was mir wunderbar gefällt, da durch den türkisgrünen Hintergrund mit der abgedruckten Zahlenfolge der Zahl Pi und die beiden sich zugewandten Milchshakes Kits und Davids Annäherung auf spritzige, jugendliche und auch leicht nerdige Weise rübergebracht wird. Auch der Titel wurde dankenswerter Weise übernommen, was mir ebenfalls gut gefällt, da sich Kit nach dem Verlust ihres Vaters genau aus diesem Grund an den stillen David wendet: sie muss sich keine Gedanken darüber machen, was sie als nächstes zu ihm sagen soll...


Erster Satz: "Ein Wunder ist geschehen: Kit Lowell hat sich gerade in der Schulkantine zu mir gesetzt."


Die Geschichte hatte mich schon beim ersten Satz. Julie Buxbaum entwickelt hier in 40 kurzen Kapiteln eine Mischung aus Highschool-Komödie, Coming-of-Age-Drama und Liebesgeschichte. Dadurch, dass sie abwechselnd aus der Sicht von David und Kit erzählt, kann sie geschickt mit der Fremd- und Eigenperspektive der Figuren spielen und gleich zwei schwere Themen ansprechen, ohne dass Gefühle zu kurz kommen. Während Kit erst kürzlich bei einem Autounfall ihren Vater verloren hat und stark mit seiner Abwesenheit, Trauer, Schuld, Wut und Orientierungslosigkeit zu kämpfen hat und sich zwischen all diesen Gefühlen von ihrem Freundinnen entfremdet und selbst verloren hat, lernen wir mit David einen Teenager aus dem Autismus Spektrum kennen. Mit einem überdurchschnittlichen IQ, der Fixation auf kleine Details, Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Umgang und entwaffnend ehrlicher Kommunikation würde er nach der alten Definition als Asperger-Autist gelten, kann sich selbst mit diesem Label aber nicht besonders gut identifizieren.


David: "Meine Mom meint, mein Dad und ich wären uns sehr ähnlich, was mir Anlass zum Optimismus gibt. Wenn er jemanden wie meine Mutter dazu bringen konnte ihn zu lieben - jemanden, der allgemein als supernett und wunderbar klingt -, und nicht nur zu lieben, sondern ihn so sehr zu lieben, dass sie den Rest des Lebens mit ihm verbringen will, dann gibt es vielleicht auch für mich noch Hoffnung."


Fakt ist, dass wir David durch seinen Alltag begleiten, der dank seiner speziellen Weltsicht einige Fallstricke birgt und - mal lustig, mal tragisch, aber immer wahnsinnig einfühlsam dargestellt - beobachten können, wie er versucht, sich durch planerische Kniffe, die Nicht-zu-trauen-Liste seiner großen Schwester, in einem Notizbuch gesammelte Informationen über seine Mitschüler und die Hilfe seines Gitarrenlehrers halbwegs unbeschadet durch den High-School-Dschungel zu manövrieren. Ganz schön durcheinander gewirbelt wird seine Routine, als sich plötzlich die schöne und beliebte Kit an seinen Tisch beim Mittagessen setzt und ihm die Möglichkeit auf Anschluss, Freundschaft und vielleicht auch mehr bietet...


Kit: "Bei ihnen scheint angekommen zu sein, dass die Welt groß und vielfältig ist, und dass anders sein nichts Angsteinflößendes ist. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie viele Leute das nicht begreifen."


Über die Zeit entwickelt sich die anfängliche Charaktervorstellung zu einer süßen, unterhaltsamen Lovestory, die trotz der vielen klischeehaften Stellen überraschend viel Tiefe aufweist. Zwar hatte Julie Buxbaum mit dem "beliebtes Mädchen freundet sich nach einem Schicksalsschlag mit einem Außenseiter an und bald schon flattern die Schmetterlinge"-Konzept nicht gerade eine neue Grundidee und auch typische High-School-Cliquen oder das obligatorische Makeover, nach dem alle bemerken, dass der unscheinbare Nerd doch ein Hottie ist, erinnern an bekannte Highschool-Filme wie "He´s all that" oder "She´s all that". Dennoch erscheint "What to say next" besonders und sticht dadurch hervor, wie viel Herz die Autorin ihren Figuren verleiht.


