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Veröffentlicht am 19.09.2021

Die Zeit bewegt sich in eine Richtung, die Erinnerung in eine andere. William Gibson

Auf den Flügeln der Zeit
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Delia staunt nicht schlecht, als vor ihrer Wohnungstür eine alte Dame steht und um Einlass bittet. Sie möchte zu gerne noch einmal die Wohnung sehen, in der sie einst aufgewachsen ist, bevor sie mit ihrem ...

Delia staunt nicht schlecht, als vor ihrer Wohnungstür eine alte Dame steht und um Einlass bittet. Sie möchte zu gerne noch einmal die Wohnung sehen, in der sie einst aufgewachsen ist, bevor sie mit ihrem Zwillingsbruder nach Irland gebracht wurde, um den widrigen Umständen im Nachkriegsdeutschland zu entfliehen. Als Rosie dann nach und nach von ihrem Bruder Gerd erzählt, wird der dringliche Wunsch, ihn nach mehr als 70 Jahren wieder in die Arme schließen zu können, immer lauter. Es beginnt eine Suche, die mit vielen Erinnerungen verknüpft ist und das Rad der Zeit zurückdreht, als Deutschland in Trümmern liegt...

Dorothea Morgenroth hat "Mit den Flügeln der Zeit" eine Familiengeschichte für ihre Leser zugänglich gemacht, die auf wahren Begebenheiten beruht und ein Stück deutscher Geschichte beinhaltet.

In Nachwort erwähnt sie, dass ihr während des Schreibens plötzlich die Bilder des zerbombten Köln vor Augen stehen, die Bombennächte mit all ihren Schrecken und der Angst lebendig werden und die Personen aus den Zeitzeugenberichten ein Gesicht bekommen und zu greifbaren Persönlichkeiten werden. Und genau so ergeht es den Lesenden, denn die ausdrucksstarke Schreibweise der Autorin lässt eben jene Bilder derart deutlich aus den Seiten steigen, dass man sich mit Rosie und Gerd inmitten der Trümmern und dem Staub wiederfindet und die große Not am eigenen Leib erfährt.

Der Wechsel zwischen den Erzählsträngen ist flüssig und man gleitet aus den grauen Bildern von einst hinüber in die faszinierende Landschaft Irlands, sieht die raue Schönheit des Landes und wird ein Teil von Rosie Familie.

Während Rosies Erinnerungen dafür sorgen, dass alte Wunden aufreißen, die irgendwie ein Leben lang nicht wirklich verheilt sind , gerät die Suche nach Gerd in der Gegenwart manchmal ein wenig langatmig. Es fehlt ein wenig die Spannung, um die Lesenden an die Seiten zu fesseln, damit die Neugier auf das, was noch kommt, kontinuierlich erhalten bleibt. Auch lösen sich Probleme recht schnell, fast im Handumdrehen, und es erscheint so, als wäre das Leben in Irland ein Kinderspiel.

Ich mag die einzelnen Charaktere sehr, denn sie dürfen hier Schwächen und Stärken ausleben, aber manchmal entgleiten sie mir beim Lesen, weil alles einfach zu glatt geht.

Ansonsten eine sehr gelungener Einblick in ein Familienschicksal, das mit Gottvertrauen und dem Glauben, das alles gut wird, ein schönes Ende findet.

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Veröffentlicht am 17.09.2021

Romantik, Abenteuer und eine falsche Schlange

Das Parfum der Liebe
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Viola darf ihre Onkel nach Ecuador begleiten, um dort die Zeichnungen für seine Studien anzufertigen. Aber diese Reise ist auch eine Art Trostpflaster, denn Viola muss die große Enttäuschung über die geplatzte ...

Viola darf ihre Onkel nach Ecuador begleiten, um dort die Zeichnungen für seine Studien anzufertigen. Aber diese Reise ist auch eine Art Trostpflaster, denn Viola muss die große Enttäuschung über die geplatzte Verlobung verarbeiten. Als Adrian de Vries auf der Hacienda eincheckt, um dort seine Suche nach neuen Düften für die Parfumherstellung fortzuführen, kann Viola nicht anders, als diesen Fatzke einfach nur dumm und überheblich zu finden. Aber ihr Herz spricht eine andere Sprache...


Mit dem romantischen Kurzroman "Das Parfum der Liebe" schenkt Hanna Caspian ihrer treuen Leserschaft eine neue Geschichte, die Herzen wärmt und für Abenteuer- & Entdeckerlust sorgt.

Das Flair der ecuadorianischen Hacienda inmitten der exotischen Flora und Fauna ist mit schillernden Farben beschrieben und die betörenden Düfte wabern aus den Seiten.

