Joe Goldberg ist ein durch und durch kranker Typ. Wer die ersten zwei Bände gelesen und/oder die Serie zur Reihe gesehen hat, kann das wahrscheinlich (hoffentlich!) nur bestätigen, aber versteht vielleicht auch die Faszination, die er beim Leser auslöst. Eben weil Joe so ein unberechenbarer und gefährlicher Kerl ist, ist es mehr als spannend, in seinen verdrehten Kopf hineinschauen, seine Gedankengänge verfolgen und Teil seiner Geschichte sein zu können. Er hat irgendwas, was ihn unter all den ekelhaften und psychopathischen Zügen beinahe sympathisch macht, was den Leser dazu bringt, ihm zu wünschen, dass er dieses Mal sein Glück findet. Auf ehrliche und anständige Art und Weise.
Aber eben weil man die Vorgängerbände kennt, weiß man eigentlich, dass das alles nur Wunschdenken bleiben wird. Seien wir ehrlich, kann ein Typ wie Joe Goldberg sich überhaupt ändern? Jemand, der so verdreht denkt und so fest in seiner eigenen Logik und fehlerhaften Moral festgefahren ist, der wird wohl nie richtig von falsch unterscheiden können. Aber ich wäre auch stark überrascht gewesen, hätten wir nun einen komplett anderen Joe präsentiert bekommen.
Was mir dieses Mal zunächst ein wenig holprig vorkam, war die Schreibweise. Man kennt es zwar schon, dass Joe seine Angebetete/sein Opfer direkt im Text mit „du“ adressiert, aber Band 2 ist bereits eine Weile her für mich, sodass ich mich erst wieder eingewöhnen musste. Ich kam besonders am Anfang nur quälend langsam voran, was mich extrem frustriert und auch immer wieder die Lust an der Geschichte verdorben hat. Mit der Zeit wurde es besser, und schließlich ist genau diese Schreibweise ja auch eines der Dinge, die die Reihe besonders machen.
Zu sehen, wie Joe versucht auf „normalem Wege“ eine Frau zu erobern, war zugegebenermaßen sehr amüsant. Wie stolz er beispielsweise auf sich ist, nur weil er jemanden nicht gestalked hat, und wie er Schlupflöcher findet, um es trotzdem zu tun, wie er Fakten verdreht und überinterpretiert und dabei dennoch denkt, er macht was anders als sonst immer, das war alles zu 100% Joe. Schräg und krank, und dennoch spannend. Oder gerade deshalb spannend.
Ich denke, ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass ich fast etwas erleichtert war, den Mann im Laufe der Zeit in alte Verhaltensmuster zurückfallen zu sehen.
Was mir allerdings negativ aufgefallen ist, ist die Übersetzung. Teils haben einige Dinge übersetzt gar keinen Sinn ergeben, meist Redewendungen oder Wortspiele, die auf englisch zwar clever gewesen wären, wörtlich übersetzt aber Schwachsinn sind. Oder anders herum gab es manche Ausdrücke, mit denen ich so gar nichts anfangen konnte, die aus dem Original übernommen wurden. Zudem wird häufig ein Grundverständnis amerikanischer Läden oder Gewohnheiten vorausgesetzt, so selbstverständlich wie mit denen umhergeworfen wird. An der Stelle hätte man vielleicht in einem Halbsatz noch eine Erklärung einbauen können hier und da, denn es ist in meinen Augen nicht der Sinn der Sache, dass der Leser ständig googeln muss, worum es gerade geht.
Allerdings haben diese lückenhaften Beschreibungen und unpassenden Ausdrücke auch irgendwie zu Joes verworrenem Erzählstil gepasst, was nichts daran ändert, dass ich es stellenweise etwas unverständlich fand.
Mein Fazit:
Für richtige Fans der Reihe wird sicherlich auch Band 3 ein weiterer Volltreffer sein, für mich jedoch gab es ein paar Ungereimtheiten. Joe wiederzusehen war spannend und die Grundzüge der Geschichte konnten mich überzeugen. Die Umsetzung des Ganzen allerdings schien mir dieses Mal nicht ganz so ausgefeilt wie bei den Vorgängern und auch sprachlich gab es Stolperfallen, wie ich schon angemerkt hatte vermutlich übersetzungsbedingt. Insgesamt überwiegen aber erstaunlicherweise trotz allem meine positiven Gedanken dem Buch gegenüber und so vergebe ich 3,5 und gerundet dann 4 von 5 Sternen.