David: "Ich dachte immer, Einsamkeit wäre, immer nur die eine Stimme im Kopf zu hören. Aber das war falsch. Einsamkeit ist, auch die Stimmen aller anderen zu hören, die nur immer wieder das eine Wort wiederholen: Stirb, stirb, stirb."


Besonders David ist mir über die 368 Seiten wahnsinnig ans Herz gewachsen. Ich habe selten von einem so anbetungswürdigen Young Adult Protagonisten gelesen, den ich am liebsten ganz fest in den Arm genommen und vor der ganzen Welt beschützt hätte. Mit all seinen Eigenheiten ist er kein besonders leichter oder nach der üblichen Definition attraktiver Protagonist, mit seiner wachen Intelligenz, seinem besonderen Blick auf die Welt und der naiven Verletzlichkeit, die er ausstrahlt, muss man ihn aber einfach lieben. Auch Kit ist als Halbinderin, die neben der Trauer um ihren Vater mit dem Schönheitsideal ihrer Mutter zu kämpfen hat und genervt von der Oberflächlichkeit der Highschool ist, eine für einen Young-Adult-Roman sehr komplexe, reflektierte und diverse Figur. Ganz mit David mithalten konnte sie für mich aber nicht, gerade auch weil seine Abschnitte für mich einfach einen besonderen Reiz hatten.


David: "Mein Notizbuch zu lesen, ist wie meinen Kopf zu öffnen und der unverständigen Welt alles offenzulegen, was keinen Sinn ergibt. Alles, was mich zum Freak, Geistesgestörten oder Loser macht, oder was für Worte sie mir auch immer entgegenschleudern. Alles, was mich anders sein lässt. Alles, was mich mich sein lässt."


Neben den Figuren ist vor allem der allgegenwärtige Witz des Schreibstils, der es schafft, die tragischen Inhalte rund um den Verlust von Kits Vater, Mobbing oder die Grausamkeit von Teenagern gegenüber denen, die aus dem Raster fallen, auszugleichen. Die Autorin findet hier ganz wunderbar eine Balance zwischen Ernst und Humor, sodass die Wichtigkeit der angesprochenen Themen nicht verloren geht, sich die jugendlichen Figuren aber nie selbst zu ernst nehmen. Zusätzlich aufgelockert wird die Erzählung außerdem durch eingeschobene Listen, Emails, Briefe oder Aufzählungen, oft mit humoristischem Inhalt. So ist die Geschichte trotz einiger hochemotionaler Szenen, bei denen einem die Spucke wegbleibt, ein absolutes Wohlfühlbuch, das sich wie eine warme Decke übers Herz legt und in dem man sich am liebsten häuslich einrichten würde. Ich hätte also gerne noch ewig weiter über die beiden lesen können, war aber auch sehr zufrieden, als das Ende gekommen ist, denn Julie Buxbaum ist es hier gelungen, ihren Abschluss offen, aber rund und einfach perfekt zu gestalten, sodass sie unbedingt auf die Liste der AutorInnen gerutscht ist, von denen ich dringend Nachschub brauche!


David: "Was sollen wir bloß mit dir machen?", fragt sie, und mein Magen zieht sich zusammen. In der neunten Klasse fan dich mich alle zwei Wochen bei der Direktorin, Ms Hodge, wieder, weil irgendetwas mit mir schiefgelaufen war, und sie hat mir diese Frage, die idiomatisch und rhetorisch zugleich zu verstehen ist, immer wieder gestellt: Was sollen wir bloß mit dir machen? Als wäre ich ein Gruppenprojekt. Wenigstens dieses eine Mal könnte die Antwort doch sein: nichts. Wenigstens dieses einmal Mal könnte die Antwort doch sein: Du bist genau richtig so. Wenigstens dieses eine Mal könnte die Frage doch überhaupt nicht gestellt worden sein."




