Starke Geschichte zum Miträtseln mit spannenden Momenten und einer dermaßen konstruierten Auflösung, dass ich kurz echt unzufrieden war
ShelterAuf einer Party entwickeln Benny und seine Freund:innen diese abstruse Idee. Sie spinnen sich eine völlig absurde Verschwörungstheorie zusammen, die sie in die Welt setzen wollen. Sie gehen dabei sehr ...
Auf einer Party entwickeln Benny und seine Freund:innen diese abstruse Idee. Sie spinnen sich eine völlig absurde Verschwörungstheorie zusammen, die sie in die Welt setzen wollen. Sie gehen dabei sehr effektiv und nach einem gut durchdachten Plan vor und ihre Arbeit trägt schon sehr bald Früchte. Die Verschwörung macht die Runde, es finden sich Anhänger:innen und sie entwickelt so langsam ein Eigenleben, das eine gefährliche Richtung einschlägt. Das alles scheint der Gruppe langsam zu entgleiten und plötzlich sind sie selbst Ziel und Opfer der Verschwörungstheorie.
Die Prämisse, die dem Buch zugrunde liegt, ist so spannend!! Was die Gruppe da ins Rollen gebracht hat, ist echt interessant und ich war gespannt, wie sich die Geschichte entwickeln würde. Völlig unreflektiert und ohne wirklich über die Konsequenzen nachzudenken, die eben auch einfach nicht ganz absehbar waren, setzen sie eine Idee in die Welt, die sich langsam in den Köpfen einiger weniger Menschen festsetzt. Aber einige wenige reichen eben oft schon aus, damit die Welt brennt…
Der Verlauf der Geschichte erinnerte mich ein wenig an die Welle. Ein Experiment, dass irgendwie plötzlich total ernst und dann zum Selbstläufer wird. Aber natürlich ganz anders und neu.
Die Charaktere und die Dynamik innerhalb der Gruppe fand ich sehr authentisch und realitätsnah. Allgemein, wie die Geschichte verlief, wie die Verschwörung sich verbreitete, wie in den Sozialen Medien, aber auch außerhalb darauf reagiert wurde. Das hätte alles genauso in Wirklichkeit passieren können. Ist es vermutlich auch schon – da hat die Autorin auch einfach gut recherchiert. Als ein weiterer Charakter plötzlich auftauchte und die Handlung ganz schön aufmischte, wurde es richtig spannend.
Durch den ansteigenden Verfolgungswahn in Kombination mit der Tatsächlichen Bedrohung bekam das Buch eine teilweise schwer auszuhaltende Spannung :D Ich musste mehrmals die Luft anhalten, weil wieder irgendwer irgendwo auftaucht und wieder war da jemand, dem man nicht trauen kann. Was ist Zufall und Paranoia und was ist die wirkliche Gefahr?
Die Autorin hat viele (falsche) Fährten gelegt, hat uns als Lesende miträtseln und mitfiebern lassen. Das hat so viel Spaß gemacht. Die Dynamik veränderte sich immer wieder. Es kamen neue Spielfiguren und Hinweise dazu, andere wurden widerlegt, ich war regelrecht außer Atem und absolut in der Geschichte gefangen. Auf die Auflösung war ich dermaßen gespannt.
Tja. Und dann kam die Auflösung. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie enttäuscht ich war. All das Rumrätseln, all die Hinweise und Verknüpfungen, die ich mir in meinem Kopf zusammengesponnen habe, verrauchen einfach so für eine Erklärung, auf die niemals irgendwer hätte kommen können, weil sie absolut an den Haaren herbeigezogen ist. Wie sich alles andere dann noch entwickelt hat, hat mich ehrlich gesagt kaum noch interessiert. Ich war einfach echt enttäuscht.
Die Enttäuschung kam natürlich von der extrem hohen Begeisterung, die ich bis dahin verspürt hatte. Aber ich kann mir nicht helfen. Das hat mir beinah das ganze Lesevergnügen vermasselt.
Außerdem fand ich es auch ein bisschen übertrieben, wie in diesem Buch über Menschen geurteilt wurde, die beispielsweise der Esoterik anhängig sind oder eben über andere Andersdenkende. Die Botschaft find ich schon auch richtig, aber ein bisschen differenzierte hätte man die Sache schon angehen dürfen. Einfach davon auszugehen, dass eine bestimmte Gruppe von Menschen eben super leichtgläubig und irgendwie bescheuert ist, das ist nicht fair und auch einfach nicht wahr. Ich könnte mir vorstellen, dass sich einige Personen beim Lesen vielleicht angegriffen fühlen könnten.
Insgesamt war ich vom Großteil des Buches absolut begeistert. Das Ende war nur sehr ernüchternd und ich habe das Buch mit keinem guten Gefühl zugeklappt. Deswegen schwanke ich zwischen 3 und 4 Sternen.