Die Charaktere sind vielschichtig angelegt und wissen den Leser von Beginn an auf die Expedition mitzunehmen - Viola ist eine unabängie junge Frau, die gegen alles Konventionen auf eigenen Beinen steht, ihren festen Willen hat und diesen auch durchzusetzen weiß.

Adrian kommt zu Beginn noch recht überheblich rüber, aber mit der Zeit wird er zu einem echten Herzensmensch, in den man sich gerne verliebt. Kein Wunder also, dass Violas Herz schneller schlägt, wenn sie ihm gegenübersteht.

Adrians Verlobte Florence ist eine falsche Schlage vor dem Herrn - wo sie geht und steht versprüht sie ihr gut dosiertes Gift, sorgt für Unmut und sie scheut nicht vor dreisten Lügen zurück.

Auf gerade einmal 120 Seiten ist alles vorhanden, um Herzklopfen, historische Zeitreise und ein Happy-End miteinander zu verknüpfen. Hanna Caspian kann nicht nur dicke Schmöker in exzellenter Qualität verfassen, sie schafft auch mit spielender Leichtigkeit den Wechsel zur leichten Romanze. Der Leseherbst ist mit diesem Kurzroman perfekt gestartet.

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Veröffentlicht am 11.09.2021

Jeder hat sein Päckchen zu tragen...

Weißer Sand
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Birger Andresen hat nach seinem Sabbatjahr einen Fall, der ihm alles abverlangt. Der Ostseesand scheint eine Frau verschluckt zu haben, denn von ihr ist nicht die kleinste Spur zu finden. Ihr Mann gibt ...

Birger Andresen hat nach seinem Sabbatjahr einen Fall, der ihm alles abverlangt. Der Ostseesand scheint eine Frau verschluckt zu haben, denn von ihr ist nicht die kleinste Spur zu finden. Ihr Mann gibt vor, einen Blackout und somit keinerlei Erinnerungen an irgendwelche Details zu haben. Der Fall wird immer verworrener, als eine Leiche in der Ostsee treibt...


Band 11 der Birger-Andresen-Reihe ist wieder mit ganz viel Gespür für die kleinen Hinweise zwischen den Zeilen von Jobst Schlennstedt geschrieben und entführt die Leser in die idyllische Lübecker Bucht, die als Schauplatz für Mord, Spielsucht und Kurzschlusshandlungen ihre dunkle Seite zeigen darf.

Birger hat sich in seiner Auszeit ganz schön viele Gedanken über seine berufliche und private Zukunft gemacht. Er erscheint charakterlich reifer und innerlich gefestigt und diese Entwicklung ist für den Leser nachvollziehbar und glaubhaft dargestellt.

Der Fall bietet wieder ganz viele Spuren, denen es nachzugehen gilt und damit entwickelt sich eine komplexe Handlung, die auf den ersten Blick nicht viel an Gemeinsamkeiten mit den einzelnen Vorkommnissen bietet, aber beim näherem Hinsehen laufen die Fäden im Hintergrund zusammen und lassen Schuld und Sühne , sowie Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschmelzen.

"Weißer Sand" spielt mit den verschiedenen Arten von Spannung - dunkle Nächte gepaart mit undefinierbaren Geräuschen, aufsteigende Panik gepaart mit Meeresrauschen, knarzende Holzbohlen, eine sanfte Brise, die über den Arm streift und den Tod mit sich bringt. Dazu ein klug durchdachter Plot, vielschichtige Charaktere und immer wieder Andresen, der abwägt, Hinweise kombiniert, Lügen enttarnt und so den Täter überführt.

Ein Küstenkrimi in gewohnter guter Qualität, der für Quereinsteiger als auch für Liebhaber der Buchreihe gut zu lesen ist und für beste Unterhaltung sorgt.

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Veröffentlicht am 10.09.2021

Schräger Humor mit Allgäuer Charme

Sissi Sommer und der Mord beim Alpenglühen
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Ganz Legau trifft sich beim Krimidinner und es werden schon Wetten abgeschlossen, wer als erstes den Mörder entlarvt. Dass aber aus dem mehr oder weniger unterhaltsamen Abend plötzlich bitterer Ernst wird, ...

Ganz Legau trifft sich beim Krimidinner und es werden schon Wetten abgeschlossen, wer als erstes den Mörder entlarvt. Dass aber aus dem mehr oder weniger unterhaltsamen Abend plötzlich bitterer Ernst wird, das konnte niemand ahnen. Ein Schrei zerfetz die Nacht und Christian, der Banker, liegt tot auf den Stufen der Bankfiliale. Wen schert es da noch, ob das Krimidinner drinnen weitergeht, während draußen die Suche nach dem Täter auf Hochtouren läuft...

