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Veröffentlicht am 16.09.2021

Tarantino ist nicht umsonst Filmemacher + Drehbuchschreiber, kein Romancier

Es war einmal in Hollywood
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Ich habe den Film dazu zwar schon sehr lange auf meiner Watch-List, und sogar die Blu-Ray Version vor einem Jahr gekauft. Aber dennoch bin ich bisher nicht dazu gekommen, mir es auch anzuschauen. Somit ...

Ich habe den Film dazu zwar schon sehr lange auf meiner Watch-List, und sogar die Blu-Ray Version vor einem Jahr gekauft. Aber dennoch bin ich bisher nicht dazu gekommen, mir es auch anzuschauen. Somit konnte ich aber auch ganz unvoreingenommen an das Buch herangehen und wusste tatsächlich kaum, was mich erwarten wird.

Was habe ich bekommen? Ein Buch über Hollywood anno 1969, in dem mehrere Handlungsstänge erzählt werden - und leider keine davon wirklich zu Ende. Vor allem der sehr abrupte Abschluss, ohne dass die Ereignisse vorkommen, von denen ich definitiv wusste, hat mich negativ überrascht.

Am meist hat mich ja die Geschichte rund um Cliff interessiert, aber auch der Teil rund um die Manson Family. Am wenigsten der Westerndreh von Rick. Zwischendrin ist Tarantino aber nicht selten abgeschweift, hat kleine Anekdoten eingestreut (die mit der eigentlichen Handlung rein gar nichts zu tun hatten sondern einzig und allein sein umfangreiches Filmwissen unter Beweis stellen) und er betreibt seitenweises Namedropping. Wer mal warum und wo mit wem gedreht hat oder fast gedreht hätte oder gern mal gedreht hätte oder irgendwann nochmal drehen wird. Sooo viele Namen, die meisten für mich unbekannt und leider auch so uninteressant, dass ich mir das Googeln erspart habe (das habe ich dann nur bei einigen wichtigen Personen der Handlung getan. Vor allem wollte ich wissen, ob es für die junge und für ihr Alter äußerst taffe Darstellerin der Mirabell Lancer eine reale Entsprechung gab, aber da will sich das Internet nicht festlegen).

Jedenfalls hat man daran gut gemerkt, dass Tarantino ohne Zweifel ein ausgezeichneter Drehbuchschreiber und Filmemacher ist (und dazu auch noch sehr fasziniert vom Hollywood der 60er Jahre), aber deshalb noch lange kein guter Romancier. Der würde solche Aufzählungen niemals einbauen, zumal sie meist für die Handlung an sich auch völlig unerheblich waren.
Ein anderes Indiz für einen schlechten Romanautor: Quentin Tarantino ergeht sich zum Beispiel in einer seitenlangen penibel genauen Beschreibung einer Kneipe (inklusive der Angabe, welche der Filmplakate an der Wand gerahmt sind und welche nur mit Reißzwecken befestigt wurden). Das alles sind wertvolle Hinweise für den Set Designer, die ein Drehbuchschreiber wahrscheinlich geben würde wenn er später am Set alles genau so haben möchte wie er es sich in seinem Kopf vorstellt beim Schreiben. Aber diese Detailfülle ist doch recht selten in Romanen zu finden. Genauso wenig wie die Angabe, wie lange der Barkeeper noch bei den Männern verweilt, bevor er sich dann einem anderen Gast zuwendet. Es finden sich haufenweise Anmerkungen, die für die Handlung total unerheblich sind und als reine 'Regieanweisungen' fungieren.

Mit all dem hätte ich aber wahrscheinlich auch leben können, wenn die Handlung wenigstens rund gewesen wäre. Aber bei keiner der Handlungsstränge kommt es zu einem Abschluss. Es ist eher so, als ob wir einen zeitlich sehr begrenzten Lebensabschnitt von verschiedenen Personen begleiten, der irgendwo anfängt (teilweise auch mit Rückblenden versehen) und genauso unvermittelt dann auch wieder aufhört. Das hatte ich von einem Meister des Erzählens auf der Leinwand doch anders erwartet.

Den Film schaue ich natürlich trotzdem. Zumal am Ende in einer Anmerkung steht, dass das Buch "eine frische, spielerische, aber auch schockierende Abkehr von der Filmfassung ist". Vielleicht endet der Film ja ganz anders? Tarantino hat dieses Buch ja offensichtlich auch erst NACH dem Film geschrieben, und es war auch sein erster Roman. Vielleicht übt er das ja erst noch.

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Veröffentlicht am 16.09.2021

"Schön" liegt ja im Auge des Betrachters

Es ist immer so schön mit dir
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Es gibt niemand besseren um Heinz Strunk Romane vorzulesen als Heinz Strunk selbst. Seine Protagonisten sind eher auf der Loser-Seite des Lebens als auf der Überholspur, und genau das kann er stimmlich ...