Fazit:


"What to say next" ist eine Mischung aus Highschool-Komödie, Coming-of-Age-Drama und Liebesgeschichte, die das Rad nicht neu erfindet, aber durch die Figuren charmant, den Schreibstil amüsant und die Einfühlsamkeit der Themen besonders wirkt. Ganz klare Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
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  • Handlung
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Veröffentlicht am 10.09.2021

Charmant, amüsant und besonders!

What to say next
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"What to say next" ist eine Neuauflage von Julie Buxbaums gleichnamigem Originalroman, welcher 2018 schonmal in Deutschland unter dem Titel "Mein Herz in allen Einzelteilen" erschienen ist. Obwohl ich ...

"What to say next" ist eine Neuauflage von Julie Buxbaums gleichnamigem Originalroman, welcher 2018 schonmal in Deutschland unter dem Titel "Mein Herz in allen Einzelteilen" erschienen ist. Obwohl ich die Geschichte noch nirgends gesehen habe, hat der Klapptext gleich beim ersten Lesen etwas in mir zum Schwingen gebracht, sodass ich den Roman kurzerhand angefragt habe. Und tatsächlich: dieser wundervolle Roman über Stärke, Außenseiter, Besonderssein, Mut und Liebe ist einfach wunderschön zu lesen, sodass mir mit Kits und Davids Geschichte ein überraschendes, unerwartetes, aber umwerfendes Monatshighlight geschenkt wurde.


David: "Jetzt passt dein Äußeres viel besser zu deinem Inneren, hat Kit vorhin gesagt, aber sie hat sich geirrt- Nein, jetzt ist mein wahres Inneres nach außen gekehrt und alle können es auseinandernehmen und darüber lachen. Ich bin wie ein überfahrenes Tier am Straßenrand. Ich werde angestarrt und jeder findet es spannend, aber essen will mich niemand. So wertvoll bin ich nicht"


Die Gestaltung der Neuauflage ist sehr nah am Originalcover gehalten, was mir wunderbar gefällt, da durch den türkisgrünen Hintergrund mit der abgedruckten Zahlenfolge der Zahl Pi und die beiden sich zugewandten Milchshakes Kits und Davids Annäherung auf spritzige, jugendliche und auch leicht nerdige Weise rübergebracht wird. Auch der Titel wurde dankenswerter Weise übernommen, was mir ebenfalls gut gefällt, da sich Kit nach dem Verlust ihres Vaters genau aus diesem Grund an den stillen David wendet: sie muss sich keine Gedanken darüber machen, was sie als nächstes zu ihm sagen soll...


Erster Satz: "Ein Wunder ist geschehen: Kit Lowell hat sich gerade in der Schulkantine zu mir gesetzt."


Die Geschichte hatte mich schon beim ersten Satz. Julie Buxbaum entwickelt hier in 40 kurzen Kapiteln eine Mischung aus Highschool-Komödie, Coming-of-Age-Drama und Liebesgeschichte. Dadurch, dass sie abwechselnd aus der Sicht von David und Kit erzählt, kann sie geschickt mit der Fremd- und Eigenperspektive der Figuren spielen und gleich zwei schwere Themen ansprechen, ohne dass Gefühle zu kurz kommen. Während Kit erst kürzlich bei einem Autounfall ihren Vater verloren hat und stark mit seiner Abwesenheit, Trauer, Schuld, Wut und Orientierungslosigkeit zu kämpfen hat und sich zwischen all diesen Gefühlen von ihrem Freundinnen entfremdet und selbst verloren hat, lernen wir mit David einen Teenager aus dem Autismus Spektrum kennen. Mit einem überdurchschnittlichen IQ, der Fixation auf kleine Details, Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Umgang und entwaffnend ehrlicher Kommunikation würde er nach der alten Definition als Asperger-Autist gelten, kann sich selbst mit diesem Label aber nicht besonders gut identifizieren.


David: "Meine Mom meint, mein Dad und ich wären uns sehr ähnlich, was mir Anlass zum Optimismus gibt. Wenn er jemanden wie meine Mutter dazu bringen konnte ihn zu lieben - jemanden, der allgemein als supernett und wunderbar klingt -, und nicht nur zu lieben, sondern ihn so sehr zu lieben, dass sie den Rest des Lebens mit ihm verbringen will, dann gibt es vielleicht auch für mich noch Hoffnung."


