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Veröffentlicht am 18.02.2022

Literarischer Foodporn?

Butter
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In dem Roman „Butter“ geht es um die Journalistin Rika aus Tokio, die Manako Kajii im Gefängnis besucht, um einen Artikel über sie zu schreiben. Manako Kajii steht in Verdacht, ihre zahlreichen Liebhaber ...

In dem Roman „Butter“ geht es um die Journalistin Rika aus Tokio, die Manako Kajii im Gefängnis besucht, um einen Artikel über sie zu schreiben. Manako Kajii steht in Verdacht, ihre zahlreichen Liebhaber nicht nur mit köstlichen Speisen verwöhnt, sondern auch umgebracht zu haben.

„Diese Frau nutzte die Lücke im Herzen ihrer Opfer, die alle ein sehr einsames Leben führten.“

Rika möchte nicht nur dem ungewöhnlichen Fall und seiner Popularität auf den Grund gehen, sondern erhofft sich auch Wandlung für ihr festgefahrenes Leben. Über die Anschuldigungen will Manako Kajii in der Interviews allerdings nicht reden, sondern über ihre Kochkunst. Rika lässt sich darauf ein, obwohl sie sich nicht für Rezepte interessiert. Bei den Treffen im Gefängnis gibt die Inhaftierte den Ton an; sie hasse nichts mehr als Margarine und Diäten, was Rika verunsichert. Butter ist für Manako Kajii der Inbegriff der Köstlichkeit. Für die Recherche kauft sich Rika daraufhin Butter, beginnt für ihre Interviewpartnerin das zu tun, was sie nicht mehr kann, um ihre Beweggründe zu verstehen. Sie isst wie sie, und gerät immer mehr in den manipulativen Strudel der Anziehungskraft von Manako Kajii.

„Es gibt etwas, das jede Frau von Manako Kajii lernen kann. Solange sie sanftmütig ist und gut kochen kann, wird sich jeder in sie verlieben."

Immer wieder eine Rolle spielt die Bilderbuchgeschichte „Der kleine schwarze Sambo“, die 1928 von der schottischen Autorin Helene Bannerman veröffentlicht wurde. In diesem skurrilen Buch geht es um einen indischen Jungen und vier hungrige Tiger, die sich in Butter verwandeln und zu Pfannkuchen verarbeitet werden.

In dem Roman gibt es um den Verfall traditioneller Esskultur, die Leidenschaft für Milchprodukte, Frauenfeindlichkeit, die Verarbeitung von Traumata, Freundschaft und Selbstfindung. Die wichtigste Botschaft lautet jedoch: Frauen sollen sich selbst akzeptieren können, wie sie sind und Wertschätzung dafür erhalten. An Gewicht zuzunehmen, ist in Japan ein Indiz dafür, dass man sich gehen lässt. Auch Rika muss sich einige Bosheiten gefallen lassen, obwohl sie vorher ungesund dünn war und sich mit ihrem neuen Gewicht wohlfühlt.

Bildhaft und einnehmend schreibt die Japanerin Asako Yuzuki über Essen. Vom Einkaufen, über die Zubereitung bis zur Nahrungsaufnahme, ziehen einen ihre Beschreibungen über Geschmack, Konsistenz, Aussehen und Geruch in den Bann. Sie stellt die Sinnesfreunden und den Genuss in den Vordergrund und setzt die Entscheidung, nur zu essen, was einem schmeckt, mit Freiheit und Selbstbewusstsein gleich. Der Drang nach neuen Geschmackserlebnissen steht weit über ausgewogener Ernährung. Kochen ist keine Frage der eigenen Fähigkeiten, sondern der Prioritätssetzung und Sinnhaftigkeit. Auch der Austausch über Rezepte und Geschmackserlebnisse ist für die Autorin ein freudvoller Aspekt der Esskultur.

