Der namenlose Protagonist hat sich vor über vierzig Jahren in ein Mädchen verliebt und seither nur sie geliebt. Zwar hatte er immer wieder Liebschaften und Affären aber Franziska nahm stets den ersten Platz ein. Sie ist mittlerweile berühmt, ihren Künstlernamen Fabienne hat er ihr gegeben, doch noch immer genauso unerreichbar wie in ihrer Jugend. Er ist ein Archivar, ein Sammler von Informationen und als das Archiv entsorgt werden soll, nimmt er es kurzerhand mit nach Hause. Schon immer war er eher alleine, eigenbrötlerisch, doch jetzt zieht er sich nach und nach immer mehr aus der Welt zurück. Und plötzlich ist da wieder eine Verbindung zur Welt, Franziska tritt unerwartet wieder in sein Leben. Doch was soll er nun damit anfangen?
"Das Archiv der Gefühle" ist die Geschichte eines Mannes, der sich nicht viel aus Menschen macht, der schon immer am liebsten zu Hause war. "Aber zu Hause konnte überall sein, solange ich nur für mich war". Nur Franziska konnte diese Einstellung durchbrechen und so lebt der Erzähler sein ganzes Leben lang einen unerfüllten Traum, in dem er sich ausmalt, wie es wäre, mit ihr zusammen zu sein, er lebt für und in seinen Erinnerungen: "Inzwischen lebe ich lieber mit meinen Erinnerungen, als dass ich neue Erfahrungen mache, die schlussendlich doch zu nichts anderem führen als zu Schmerz."
Peter Stamm schildert das alles in einer sehr ruhigen aber poetischen Sprache. Manchmal nüchtern, manchmal sehr gefühlvoll, fast schon philosophisch, blickt der Erzähler zurück auf sein Leben, Handlung an sich gibt es hier kaum. Viel mehr erzählt er, wie es war, mit Franziska aufzuwachsen, er lässt mich teilhaben an seine Gedanken und Gefühlen, an Wünschen und Träumen, an guten und schlechten Erinnerungen. Denn immer wieder durchlebt er auch depressive Phasen. Man wird mitgenommen auf eine Reise ins Innerste dieses Mannes, oft wusste ich im ersten Moment nicht, was ist real und was nicht? Denn er redet ständig mit Franziska, er sieht sie, sie führen lange Gespräche in denen sie all das sagt, was sie im echten Leben nie sagte.
Am Anfang hat die Geschichte sehr gut funktioniert für mich, mein Interesse war geweckt, ich fraget mich, wer ist diese Franziska, die einen solch bleibenden Eindruck hinterlässt? Gleichzeitig fragt man sich auch, wie der Erzähler von außen betrachtet wirkt, seine obsessive Haltung gegenüber seiner Angebeteten, all die Informationen, die er jahrelang sammelt, das alles kann auch sehr angsteinflößend sein. Ab einem Punkt, den ich nicht genau benennen kann, verlor ich etwas das Interesse an der Geschichte und ihren Figuren. Es passiert viel im Erzähler selbst, doch irgendwie plätschert um ihn her alles so dahin. Man wird Zeuge einer Veränderung und gegen Ende spitzt sich alles zu, Traum und Wirklichkeit beginnen sich zu überlagern. Es stellt sich die Frage, ob das Bild, dass er von Franziska und von seiner Liebe zu ihr hat, der Realität standhalten kann. Doch leider war mir das zu dem Zeitpunkt schon egal.