Fakt ist, dass wir David durch seinen Alltag begleiten, der dank seiner speziellen Weltsicht einige Fallstricke birgt und - mal lustig, mal tragisch, aber immer wahnsinnig einfühlsam dargestellt - beobachten können, wie er versucht, sich durch planerische Kniffe, die Nicht-zu-trauen-Liste seiner großen Schwester, in einem Notizbuch gesammelte Informationen über seine Mitschüler und die Hilfe seines Gitarrenlehrers halbwegs unbeschadet durch den High-School-Dschungel zu manövrieren. Ganz schön durcheinander gewirbelt wird seine Routine, als sich plötzlich die schöne und beliebte Kit an seinen Tisch beim Mittagessen setzt und ihm die Möglichkeit auf Anschluss, Freundschaft und vielleicht auch mehr bietet...


Kit: "Bei ihnen scheint angekommen zu sein, dass die Welt groß und vielfältig ist, und dass anders sein nichts Angsteinflößendes ist. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie viele Leute das nicht begreifen."


Über die Zeit entwickelt sich die anfängliche Charaktervorstellung zu einer süßen, unterhaltsamen Lovestory, die trotz der vielen klischeehaften Stellen überraschend viel Tiefe aufweist. Zwar hatte Julie Buxbaum mit dem "beliebtes Mädchen freundet sich nach einem Schicksalsschlag mit einem Außenseiter an und bald schon flattern die Schmetterlinge"-Konzept nicht gerade eine neue Grundidee und auch typische High-School-Cliquen oder das obligatorische Makeover, nach dem alle bemerken, dass der unscheinbare Nerd doch ein Hottie ist, erinnern an bekannte Highschool-Filme wie "He´s all that" oder "She´s all that". Dennoch erscheint "What to say next" besonders und sticht dadurch hervor, wie viel Herz die Autorin ihren Figuren verleiht.


David: "Ich dachte immer, Einsamkeit wäre, immer nur die eine Stimme im Kopf zu hören. Aber das war falsch. Einsamkeit ist, auch die Stimmen aller anderen zu hören, die nur immer wieder das eine Wort wiederholen: Stirb, stirb, stirb."


Besonders David ist mir über die 368 Seiten wahnsinnig ans Herz gewachsen. Ich habe selten von einem so anbetungswürdigen Young Adult Protagonisten gelesen, den ich am liebsten ganz fest in den Arm genommen und vor der ganzen Welt beschützt hätte. Mit all seinen Eigenheiten ist er kein besonders leichter oder nach der üblichen Definition attraktiver Protagonist, mit seiner wachen Intelligenz, seinem besonderen Blick auf die Welt und der naiven Verletzlichkeit, die er ausstrahlt, muss man ihn aber einfach lieben. Auch Kit ist als Halbinderin, die neben der Trauer um ihren Vater mit dem Schönheitsideal ihrer Mutter zu kämpfen hat und genervt von der Oberflächlichkeit der Highschool ist, eine für einen Young-Adult-Roman sehr komplexe, reflektierte und diverse Figur. Ganz mit David mithalten konnte sie für mich aber nicht, gerade auch weil seine Abschnitte für mich einfach einen besonderen Reiz hatten.


David: "Mein Notizbuch zu lesen, ist wie meinen Kopf zu öffnen und der unverständigen Welt alles offenzulegen, was keinen Sinn ergibt. Alles, was mich zum Freak, Geistesgestörten oder Loser macht, oder was für Worte sie mir auch immer entgegenschleudern. Alles, was mich anders sein lässt. Alles, was mich mich sein lässt."


