Zähes Psychoduell
Es hätte ein packendes Kammerspiel in Thrillerform werden können: Die erfolgreiche Familienmanagerin Esther besucht ihre jüngere Schwester Sue, um ihr ein Weihnachtsgeschenk vorbeizubringen. Es ist der ...
Es hätte ein packendes Kammerspiel in Thrillerform werden können: Die erfolgreiche Familienmanagerin Esther besucht ihre jüngere Schwester Sue, um ihr ein Weihnachtsgeschenk vorbeizubringen. Es ist der 23. Dezember, beide haben sich in diesem Jahr noch gar nicht gesehen und hoffen, Esthers Überraschungsbesuch möglichst schnell hinter sich zu bringen. Sue erträgt die Anwesenheit ihrer Schwester kaum und diese will eigentlich sofort wieder abfahren – sobald sie sich sicher ist, dass es Sue gut geht und sie sie beruhigt alleine lassen kann. Doch dieser Eindruck stellt sich zunächst so gar nicht ein …
Schnell wird deutlich: Zwischen den Schwestern ist viel im Argen. Wie viel, zeigt sich durch ihre unterschiedlichen Perspektiven auf die Begegnung. Kleinigkeiten – die Begrüßung, das Servieren von Tee, die Einrichtung – werden abwechselnd aus beiden Blickwinkeln geschildert, und schnell wird deutlich: Esther und Sue nehmen die gleiche Situation höchst unterschiedlich wahr. Beide sind geprägt von verdrängten Erinnerungen, die durch ihr Treffen nach und nach hochkommen. Und schließlich weiß man als Leserin oder Leser kaum noch, was man glauben soll: Ist Sue labil, Esther ein Kontrollfreak, oder steckt noch etwas ganz anderes hinter ihrer toxischen Schwesternbeziehung?
Eigentlich eine wunderbare Ausgangslage für einen Thriller, doch statt Fahrt aufzunehmen, wird dieser nach und nach zäh. Beide Schwestern sehnen das Ende ihres Wiedersehens vehement herbei, doch ihr Treffen zieht sich – und mit ihm dieses Buch. Dabei gibt es unerwartete Enthüllungen, Verwicklungen und Erkenntnisse und ich musste meinen Eindruck von beiden mehrmals korrigieren. Doch trotzdem wabert die Geschichte eher schleppend vor sich hin – vielleicht, weil das Verhalten der Schwestern in einigen Punkten so wenig nachvollziehbar bleibt. Oder, weil große Teile der Geschichte durch die unterschiedlichen Perspektiven doppelt erzählt werden und so das Tempo gedrosselt wird. Auch der finale Twist konnte das für mich nicht mehr rausreißen. Am Ende war ich froh, dieses zähe Psychoduell überstanden zu haben.