„Ihre liebevolle Zubereitung und ihr Duft waren wie eine zärtliche Umarmung (…) und die saisonalen Zutaten hatten ihr Kraft für den nächsten Tag gegeben.“

Streckenweise fiel es mir schwer, am Ball zu bleiben. Die Handlung dümpelt dialogreich vor sich hin. Es gibt nur kleine Momente der Spannung, die sich wieder verflüchtigen. Ins Essen fließt die ganze Leidenschaft der Autorin - und hier liegt die Stärke des Romans. Die Einblicke in die japanische Kultur sind bereichernd gewesen und einige Abschnitte waren besonders unterhaltsam. Die Entwicklung von Rika ist bemerkenswert. Sie gewinnt an Selbstbewusstsein und beginnt, ihre Vergangenheit zu verarbeiten. Mir hat auch das Ende gut gefallen, die verhaltenen Beziehungen der Figuren, der kluge Schreibstil und der tiefsinnige Kontext, der das Buch lesenswert macht.

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Veröffentlicht am 19.01.2022

Übernatürlicher Horrorthriller beschert Gänsehaut

Red Hands – Tödliche Berührung
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Der Thriller beginnt mit einem dramatischen Ereignis: am 4. Juli rast ein Mann in eine Parade, steigt aus und tötet weitere Menschen durch die bloße Berührung seiner Hände. Die junge Maeve ist mit ihrer ...

Der Thriller beginnt mit einem dramatischen Ereignis: am 4. Juli rast ein Mann in eine Parade, steigt aus und tötet weitere Menschen durch die bloße Berührung seiner Hände. Die junge Maeve ist mit ihrer Familie bei der Parade und kann dem Tod zwar entkommen, aber in ihr breitet sich die Infektion aus. Völlig traumatisiert flüchtet die junge Frau in den Wald. Einen Wald, den sie seit ihrer Kindheit bestens kennt. Videos der Tragödie gehen viral und bald wird aus ganz unterschiedlichen Motiven jagt auf Maeve gemacht. Ein spannendes Ausgangszenario, das fortan aus mehreren Blickwinkeln die dramatische Flucht und die erbarmungslose Jagt schildert. „Projekt Red Hands“ wird ins Leben gerufen und Dr. Walker soll Maeve finden und beschützen. Er ist die zentrale Figur, der Held - gezeichnet von Schuld, Wehmut und Tugenden, die ihn die richtigen Entscheidungen treffen lassen - bis zum packenden Showdown.

Als ich das Buch gelesen habe, wusste ich gar nicht, dass es sich um einen dritten Band einer Reihe handelt, was natürlich die Rolle von Dr. Walker und die Anspielungen auf seine Vergangenheit erklärt. Der Autor Rue Crooker gewährt emotionale Einblicke in die Welt der Figuren und Angehörigen, ihrer Trauer und Angst und die Frage: Wie kann es sein, dass ein Erreger einen Wirt in Sekundenschnelle tötet? Szenen, die Gänsehaut verursachen, immer skurriler und übernatürlicher werden, lassen einen fassungslos mitfiebern. Es gibt einige Parallelen zur aktuellen Pandemie, in der wir uns befinden. Das macht die Geschichte allerdings noch intensiver und zielt nicht auf einen Bezug zur Realität ab. Es ist vielmehr faszinierend, wie Rue Crooker auf kreative Weise eine aktuelle Idee nimmt, verzerrt und so schaurig umgesetzt, das viele Elemente vereint, einen fiktionalen Horrorthriller ergeben. Ein paar Schwachpunkte gibt es bei den Figuren: diese wirken mitunter wie Statisten und das Ende wird dramatisch auf wenigen Seite abgehandelt, indem wieder Walkers emotionale Seite zum Tragen kommt.

Fazit: Ein hoher Gruselfaktor, einfühlsame Darstellungen und ein absolut tödlicher Virus ergeben eine packende Handlung, die rasant an Spannung zunimmt, während auch übernatürliche Elemente für Nervenkitzel sorgen. Gute Unterhaltung für schnelle Horrorkost.

