Beschreibung
In der einstigen Kaiserstadt Ycena befindet sich ein dornenüberwucherter Palast, in dem der seit jahrhunderten schlafende Hofstaat darauf wartet, dass die Kaisertochter wachgeküsst wird und dadurch die dreizehn Königreiche wieder unter einem Kaiser, wie in alten glanzvollen Zeiten, vereint werden. In den Ruinen Ycenas scheint die Kraft der Dornenhecke zu schwinden und so beginnt ein Kampf um die Kaisertochter und gegen die Zeit.
Meine Meinung
Boris Koch setzt mit »Narrenkrone« seine fabelhafte Neuinterpretation des »Dornröschen«-Märchens fort, welches in »Dornenthron« seinen Anfang nahm und nun ein wunderbares Finale bereitet bekommt.
Im Vergleich zum Auftaktband, der aus mehreren Erzählsträngen zu einem Ganzen verwoben wurde, hat man nun das Gefühl eine homogenere Geschichte zu lesen, die sich zum einen in der Ruinenstadt Ycena zuträgt, wo sich einige Bekannte Charaktere tummeln, um aus unterschiedlichen Gründen sich die Reichtümer des Kaiserpalastes zu sichern oder die Machtergreifung durch ein neues Kaiserreich anstreben und nun an der undurchdringlichen Hecke, die erste Anzeichen der Schwäche erkennen lässt, aufeinanderstoßen.
Darunter befindet sich Ukalion, der Bastard des imperatorischen Königs, der sich angetrieben von Rachegelüsten unterirdisch vorkämpft, Levith und Parikles die für ein freies Leben kämpfen, in dem ihre Homosexualität nicht verurteilt wird, Anthia, die Schwester eines gehenkten Räuberhauptmanns, die der grausamen Herrschaft König Tibans, der zahlreiche Menschen opfert, um den Wettergott zu besänftigen und dessen Geschlecht seine Stärke durch die Ermordung von Einhörnern zum Ausdruck bringt, ein Ende bereiten will und die junge Perle, die sich mit ihrem jüngeren Bruder so viel Reichtum verschaffen will, dass sie niemandes Leibeigene mehr sein müssen.
Die märchenhafte Note mit Anklängen an althergebrachte Erzählungen, wie die der Gebrüder Grimm, hatte mich in »Dornenthron« unheimlich begeistert. In »Narrenkrone« beschreitet Boris Koch jedoch einen anderen Weg, der die Richtung einer modern anmutenden Fantasy-Saga mit dem Charakter einer Fabel einschlägt und sich zugegebener Maßen auch schon erahnen ließ. Daher hatte ich mir eigentlich erhofft, dass die polarisierenden Figuren (Ukalion, Levith und Anthia) mit mehr Tiefe aufwarten, sodass man sich ihnen näher fühlt. Allerdings bleibt die Geschichte in dieser Beziehung ihrem Märchencharakter treu. Die Kapitel haben durch die wenigen Ausschweifungen auch eine angenehme Länge und Boris Kochs Schreibstil lässt sich super lesen. Dennoch kommt Koch in seiner Fortsetzung nicht ganz an die magische Sogwirkung des ersten Bandes heran.
Mein Highlight in »Narrenkrone« ist definitiv Arlac, der Hofnarr von Lathiens König, dem in seiner Narretei nichts heilig ist und mit seinen derben Späßen zu unterhalten weiß. Geschickt deckt der Narr die starrsinnige Verbohrtheit Tibans auf und macht sich dessen Schwäche zunutze.
Das Finale von Boris Kochs moderner Märchen-Adaption konnte mich durch die vielen kleinen Botschaften und das wirklich geniale Ende für sich gewinnen. Allerdings gibt es in Bezug auf Tiefe der Figuren und ein paar kleinere Längen im Handlungsverlauf Abzüge in der B-Note. Vielleicht wäre es ein geschickterer Schachzug gewesen, die zwei Bände in einem Buch zusammenzufassen, sodass erst gar keine falschen Erwartungen geschürt werden.
Fazit
Die phantastische Märchen-Dilogie von Boris Koch erhält in »Narrenkrone« einen gelungenen Abschluss, der dem ersten Band jedoch nicht ganz das Wasser reichen kann. Ich liebe Märchen und Boris Koch hat ein solches in ein erfrischendes Fantasywerk verwandelt das mit fabelhaften Botschaften auftrumpft, sodass ich die Dilogie auf jeden Fall weiterempfehlen möchte.
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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 05.06.2021