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Veröffentlicht am 20.11.2021

Familienleben, wie es nicht sein sollte

Hannerl und ihr zu klein geratener Prinz
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Hannerls Adoleszenz ist eigentlich gar nicht so schlecht, die Mutter ist zwar lieblos und hat auch oft kein Verständnis für die Pläne der Tochter, aber es gibt ja noch den Stiefvater, einen gestandenen ...

Hannerls Adoleszenz ist eigentlich gar nicht so schlecht, die Mutter ist zwar lieblos und hat auch oft kein Verständnis für die Pläne der Tochter, aber es gibt ja noch den Stiefvater, einen gestandenen Sozialisten, der Hannerl fördert und ihr zeigt, dass Frauen auch was wert sind.

Dieser Glaubenssatz wird ihr aber vom Schmiedinger Josef, den sie heiratet und der ihr trotz ihrer guten Ausbildung nicht erlaubt, weiter zu arbeiten, schnell ausgetrieben. Doch es kommt noch schlimmer: als sie nach langen Jahren endlich Mutter wird, beginnt er sie zu erniedrigen und der Tochter noch auf eine ganz andere Art und Weise zuzusetzen. Denn er mag Frauen nur, wenn es noch keine sind - noch lange nicht.

Ein Familienleben, wie es nicht sein sollte - widerlich und abstoßend ist, was Dolores Schmidinger mit einer Menge Sarkasmus darlegt -anders wäre es wahrscheinlich nicht zu ertragen gewesen.

Der zu klein geratene Prinz war nicht einmal ein Knallfrosch, sondern allenfalls ein Molch, aber das hielt den Möchtegern-Heldentenor und Nazifreund nicht davon ab, sich an den Frauen seiner Familie schadlos zu halten - auf die ein oder andere Art.

Eindringlicher, aber auch sehr trauriger und ernüchternder Lesestoff.

Veröffentlicht am 03.11.2021

Ein russisches Mysterium

Phon
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Zunächst einmal: ich bin froh, dieses Buch gelesen zu haben. Einen wahrhaft russischen Roman, einen, der die russische Seele aufleben lässt, wenn nicht sogar feiert. Einen, der die Atmosphäre des nachsowjetischen ...



Zunächst einmal: ich bin froh, dieses Buch gelesen zu haben. Einen wahrhaft russischen Roman, einen, der die russische Seele aufleben lässt, wenn nicht sogar feiert. Einen, der die Atmosphäre des nachsowjetischen Russland in seiner Tiefe ergründet, von Beginn an.

Es geht um ein Paar, das im westrussischen Wald lebt, bereits seit drei Jahrzehnten, Nadja und Lew. Sie sind Zoologen, beziehungsweise ist es Lew. Nadja war seine Studentin, sie hat das Studium nie abgeschlossen, sondern sich dem deutlich älteren akademischen Lehrer in die Arme geworfen - mir Erfolg. Denn er verließ sofort seine langjährige Ehefrau und zog mit ihr in die Wälder zwecks Führung eines idealistischen Lebens, das die Organisation praktischer zoologischer Sommerkurse beinhaltete. Berichtet wird aus Nadjas Sicht - es ist eine ausgesprochen subjektive Wahrnehmung, eine sprunghafte noch dazu. Wie es eben so ist, wenn man seine eigene Geschichte erinnert - man springt vom Hölzchen aufs Stöckchen und kann sich nicht immer auf sich selbst verlassen.

Dies hat die Autorin Marente de Moor - eine Niederländerin wohlgemerkt - aus meiner Sicht sehr gelungen dargestellt, wenngleich es das Lesen mitunter durchaus erschwert. Allerdings bleibt der Leser desöfteren auf der Strecke - so erging es mir zumindest: ich konnte weder den Entwicklungen noch den Emotionen der Erzählerin folgen, fühlte mich von ihr wieder und wieder allein gelassen, wenn sie bestimmte Erzählstränge - und zwar nicht wenige - ins Nichts verlaufen ließ.

Zudem kam mir es mir zum Ende hin mehr und mehr vor, als würden doch so einige Klischees aufgefahren. Dennoch: wer gerne Romane über Russland liest, in denen es auch ein wenig schräg zugeht, könnte hier an der richtigen Adresse sein!

