authentisch aber distanziert
Kurzmeinung:
Konnte leider meine (zugegeben) sehr hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen. Dennoch ein interessantes und sehr authentisches Buch über das Besiegen von Ängsten und der Frage: Was ist schon ...
Kurzmeinung:
Konnte leider meine (zugegeben) sehr hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen. Dennoch ein interessantes und sehr authentisches Buch über das Besiegen von Ängsten und der Frage: Was ist schon "normal"?
Meine Meinung:
In diesem Buch werden viele wichtige Themen angesprochen. Es geht um Freundschaft und Liebe, um Ängste und um Tod. Aber vor allem geht es um die Frage, was eigentlich normal und was verrückt ist.
Das geschieht allerdings, ohne die psychischen Leiden der drei Protagonisten zu sehr in den Fokus zu rücken. Ihre besonderen Stimmungen, Verhalten und Wahrnehmungen werden einfach als Teil von ihnen beschrieben, ohne sie zu bewerten. Und vor allen Dingen, ohne sie zu romantisieren. Das ist bei Büchern über psychische Störungen nämlich meiner Meinung nach oft die Gefahr. Jemand ist zum Beispiel Autist und wird als ganz besonders mit besonderen Fähigkeiten dargestellt. Es stimmt zwar, diesen Aspekte gibt es, aber die andere Seite, die Ausgrenzung und das Leid, wird dann oft vergessen. Nicht so in "Fuchsteufelsstill", wo eine sehr differenzierte Darstellung der Thematik erfolgt. Auch das Thema Suizid und seine Motive werden behandelt und auch sehr differenziert betrachtet. Das ist wirklich eine Gratwanderung, die Niah Finnik äußerst gut gelungen ist. Gerade der kühle, sachliche Blick mit dem die Protagonistin Juli die Dinge betrachtet ist sehr gut geeignet, solche schwierigen Themen darzustellen, ohne sie verklärt zu betrachten, aber auch nicht zu verurteilen.
Auch der Aufenthalt in der Psychiatrie wird gut dargestellt. Die Ängste vor Stigmatisierung, die Anstrengungen, sich die ganze Zeit erklären und reflektieren zu müssen. Die Autorin, selbst Autisten, gibt sehr gute und authentische Einblicke und findet gute Metaphern für psychische Vorgänge.
Was ist eigentlich normal?
Und auch die Diskussionen, was als normal und was als "gestört" angesehen wird, ist sehr interessant. Wer legt die Definitionen fest? Sind diese Einteilungen naturgegeben oder doch nur Mensch gemacht? Diese eigentlich komplexen und schwierigen Gedanken werden aber immer mit einem Augenzwinkern dargestellt, sodass das Buch trotzdem keine schwere Lektüre ist.
Herrlich fand ich zum Beispiel, als Juli sich wundert, warum Zwanghaftigkeit eine Störung ist, Intoleranz aber nicht. Kurzerhand schreibt sie einen imaginären DSM 5 Eintrag über Intoleranzitis. (S. 142) bei dem ich laut lachen musste.
Es könnte so schön sein, aber...
Das alles klingt ja nach einem großartigen Buch, oder? Und das könnte "Fuchsteufelsstill" auch sein. Warum gibt es dann "nur" drei Sterne, fragt ihr euch?
Wegen des Schreibstils. Mit dem bin ich nämlich leider überhaupt nicht klar gekommen und der hat mich mit dem Buch kämpfen lassen und mir viel meiner Lesefreude genommen.
Immer wieder schweift die Protagonistin Juli ab in Gedankenwelten, in die ich ihr einfach nicht folgen konnte oder wollte. Und dann wird das Lesen anstrengend.
Autismus zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass das Gehirn die Umgebung ungefiltert wahrnimmt und die Betroffenen eine Informationsflut zu verarbeiten haben.
Das macht die Gedankenausschweifungen, bei denen Juli von einem Aspekt zum nächsten, vom Hundertsten ins Tausendste kommt, zwar wahrscheinlich sehr authentisch, gleichzeitig hat es aber eben auch mein Lesevergnügen stark reduziert.
Außerdem ist die nüchterne, analytische, manchmal fast schon emotionslose Schilderung zwar für viele der angesprochenen Themen sehr geeignet. Aber auf der anderen Seite sind mir dadurch die Charaktere auch nicht wirklich ans Herz gewachsen. Ich habe ihre Entwicklungen interessiert, aber doch eher distanziert verfolgt.
Fazit:
In "Fuchsteufelsstill" gelingt Niah Finnik eine authentische und differenzierte Darstellung von psychischen Störungen und menschlichem Leid. Doch trotzdem ist die Botschaft eine positive, da in jeder Zeile Hoffnung, Kampfgeist und Lebensfreude mitschwingen. Und auch ernste Themen werden mit einem Augenzwinkern dargestellt und lassen den Leser nicht nur einmal schmunzeln.
So richtig gern gelesen habe ich das Buch leider trotzdem nicht, weil ich sehr mit dem Schreibstil zu kämpfen hatte und mir das ziemlich die Lesefreude verdorben hat.