Es gibt niemand besseren um Heinz Strunk Romane vorzulesen als Heinz Strunk selbst. Seine Protagonisten sind eher auf der Loser-Seite des Lebens als auf der Überholspur, und genau das kann er stimmlich irgendwie echt super rüberbringen. Man hat sofort so einen leicht schlunzigen Typ vor Augen, dem das Leben eher so passiert als dass er aktiv was steuert, und der selbst überrascht ist wenn er irgendwo mal Erfolg hat. Und der auch kein Freund von viel Drama ist, schon gar nicht in einer Beziehung. Und dennoch will er seine langweilige Langzeitfreundin Julia gegen die aufregende Vanessa eintauschen.

Irgendwie konnte ich nie große Sympathie für den Protagonisten aufbauen, der noch nichtmal einen Namen bekommt! Und so wurde mir auch seine Geschichte nach dem ersten Teil stetig egaler. Irgendwie drehte sich sein Leben da auch ein bisschen im Kreis, und auch am Ende weiß ich gar nicht so genau was denn jetzt die "Moral von der Geschichte" ist. Erst beim Schreiben dieser Rezi sah ich, dass die 'Zwischenüberschrift' über dem Klappentext "Eine katastrophale Liebesgeschichte" lautet. Ja, so kann man das Ganze wohl auch zusammenfassen. Mich hat sie aber nicht ganz so angesprochen wie ich es mir anfangs erhofft hatte.

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Veröffentlicht am 28.08.2021

Dreiecksgeschichte

Aber vielleicht wird auch alles gut
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Ein Buch über "die großen und kleinen Hürden im Kopf". Noch dazu ein "own voices Roman", d.h. Autorin Lea Melcher weiß selbst genau worüber sie da schreibt. Das hat mich sehr neugierig gemacht. Und dann ...

Ein Buch über "die großen und kleinen Hürden im Kopf". Noch dazu ein "own voices Roman", d.h. Autorin Lea Melcher weiß selbst genau worüber sie da schreibt. Das hat mich sehr neugierig gemacht. Und dann gab es schon haufenweise sehr gute Bewertungen zu diesem Buch.

Leider kann ich diese nicht teilen. Zum einen hatte ich mir von der Geschichte vielleicht was anderes erwartet. Denn die war im Grunde eine Liebesgeschichte, die ich in dieser Konstellation sogar schon mehrfach gelesen hatte. Junge und Mädchen treffen sich, mögen sich, kommen aber irgendwie nicht fix zusammnen. Und als sie sich dann das nächste Mal wieder treffen, ist er der Freund der besten Freundin und damit natürlich absolut 'off limits'. Was dann natürlich IMMER zu unschönen Komplikationen führt, sonst hätte man ja keine Geschichte.

Hier haben wir eine Geschichte, doch tritt diese über einen sehr langen Zeitraum komplett auf der Stelle. Es gibt Rückblenden, durch die die Problematik zwischen Emmi und Jack erklärt wird. Aber in der heutigen Zeit kommen die zwei gar nicht vom Fleck. Auch die Paartherapie, von der ich aufgrund des Klappentextes dachte dass sie ein zentraler Bestandteil sei, ist nicht mehr als eine Randnotiz.

Genauso wie die Agoraphie, die Emilia hat. Die spielt tatsächlich nur eine sehr untergeordnete Rolle hier. Dabei hätte ich gerade bei dem Thema viel viel mehr erwartet, nachdem die Autorin hier laut ihrer Biografie eigene Erfahrungen hat.

Am meisten gestört hat mich aber wohl doch die Stimme der Sprecherin dieses Hörbuches. Sie hat einige verschiedene Stimmen für die einzelnen Charaktere gestaltet, die man auch sofort wiedererkannt hat. Doch leider waren mir so gut wie alle diese Stimmen unsympathisch. Allen voran die Stimmen, die sie für Emmi (klang meist so, als ob diese eine heiße Kartoffel im Mund hatte) und Jack (der hatte so eine leicht arrogange, leicht gelangweilte Schlafzimmer-Stimme) wählte. Ich glaube, wenn ich das Buch gelesen statt gehört hätte, hätte es mir doch einen Tick besser noch gefallen.

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Veröffentlicht am 09.08.2021

Anfangs sehr gut - später zu skurril

Dich hab ich nicht kommen sehen
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Mari braucht unbedingt einen Neustart, und will den in Berlin versuchen. Hauptsache weg von allem aus ihrer Vergangenheit. Glücklicherweise findet sie auch rasch eine Wohnung, und frei Haus dazu sogar ...