Veröffentlicht am 25.10.2021

Faszinierend - aber muss ich das wirklich ALLES wissen?

Gesammelte Werke
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Tolle Autorin, toller Stil, keine Frage. Und ist sie tatsächlich erst 1987 geboren, diese Lydia Sandgren, die so kundig und vor allem unglaublich atmosphärisch über die 1970er und 1980er zu berichten vermag? ...

Tolle Autorin, toller Stil, keine Frage. Und ist sie tatsächlich erst 1987 geboren, diese Lydia Sandgren, die so kundig und vor allem unglaublich atmosphärisch über die 1970er und 1980er zu berichten vermag? So, als wäre sie bei all den Punk-Konzerten und Diskussionen über Wittgenstein - um nur mal zwei Beispiele zu nennen - in Personam dabei gewesen?

Denn heute, im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts - da reflektiert man doch sowohl die Punk-Kultur als auch die Geistesgeschichte und Philosophie vorhergehender Jahrhunderte ganz anders! Und ich kann es wirklich aus Erfahrung (charmanterweise sogar sowohl in Schweden als auch in Deutschland den beiden Ländern bzw. Kulturkreisen, die im Roman eine Rolle spielen) behaupten, bin ich der Autorin doch um gute 20 Lebensjahre voraus.

Aber nein, weder hätte ich das breite geisteswissenschaftliche Fundament noch das Vermögen, Ton, Raum und Zeit so genau zu treffen. um Martin Berg und seiner Familie bis tief hinein in Details zu Themen der letzten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts zu folgen.

Um diese hier nämlich geht es in dem stellenweise doch sehr ausufernden Roman, zudem noch um Martins Jugendfreund Gustav, mit dem zusammen er einen Verlag hat. Berichtet wird aus den Perspektiven Martins und seiner Tochter Rakel, die im Gegensatz zu ihm des Deutschen perfekt mächtig ist und sich nach einer bestimmten Lektüre der Mutter, die vor rund 15 Jahren spurlos verschwand, auf den Spuren wähnt. Sie meint, diese im Chrakter eines Romans wiederzuerkennen.

Lydia Sandgren hat einen anbetungswürdigen Stil, sie ist klug und witzig - aber muss sie denn wirklich das gesamte Füllhorn über ihre Leser ausgießen? Ganz klar war es mir nämlich des Guten zu viel und das nicht nur ein bisschen. Ich denke, dass einige der vorkommenden Gestalten getrost etwas marginaler hätten abgehandelt werden, einige Geschehnisse etwas mehr im Ungenauen hätten gelassen werden können.

Möglicherweise hätte das den Roman sogar noch aufgewertet. Er hat mir wirklich gut gefallen, aber dennoch zögere ich damit, bekanntzugeben, dass ich keine Zeile der Lektüre bereue.

Veröffentlicht am 22.10.2021

Im Besitz eines königlichen Colliers

Das Collier der Königin
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befindet sich auf einmal Lea, eine junge Wienerin, die einen ungeliebten Job, gute Freundinnen und viele Träume hat. An einem Sonntag in aller Hergottsfrüh - zumindest aus ihrer Sicht - steht auf einmal ...

befindet sich auf einmal Lea, eine junge Wienerin, die einen ungeliebten Job, gute Freundinnen und viele Träume hat. An einem Sonntag in aller Hergottsfrüh - zumindest aus ihrer Sicht - steht auf einmal ein junger Mann namens Elias vor, der selbiges bei ihr abgibt, mit den Worten, es sei von ihrer Tante Gloria und hätte mal der Königin Marie Antoinette gehört, die im Zuge der Revolution in Paris so unglücklich ihr Leben lassen musste.

Die allerdings hat sich schon vor Jahr und Tag von der Familie abgenabelt und selbst Leas Mutter hat nicht die geringste Ahnung, wo sich ihre große Schwester seitdem befindet.

Lea ist neugierig, macht sich sowohl auf die Suche nach der Tante wie auch nach der Herkunft der Kette, die sich - wie sich herausstellt, bereits seit Generationen in ihrer Familie befindet und stets an die älteste Tochter weitergereicht wird.

