Coming-of-Age in den 70er - Irre witzig und einfühlsam!
"Aber bei mir war ein Schalter umgelegt worden. Das passierte neuerdings dauernd. Und das, was mir eben noch egal gewesen war, war von einem Moment auf den anderen nicht mehr auszuhalten." (S. 112) Hier ...
"Aber bei mir war ein Schalter umgelegt worden. Das passierte neuerdings dauernd. Und das, was mir eben noch egal gewesen war, war von einem Moment auf den anderen nicht mehr auszuhalten." (S. 112) Hier geht es übrigens um den Friseurbesuch bei Herrn Huhloh. Die Aussage trifft aber auf die Gesamtsituation des Protagonisten zu:
Mitte der 70er Jahre in Deutschland trifft es Morten "Motte" Schumacher so unvorbereitet wie so viele 15-Jährige: die Pubertät rollt an, saugt das Gehirn weg und macht aus ehemals lieben Kinderlein, stumme und ständig flüchtende oder zumindest geistig komplett abwesende Personen. Motte erwischt es mit voller Wucht, die Eltern trennen sich gerade, ein Umzug steht an, sein bester Kumpel Bogi erkrankt schwer und dann verliebt er sich auch noch. Wären da nicht Walki, Jan, Frau Standfuss und ein gewisses Mädchen, wäre Motte am Ende.
Ich habe lange nicht mehr so gelacht. Das Buch hat mich total abgeholt, es ist voller Post-its. Matthias Brandt (ja, der Schauspieler) schreibt für mein Empfinden großartig aus der Sicht des verzweifelten Motte, der mit seinen Gefühlen nicht weiß wohin. Da wurden Erinnerungen an die späten 70er wach und das war so klasse. Es kann vielleicht nicht mehr jede*r was mit "Der 7. Sinn" in Verbindung mit Dummies anfangen oder weiß wer Heinz Schenk war, ohne es zu googeln, egal. Den Kindern der 70er wird es irre Spaß machen, diese Zeitreise zu lesen und vielen anderen auch.
Matthias Brandt schreibt unglaublich flott und seine "Jugendsprache" klingt keineswegs aufgesetzt, sondern trifft immer den Punkt. Dialoge und Gedanken sind direkt, ungeschminkt, politisch nicht korrekt und voller Humor. Er haucht den Charakteren Leben ein, so dass man die Lehrer (Herr Kragler!!!) und alle anderen Personen, die Mottes Weg kreuzen, direkt vor sich sieht.
Motte läßt uns fast ein Jahr an seinem Leben teilhaben, ganz dicht und wir hassen, wen er hasst und wir leiden mit ihm und fühlen mit ihm, wenn er nicht weiß, wie er sich seinem kranken Freund Bogi gegenüber verhalten soll.
Mich hat das Buch unheimlich gut unterhalten und ich habe mich selbst in einigen Szenen wiedergefunden und werden auch versuchen, meinen pubertierenden Sohn nicht mehr so oft zu nerven! Eine absolute Leseempfehlung und fünf Sterne. ("Der haut total rein, der Blackbirdfielder." S. 8)