Mystisch und doch wirklichkeitsnah
Junge mit schwarzem HahnHach, ich mag den Diogenes-Verlag…
Hach, ich mag den Diogenes-Verlag… <3 Nach dem Lesen dieses Romans sogar auch mal wieder noch ein bisschen mehr: „Der Junge mit schwarzem Hahn“ spielt in einer zwar unbezifferten, aber deutlich zurückliegenden Zeit: Man (über)lebt so vor sich hin, die Fürstin verlangt (immer höhere) Abgaben der Landbevölkerung, die Vorboten des Krieges überschatten das Land und überziehen es letztlich mit Dunkelheit und Tristesse, ein ominöser „schwarzer Reiter“ entführt immer wieder Kinder… und Martin ist bereits als Kleinkind mehr oder minder sich selbst überlassen worden, nachdem sein Vater eines Tages die restliche Familie erschlagen hat, bevor er sich selbst umbrachte. Sein einziger echter Freund ist der schwarze Hahn, der ihm von klein auf nicht von der Seite weicht, und als eines Tages ein Maler im Ort ankommt, um ein Altarbildnis anzufertigen, erwacht sowohl in Martin als auch dem Maler der Entschluss, dass Martin ihn mitsamt des Hahns fortan begleiten wird. In seinem Heimatort ist er doch eher geduldet, toleriert, aber nicht wirklich akzeptiert, nützlich, aber nicht unentbehrlich…
Ich hatte den „Jungen mit schwarzem Hahn“ unbedingt lesen wollen, nachdem ich in den Anfang des Romans hatte hineinschnuppern können, an dem sich der kleine Martin bereits als ziemliches Schlitzohr mit einer herausragenden Beobachtungsgabe entpuppt. In den meisten Geschichten werden Kinder, die ohne feste Bezugsperson und auf sich allein gestellt aufwachsen bzw. gemeinhin ignoriert werden, als „Wolfskinder“ dargestellt, die nicht wirklich menschlich interagieren können: Da ist die Figur des Martin nun völlig anders; er ist ein aufgeweckter, äußerst anpassungsfähiger Junge, der weiß, wie und wo er sich nützlich machen kann und häufig ohne groß nachzufragen einfach anpackt.
Häufig wird von der Heldenreise gesprochen; Martin erlebt eine, ohne dass zunächst eindeutig ist, welchem Zweck sein Fortgehen aus dem Dorf eigentlich dient bzw. dienen soll. Teils hat mich die Geschichte an Bemmanns „Stein und Flöte“ erinnert, mitunter wirkte sie ein wenig wie „Hans im Glück“ und ganz allgemein habe ich persönlich sie als eine Art düster angehauchtes Märchen für Erwachsene empfunden, welches dabei doch sehr realitätsverbunden, auch trotz des Hahns, der im Verlauf mehr als „bloß ein Haustier“ wurde, war.
Mir hat es sehr gut gefallen, auch wenn es mich irgendwann minimal irritierte, dass Martin nicht zu altern schien: So wurde auf der Reise so mancher wieder angetroffen und erwähnt, wie viel älter jener doch geworden war, aber Martin schien immer noch Kind geblieben zu sein. Andererseits war das aber auch ein schon fast typischer Aspekt für diese Erzählung und eben: wie im Märchen.
Im Nachgang findet sich noch ein kurzes Interview mit der Autorin bzgl. der Motive im Buch, was mir nur mehr klargemacht hat, dass „Junge mit schwarzem Hahn“ auch ein recht vielfältiges Interpretationspotential feilbietet; spannend, das Ganze im Nachhinein nochmals aus verschiedenen Blickwinkel zu resümieren. Definitiv ein Buch für alle, die gerne etwas mehr analysieren auch ohne dass eine Geschichte übertrieben schwülstig und intellektuell, um nicht zu sagen: unverständlich, erzählt sein muss. Und die zudem alte Märchen aus ferner Zeit mögen.