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Veröffentlicht am 09.01.2022

Leidenschaftliches Plädoyer einer Außenseiterin

Misfits
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„Ich merke, dass ich nur im Schmerz, in der Dunkelheit, ausharre. Wie lange, frage ich mich, bin ich es schon gewohnt, mit einem Lächeln im Gesicht vom Grauen zu berichten, im Licht zu stehen und Geschichten ...

„Ich merke, dass ich nur im Schmerz, in der Dunkelheit, ausharre. Wie lange, frage ich mich, bin ich es schon gewohnt, mit einem Lächeln im Gesicht vom Grauen zu berichten, im Licht zu stehen und Geschichten der Dunkelheit zu erzählen?“ (S. 32)

Mit ihrem Debüt als Autorin verschriftlichte Michaela Coel ihre Rede, die sie 2018 beim Edinburgh TV Festival gehalten hatte, eingebetet in eine Einleitung und einen Epilog, und veröffentlicht nun dieses aufrüttelnde Manifest für alle Außenseiter (engl. Misfits). Der Text fließt dahin und nimmt mit, auf eine kurzweilige Reise in das bisherige Leben der Autorin. Michaela Coel beschreibt auf wenigen Seiten chronologisch ihre Kindheit, ihre Jugend und ihre berufliche Laufbahn - alles geprägt von unzähligen Widrigkeiten: Mobbing, Rassismus, Sexismus - bis heute, wo Coel weltweit als ausgezeichnete Schauspielerin und Drehbuchautorin bekannt ist. Sie berichtet schonungslos von sehr persönlichen und traumatischen Erfahrungen in der Medienbranche, ohne sich als Opfer darzustellen oder in Details zu verlieren. Als Leserin war ich beeindruckt von ihrer radikalen Ehrlichkeit und Stärke, mutig ihre Erfahrungen so transparent zu teilen. Mir gefällt zudem die Idee des Buches und die elegant luftige Aufmachung: fett-gedruckte zitierfähige Sätze auf einer Seite, die sich schnell wiederfinden lassen, viele Absätze und die illustrierte Motte bzw. der Totenkopfschwärmer, als wiederkehrendes Symbol für Veränderung. Es bleibt auf den ersten Blick oberflächlich, liest sich dadurch aber schnell und trotzdem emotional und sprachlich originell. Wer sich Zeit nimmt, erkennt die tieferen Botschaften. Es fällt leicht, Coels Positionen nachzuempfinden und sich in ihren Anekdoten zu verlieren. Misfits kann daher als ermutigende Inspiration und heilende Kraft für das eigene Leben wirken und kann den Mut wecken, selbst Normen zu hinterfragen und das Wort zu ergreifen; und natürlich eigene Geschichten zu erzählen.

Perfekt für alle, die, statt einer langen Biographie, nach einer kurzweiligen persönlich, authentischen Inspiration mit kraftvollen Worten und aktuellen Themen suchen, ohne dabei zu sehr auf den Preis achten zu müssen. (Luftige 120 Seiten für 16,99 Euro)

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Veröffentlicht am 24.09.2021

Tragischer und anspruchsvoller Familienepos

Die letzten Romantiker
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Die Geschichte beginnt im Jahr 2079 mit der 102-jährigen Fiona, einer bekannten Dichterin, die eine Lesung zum Anlass nimmt, ihre Familiengeschichte zu erzählen. Fiona beginnt mit ihren Erinnerung im Sommer ...

Die Geschichte beginnt im Jahr 2079 mit der 102-jährigen Fiona, einer bekannten Dichterin, die eine Lesung zum Anlass nimmt, ihre Familiengeschichte zu erzählen. Fiona beginnt mit ihren Erinnerung im Sommer 1981, als ihr Vater starb. Der erste Teil des Buches war wunderbar atmosphärisch geschildert. Es geht um die „Große Pause“, wie die vier Geschwister es nennen. Eine tiefgreifende Zeit, geprägt von den Depressionen der Mutter, in denen die Kinder eigenverantwortlich zurecht kommen müssen.