Mari braucht unbedingt einen Neustart, und will den in Berlin versuchen. Hauptsache weg von allem aus ihrer Vergangenheit. Glücklicherweise findet sie auch rasch eine Wohnung, und frei Haus dazu sogar ein paar neue liebe Freunde, die sie herzlich in ihrer Runde aufnehmen. Für meine Begriffe ja ein bisschen zu übertrieben herzlich - in der Realität würde mich das schon ein bisschen misstrauisch machen. Aber das ist hier ja ein Wohlfühlroman, und so hat es mich für Mari gefreut, dass sie da ein paar nette Leute um sich herum hatte. Vor allem, da ihre Tage im Job ziemlich mies waren. (Ich war sehr überrascht, dass sie nicht schon gleich am 3. Tag wieder gekündigt hat.) Und dann wird die Beziehung zu Leo etwas mehr als herzlich, aber auch mehr als kompliziert.

Die Geschichte startet super, mir waren die Protagonisten schnell sympathisch und entsprechen vor allem auch nicht den typischen Klischees. Gerade Mari bringt ein ganz schönes Packerl mit, von denen verschiedene Aspekte am Anfang angedeutet werden. Die Fehlgeburt, der alte Job, die Beziehung zu den Eltern und insbesondere der Mutter. Gerade bei letzterer Sache habe ich immer noch darauf gewartet, dass dazu noch mal was kommt, eine Art Closure, aber das verläuft im Sande und ist später dann überhaupt nicht mehr relevant. Das allein hätte mich gar nicht soo gestört. Viel mehr fand ich es schade, dass die Geschichte in der 2. Hälfte immer skurrilere Züge annimmt. Spätestens ab dem Kapitel, in dem sich Mari ein Märchen über Alexandra ausdenkt, driftet die Geschichte ganz schön ab, und findet für mich den Weg zurück auch nicht mehr.

Ebenso ungewöhnlich wie die Geschichte an sich, ist auch der Schreibstil. Der sticht definitiv heraus und ist einzigartig. Damit ist er auch ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber man kommt mit ein bisschen Mitdenken schnell rein. Nur wird er dann in der 2. Hälfte - ebenso wie die Geschichte - auch immer merkwürdiger, abgedrehter und auch anstrengender.

Das Ende war dann wieder ganz ok, doch gab es da immer noch offene Dinge, für die ich mir zumindest eine Art von Klärung gewünscht hätte. Zum Beispiel war Maris Esstörung das ganze Buch über immer wieder ein Thema. Also dass sie eine Störung hat. Warum weshalb wieso wurde nie thematisiert, dazu hat man sich eigene Gedanken machen können. Vor allem aber gab es am Ende eigentlich keine Klärung, ob sie sich nun wenigstens auf einem gesunden Weg befindet.

Somit hat die 2. Hälfte des Buches den sehr guten Eindruck vom Beginn doch wieder erheblich gedrückt, und es blieb für mich am Ende einiges zu unrund. Es war zwar durchaus ein lesenswertes Buch, und definitiv mal was anderes, aber auch kein Highlight.

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Veröffentlicht am 15.07.2021

Vorgeschichten zum Friedhof der vergessenen Bücher

Der Friedhof der vergessenen Bücher
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Mit seinen Büchern rund um den Friedhof der vergessenen Bücher hat mich Zafon verzaubert. Spannende Geschichten kreieren gepaart mit der Gabe, mittels Wörtern wunderbare Bilder im Kopf entstehen zu lassen.

In ...

Mit seinen Büchern rund um den Friedhof der vergessenen Bücher hat mich Zafon verzaubert. Spannende Geschichten kreieren gepaart mit der Gabe, mittels Wörtern wunderbare Bilder im Kopf entstehen zu lassen.

In diesem Band, seinem letzten Buch, wurden alle Kurzgeschichten versammelt die bereits anderswo erschienen sind, oder die Zafon eigens für einen solchen Sammelband geschrieben hatte. Viele davon haben auch in irgendeiner Weise einen Bezug zu Charakteren aus dem 4-bändigen-Friedhof-Zyklus. Und auch wenn die Sprache einmal mehr unverwechselbar ist, so haben mich die Geschichten nicht annähernd so begeistert wie seine Romane. Das liegt zwar zum einen daran, dass ich mich oft schwerer tue mit Kurzgeschichten. Überwiegend aber doch eher daran, dass ich bei vielen Geschichten gar nicht genau wusste, um was es genau geht und wer vor allem der Erzähler ist. Denn ein Großteil der Geschichten sind aus der Ich-Perspektive geschrieben, ohne dass klar wird wer dieses Ich überhaupt ist. Und kaum hat man sich dann vielleicht einen Reim darauf gemacht, ist die Geschichte schon wieder vorbei.

Über manche Personen hätte ich ja sehr gern viel mehr erfahren, allen voran Blanca aus der ersten Geschichte. Der Teil über Cervantes hingegen hat mich am wenigsten interessiert. Alles in allem eine nette Ergänzung zum Oeuvre von Carlos Ruiz Zafon, aber kein Muss.

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