Neben den Figuren ist vor allem der allgegenwärtige Witz des Schreibstils, der es schafft, die tragischen Inhalte rund um den Verlust von Kits Vater, Mobbing oder die Grausamkeit von Teenagern gegenüber denen, die aus dem Raster fallen, auszugleichen. Die Autorin findet hier ganz wunderbar eine Balance zwischen Ernst und Humor, sodass die Wichtigkeit der angesprochenen Themen nicht verloren geht, sich die jugendlichen Figuren aber nie selbst zu ernst nehmen. Zusätzlich aufgelockert wird die Erzählung außerdem durch eingeschobene Listen, Emails, Briefe oder Aufzählungen, oft mit humoristischem Inhalt. So ist die Geschichte trotz einiger hochemotionaler Szenen, bei denen einem die Spucke wegbleibt, ein absolutes Wohlfühlbuch, das sich wie eine warme Decke übers Herz legt und in dem man sich am liebsten häuslich einrichten würde. Ich hätte also gerne noch ewig weiter über die beiden lesen können, war aber auch sehr zufrieden, als das Ende gekommen ist, denn Julie Buxbaum ist es hier gelungen, ihren Abschluss offen, aber rund und einfach perfekt zu gestalten, sodass sie unbedingt auf die Liste der AutorInnen gerutscht ist, von denen ich dringend Nachschub brauche!


David: "Was sollen wir bloß mit dir machen?", fragt sie, und mein Magen zieht sich zusammen. In der neunten Klasse fan dich mich alle zwei Wochen bei der Direktorin, Ms Hodge, wieder, weil irgendetwas mit mir schiefgelaufen war, und sie hat mir diese Frage, die idiomatisch und rhetorisch zugleich zu verstehen ist, immer wieder gestellt: Was sollen wir bloß mit dir machen? Als wäre ich ein Gruppenprojekt. Wenigstens dieses eine Mal könnte die Antwort doch sein: nichts. Wenigstens dieses einmal Mal könnte die Antwort doch sein: Du bist genau richtig so. Wenigstens dieses eine Mal könnte die Frage doch überhaupt nicht gestellt worden sein."




Fazit:


"What to say next" ist eine Mischung aus Highschool-Komödie, Coming-of-Age-Drama und Liebesgeschichte, die das Rad nicht neu erfindet, aber durch die Figuren charmant, den Schreibstil amüsant und die Einfühlsamkeit der Themen besonders wirkt. Ganz klare Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
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Veröffentlicht am 03.09.2021

Ein kraftvoller, lebendiger und wütender Jugendroman!

Poet X
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Handlung: Der Debütroman von US-Poetry-Slammerin Elizabeth Acevedo stand viel zu lange auf meiner Wunschliste, bis ich es auf einem Schnäppchenmarkt beim ersten Blickkontakt adoptiert habe (Übersetzung: ...

Handlung: Der Debütroman von US-Poetry-Slammerin Elizabeth Acevedo stand viel zu lange auf meiner Wunschliste, bis ich es auf einem Schnäppchenmarkt beim ersten Blickkontakt adoptiert habe (Übersetzung: ich habe mich ganz asozial draufgestürzt, als ich es zwischen ein paar Kinderbüchern entdecket habe und kann nicht garantieren, dass umstehende potentielle Konkurrenten keinen Rempler bekommen haben - aber was tut man nicht alles für günstige Bücher, muhahaha). Als ich "Poet X" dann gelesen habe, konnte ich kaum glauben, was mir die ganze Zeit über entgegen ist. Denn Elizabeth Acevedo erzählt hier kraftvoll, lebendig und wütend von Rassismus, Religion, Sexualität, Erwachsenwerden, erster Liebe, Freundschaft, Familie und dem Finden der eigenen Stimme. Aus der Ich-Perspektive geschrieben sind wir dabei sehr nah an unserer Protagonistin und begleiten sie durch ihren Alltag - die Schule, den Kommunionsunterricht, das Familienleben - und auch durch diverse Konflikte und Abgründe, die sich auftun, als sie beginnt, für das zu kämpfen, was sie ist: eine Poetin.