Sissi Sommer und Klaus Vollmer dürfen wieder mit schlagfertigen Dialogen, unverblümten Feststellungen und einer großen Portion Allgäu-Charme ermitteln und Barbara Edelmann nimmt dieses Mal die Krimidinner auf die Schippe. Zugegeben, die Schauspieler sind wirklich ein wenig grenzwertig, so dass es kein Wunder ist, dass sich halb Legau auf den Weg macht, um den echten Mordfall live und in Farbe zu erleben.

Die Autorin bedient sich bei diesem Roman an uralten Motiven, nämlich Eifersucht und Habgier und verpackt sie in einen kurzweiligen, aber bitterbösen Regio-Krimi.

Erna Dobler ist die Reinkarnation von Else Kling aus der Lindenstraße und kein Dorfbewohner ist vor ihr sicher. Sie taucht immer und überall auf, hat Augen und Ohren sperrangelweit offen, damit ihr auch ja nichts durch die Lappen geht. Die Frau ist ein Tauchsieder und stippt ihre Nase in alles herein.

Auch die anderen Figuren sind mit herrlich spitzer Feder gezeichnet und dürfen ihre Ecken und Kanten ausleben. Grinsend habe ich gelesen, wie der Pfarrer einer leichtbekleiden Dörflerin hinterherrennt oder einem wohnungssuchendem Pärchen seine Kirche als Haus mit offenen Türen und leichtem Renovierungsstau anpreist - ach, hätten wir doch bloß mehr von solchen tollen Geistlichen Mehr Schein als Sein, oberflächliche Freundschaften und toxische Beziehungen sind ebenfalls im Dorfleben zu finden und sorgen für eine bunte Mischung an Nebenschauplätzen, die es in sich haben.

Die Ermittlungsarbeit ist routiniert, aber keinesfalls langweilig. Sissi und Klaus müssen einige Hürden nehmen, um letztendlich den Fall zu lösen. Gelegenheit macht Diebe...und Mörder. Die Schreibende lässt hier keinen Zweifel aufkommen, dass der Täter der Versuchung nicht widerstehen kann und es scheint wirklich ein Leichtes zu sein, seine Mitmenschen so zu täuschen.

Auch in diesem Fall kann das liebenswerte Ermittlerduo die Leser von sich überzeugen - spannend, unterhaltsam und flott zu lesen.

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Veröffentlicht am 05.09.2021

Aktuell und sehr spitzzüngig

Der falsche Gruß
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Erck kämpft um Ansehen, Ruhm und Ehre - klingt sehr patriotisch, ist es auch. Aber irgendwie will es mit dem ganz großenErfolg nicht klappen und daran soll ausgerechnet der Schriftsteller Schuld sein, ...

Erck kämpft um Ansehen, Ruhm und Ehre - klingt sehr patriotisch, ist es auch. Aber irgendwie will es mit dem ganz großenErfolg nicht klappen und daran soll ausgerechnet der Schriftsteller Schuld sein, der mit seinen Erlebnissen über Auschwitz die Bestsellerliste anführt. Erck kann es überhaupt nicht ab, dass Barsilay alles hat, war Erck sich wünscht. Und da reift in Erck ein böser Plan...


Maxim Biller schreibt mit spitzer Feder und ebenso spitzer Zunge ein Buch, das aktueller den je ist und sich mit den Themen Vergangenheitsbewältigung, immer stärker werdendem Zulauf der rechten Sympathisanten und Political Correctness befasst.

Erck ist irgendwie schräg, seine Gedankenkarussell dreht sich fortwährend und im Zuge dessen wird der Leser Zeuge, wie Erck von Versagensängsten und fehlender Anerkennung regelrecht verfolgt wird.

Sein Gegenspieler ist dagegen eine schillernde Figur und weiß sich mit ganzer Größe im Alltag zu behaupten. Der Erfolg seines Buche gibt ihm die Möglichkeit, sich politisch zu positionieren und zu profilieren.

Und genau setzt die Genialität von Biller ein - er nimmt die aktuellen Diskussionen zum Anlass, um auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und Redefreiheit aufmerksam zu machen. Die Frage nach der zu tragenden Last der Enkelgeneration, die mit der Schuld und den Erinnerungen ihrer Großeltern konfrontiert werden, kommt auf und das leider immer wieder Aufleben von rechtem Gedankengut, das niemals so ganz von der Bildfläche zu verschwinden scheint.

Der Roman bringt auf gerade einmal 120 Seiten alles auf den Punkt und hält dem Leser den gesellschaftskritischen Spiegel vor.

Genial interpretiert, mit Figuren, die polarisieren. Nicht immer einfach zu lesen, aber trotzdem wertvoll.

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