Die Liebe zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte: leidvolle Erfahrungen, denkwürdige Momente und die Vielfalt des Lebens. Still und berührend erzählt die Autorin Tara Conklin von Menschen und Orten, von den Beziehungen der Geschwister untereinander und großem Verantwortungsgefühl. Im Fokus steht der einzige Bruder der Schwestern und seine Liebe. Das Leben der erwachsenen Geschwister konnte mich sprachlich nicht so überzeugen, wie die atmosphärische Schilderung der Kindheit. Die Charaktere sind jedoch authentisch und nachvollziehbar dargestellt und die ergreifenden und tragischen Töne machen „Die letzten Romantiker“ außergewöhnlich.

Fazit: Ein tiefsinniger Roman, klug und vielschichtig geschrieben, mit viel Raum für Interpretation. Kein mitreißender Familienepos, der einen bleibenden Eindruck hinterlässt, aber eine einfühlsame Geschichte, die es wert ist, gelesen zu werden.

Veröffentlicht am 13.09.2021

Vielversprechender High Fantasy-Auftakt

Die Stadt ohne Wind
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In diesem imposanten High Fantasy-Auftakt geht es um die dreizehnjährige Arka und den neunzehnjährigen Magier-Minister Lastyanax, die eine Mission eint: sie suchen eine bestimmte Person, um Antworten zu ...

In diesem imposanten High Fantasy-Auftakt geht es um die dreizehnjährige Arka und den neunzehnjährigen Magier-Minister Lastyanax, die eine Mission eint: sie suchen eine bestimmte Person, um Antworten zu finden. Arka will ihren Vater finden - einen mächtigen Magier und Lastyanax den Mörder seines Mentors. Daraus entwickelt sich eine besondere Freundschaft, die es braucht, um die bevorstehenden Herausforderung gemeinsam zu bestehen.

Wer das beeindruckende Cover sieht, würde im Buchladen vermutlich sofort zu diesem Buch greifen, um herauszufinden, was sich dahinter verbirgt. Ich hätte mir gewünscht, es gäbe mehr dieser künstlerisch beeindruckenden Illustrationen im Innenteil.
Hinter dem Kunstwerk verbirgt sich eine vielschichtige und komplexe Fantasywelt, mit vielen Handlungssträngen, und unzähligen interessanten, aber auch eindimensionalen Figuren. Die Autorin Eleonore Devillepoix hat sich interessanterweise gegen Arka als Ich-Erzählerin entschieden und wechselt Abschnittsweise zwischen Arka und Lastyanax in der allwissenden Perspektive. Zu den beiden Hauptfiguren muss man erstmal einen Zugang aufbauen. Hat man den gefunden, fiebert man mit den tapferen Helden. Mir hat die ungewöhnliche Herangehensweisen gefallen, die mit vielem bricht, was man so kennt. Es war erfrischend, dass die Hauptfiguren ausnahmslos eine freundschaftliche Beziehung pflegen und die Autorin auf eine Romanze verzichtet hat. Die politische Zusammenhänge und magischen Ideen bilden ein spannendes Geflecht aus Möglichkeiten. Und vermutlich gefällt einem dieses Zusammenspiel oder man kann gar nichts damit anfangen. Es lohnt sich jedoch, das selbst herauszufinden.

Fazit: Eine originelle Coming-of-Age-Story, die alles enthält, was es braucht: Freundschaft, spannende Abenteuer, Humor, gespickt mit Verbrechen, Intrigen, Geheimnissen und finsterer Magie. Trotz einiger Längen und offenem Ende, eröffnet sich einem ein neues Lese-Universum . „Die Stadt ohne Wind“ ist interessant für alle Vielleser ab zwölf Jahren, die offen für etwas Neues sind, und vor dicken Wälzern nicht zurückschrecken.

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