Bald ist auch Elias mit im Boot und wir tauchen mit den beiden ein in eine spannende Geschichte, die ihren Anfang Ende des 18 Jahrhunderts nimmt und zwar nicht bei Hofe, sondern in einer bürgerlichen Familie. Und es ist diese hervorragend recherchierte Geschichte, die mich ganz besonders begeistert und fasziniert hat.

Den Teil, der im 20. Jahrhundert spielt, fand ich eher ein bisschen langweilig, da wenig originell und vor allem sehr vorhersehbar. Schade, denn Beate Maxian, eine meiner Lieblingsautorinnen historischer Romane, kann es eigentlich besser. Wie man dem historischen Erzählstrang auch entnehmen kann.

Ich würde Ihnen eher zu den anderen Romanen der Autorin raten, wobei dieser natürlich auch unterhält. Meine Kritik erfolgt auf hohem Niveau, da man an Schriftsteller, die man sehr schätzt, bekanntlich besonders hohe Anforderungen stellt. Am besten, Sie überzeugen sich selbst!

Veröffentlicht am 17.09.2021

Ganz besondere Rezepte

Pur genießen
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stellt Pascale Naessens in ihrem neuen Kochbuch "Pur genießen" vor. Purer Genuss: das bedeutet einerseits einfache, klar strukturierte Rezepte ohne viel Chichi, andererseits jedoch beste Zutaten. Beste ...

stellt Pascale Naessens in ihrem neuen Kochbuch "Pur genießen" vor. Purer Genuss: das bedeutet einerseits einfache, klar strukturierte Rezepte ohne viel Chichi, andererseits jedoch beste Zutaten. Beste Zutaten: das sind gesunde und vor allem frische Zutaten bester Herkunft und Qualität.

Derartiges Gemüse, Fisch und Fleisch schmecken quasi von allen, da bedarf es nicht vieler weiterer Bestandteile im Rezept, nein, es geht schlicht und einfach - und gerade das macht es so besonders.

Und es steckt noch viel mehr dahinter: mit ihrem Kochbuch propagiert die Autorin einen ganz neuen Ernährungsstil, allerdings einen sanften, milden, bei dem viel erlaubt. Zum Beispiel Käse: dieser kommt bei ihr in rauhen Mengen vor - es muss nur richtig kombiniert werden: bei Pascale Naessens macht's die Zusammenstellung. In einer ausführlichen Einführung, die leider von aus meiner Sicht recht unnötigen Fotografien begleitet wird, auf denen keine Speisen, sondern Pascale und ihr Mann bzw. der engere Kreis bei diversen "Speisungen" abgebildet ist, erläutert sie ihr Prinzip der gesunden Küche, das auf zwei Säulen ruht:
1. Gesunden Lebensmittelkombinationen
2. Natürlichen Zutaten

Und das macht es für mich wieder ein wenig kompliziert, denn alles muss hier stimmen bzw. geht es um die Abstimmung: es gibt zahlreiche Rezepte bspw. mit Quinoa, einem Produkt, das mir schon aus der veganen Küche vertraut ist, das ich jedoch nicht unbedingt favorisiere. Und dann gibt es ganz klare Schwerpunkte, die aus meiner Sicht auf Lachs, Kurkuma als Gewürz und dem bereits erwähnten Quinoa liegen.

Naja, es gibt natürlich auch jede Menge Rezepte, die mich begeistern, wie Hähnchenschenkel auf Kürbis oder mit Ricotta gefülltes Gemüse. Ausserdem gibt es in diesem gesunden Kochbuch auch sündhaft üppige Nachtische, naja: einen, nämlich eine Mousse au Chocolat. Es gibt auch ein paar sehr vernünftige Kuchen und einen eher abschreckenden Quinoa-Nachtisch, den meine Familie bzw. meine Gäste niemals erleben werden.

Also: ein Kochbuch, aus dem ich vieles nachkochen werde. Ich werde jedoch nicht der von Frau Naessens vorgeschlagenen Ernährungsumstellung folgen, die mir dann doch zu komplex ist.