Schreibstil: Betrachtet man nur die sich hier abzeichnende Handlung und die Themen, hätte Elizabeth Acevedo also auch einen durchschnittlichen Coming-of-Age-Roman erzählen können, in dem die Protagonisten wie viele Leidensgenossen ihres Alters nach Freiheit und Selbstverwirklichung streben. Wodurch sich "Poet X" von anderen Jugendromanen abhebt, ist die Erzählweise. Die Autorin erzählt Xiomaras Geschichte in Form von 240 kurzen Gedichten, die eingeteilt in drei größere Abschnitte fließend ineinander übergehen. Dabei variieren Form, Stil, Anordnung auf der Seite und teilweise auch die Sprache - der grundsätzliche Erzählton bleibt jedoch gleich und die Energie, Wut und Vitalität, die von den wenigen Zeilen ausgeht, haben mich laufend beeindruckt. Man muss sich zwar erstmal auf das ungewöhnliche Format einlassen, das nicht ausführliche Erzählung, nicht gereimtes Gedicht, nicht vorgetragener Slam, sondern irgendetwas dazwischen ist, doch wenn man das tut, treffen die Worte direkt ins Herz. Dabei ist anzumerken, dass die Übersetzung durch die deutsche Poetry-Slammerin Leticia Wahl wirklich außerordentlich gut gelungen ist, ich kann mir aber vorstellen, dass das Buch in Originalsprache nochmal deutlich mehr Kraft entfaltet.

Figuren: Hervorsticht vor allem die Hauptfigur Xiomara, deren Name "eine, die zum Kämpfen bereit ist" bedeutet und die mit ihren knapp 16 Jahren auch schon eine Menge kämpfen musste. Sie schwingt nicht nur auf den Straßen von New York für ihren zarten, nerdigen Zwillingsbruder regelmäßig die Fäuste und muss sich gegen sexualisierte Übergriffe wehren, seit sie eine üppige Figur bekommen hat, sondern steht auch im Konflikt zur strengen religiösen Erziehung ihrer Mutter, die aus dem Wildfang am liebsten eine Nonne machen würde. Aus der dominikanischen Republik stammend ist sie eine dunkelhäutige Latina und entspricht damit ganz und gar nicht der durchschnittlichen YA-Protagonistin. Und genau das war es, was Elizabeth Acevedo nach eigenen Angaben dazu gebracht hat, diese Geschichte zu schreiben: als eine Schülerin zu ihr sagte "keines dieser Bücher handelt von uns. Wo sind die Bücher über uns?" und damit anprangerte, dass auch in Büchern die Sichtbarkeit von farbigen Menschen viel zu gering ist.



Die Zitate:


"Vielleicht ist es das, was Freundschaft ausmacht.
Man hilft sich täglich gegenseitig,
die beste Version seiner selbst zu sein,
schafft einen Ort, eine Zuflucht, ein Zuhause,
wenn man es woanders verloren hat."

“Hoffnung ist das Ding mit Federn.
Und auch wenn ich zweifele, dringt sie doch flatternd in die Ecken meines Körpers“

"Sein Grinsen wirkt auf einmal traurig,
und ich denke an all die Dinge, die wir sein könnten,
wenn uns niemand sagte, unsere Körper seien dafür nicht gemacht."

"Mein Herz ist eine Hand,
die sich langsam
zu einer Faust ballt.
Es ist eine schrumpfende Rosine.
Gekrümmte Finger,
die keine andere Hand finden,
die sie hält.
Bis sie merken,
sie schneiden sich
ins eigene Fleisch."

"Wäre mein Körper eine Flasche Mineralwasser,
dann eine, die kräftigt geschüttelt wurde,
die jeden Moment explodieren kann
und die ganze Welt
schwallartig überrascht."

"Es war nur ein Gedicht, Xiomara", denke ich.
Doch es fühlt sich an
wie ein Geschenk."




Fazit
:

Ein kraftvoller, lebendiger und wütender Jugendroman, der mit einer kämpferischen Protagonistin, wichtigen Themen und einer poetischen Erzählweise besticht. Zwar muss man sich auf das ungewöhnliche Format erstmal einlassen, das nicht ausführliche Erzählung, nicht gereimtes Gedicht, nicht vorgetragener Slam, sondern irgendetwas dazwischen ist, doch wenn man das tut, treffen die Worte direkt ins Herz.

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