Bildgewaltige Familiensaga
Der Gesang der Berge„...Die Herausforderungen, die das vietnamesische Volk im Laufe der Geschichte meistern musste, sonst so groß wie die höchsten Berge. Wenn du zu nahe stehst, kannst du ihre Gipfel nicht sehen...“
Huong ...
„...Die Herausforderungen, die das vietnamesische Volk im Laufe der Geschichte meistern musste, sonst so groß wie die höchsten Berge. Wenn du zu nahe stehst, kannst du ihre Gipfel nicht sehen...“
Huong erinnert sich an diese Worte ihre Großmutter. Es war ihre Großmutter, die ihr Leben geprägt hat.
Dann wechselt die Geschichte ins Jahr 1972. Huongs Vater ist in den Krieg gezogen, ihre Mutter folgt ihm. Mitten im Bombenhagel des Vietnamkriegs lebt nun die 12jährige Huong mit ihrer Großmutter in Hanoi. Und während es ums nackte Überleben geht, erzählt die Großmutter Stück für Stück die Familiengeschichte.
Die Autorin hat einen sprachgewaltigen Familienroman geschrieben, der gleichzeitig das Schicksal eines ganzen Volkes widerspiegelt.
Der Schriftstil arbeitet ist ausgefeilt. Er hat mich mit seiner Vielfalt, seinen Metaphern und den Volksweisheiten sofort in seine Bann gezogen. Eines der Sprichwörter lautet:
„...Für einen Hungernden zählt ein einzelner Bissen ebenso viel wie ein ganzes Mal für einen Satten...“
Dies Sprichwörter passen stets perfekt zur Situation.
Im Mittelpunkt steht Huongs Großmutter. Ihre Leben ist ein Leben voller Verlust, aber auch Mut zum Neuanfang.Sie hielt die Fäden in der Hand, selbst wenn ihr alles zu entgleiten schien. Nicht auf jede ihrer Entscheidungen ist sie stolz, doch immer stand das Überleben der Familie im Vordergrund.
Das Buch wird in zwei Zeitebenen erzählt. Eine davon sind die Rückblenden. Die andere beginnt 1972. Sie schildert die Zeit des Krieges und die Folgen.
Mit folgenden Worten begründet die Großmutter ihrer Enkeltochter, warum sie über ihr Leben berichtet.
„...Wenn unsere Geschichten überleben, werden wir nicht sterben, selbst wenn unsere Körper nicht mehr auf der Erde weilen...“
Huongs Urgroßeltern hatten einen größeren Bauernhof im Norden Vietnams. Dort wuchs die Großmutter behütet auf. Sehr detailliert wird das Familienleben beschrieben. Die Besetzung durch die Franzosen ändert nur wenig an ihrem Leben. Es sind glückliche, wenn auch arbeitsreiche Jahre.
Das sollte sich mit der Besetzung durch die Japaner im Zweiten Weltkrieg ändern. Jetzt kehrt der Tod in ihr Leben ein. Die Großmutter erkennt:
„...Je mehr ich las, desto größer wurde meine Angst vor den Kriegen. Kriege haben die Macht, liebenswerte und kultivierte Menschen in Ungeheuer zu verwandeln….“
Auf den Krieg folgt eine Hungersnot. Die Familie, die selbst kaum etwas hat, hilft, wo sie kann. Das aber wird ihr bei der Landreform schlecht gedankt. Jetzt siegen Geir und Hass über Dankbarkeit, nicht bei allen, aber bei vielen.
Der Großmutter gelingt mit ihren Kindern die Flucht nach Hanoi. Dort baut sie sich aus dem Nichts ein neues Leben auf.
Im Jahre 1972 wiederholen sich die Erfahrungen des Krieges. Jetzt ist es Onkel Dat, der es Huong verdeutlicht:
„...Aber Krieg ist nicht Freundlichkeit oder Mitgefühl, Huong. Krieg ist Tod, Schmerz und Elend. Das weiß ich, weil ich auf einem der schlimmsten Schlachtfelder landete...“
Auch politische Ansichten treiben die Familie auseinander. Einer der Söhne steigt in den Reihen der Partei auf, ein anderer war von dem Wind des Lebens nach der Landreform nach Südvietnam getrieben wurden und stand plötzlich auf der Seite der Amerikaner. Es war die Großmutter, die allen die Hand hinhielt und ihrer Enkeltochter damit eine Vorbild und Zusammenhalt und Versöhnungsbereitschaft war.
Sie ließ sich auch von der öffentlichen Meinung nicht beeinflussen, wenn sie sich für ihren Weg entschieden hatte. Als Händlerin genoss sie kein Ansehen, aber es war ihre Möglichkeit, dass die Familie überleben konnte.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es erlaubt mir einen Einblick in eine fremde Kultur und ein fremdes Land, dessen Volk lange nicht zur Ruhe kam.