Ich war überrascht
Drag Queens sind ein Thema, mit dem ich mich bisher noch nicht häufig auseinandergesetzt habe, um nicht genau zu sagen gar nicht. Man hört und sieht hier und dort vielleicht das ein oder andere über sie, ...
Drag Queens sind ein Thema, mit dem ich mich bisher noch nicht häufig auseinandergesetzt habe, um nicht genau zu sagen gar nicht. Man hört und sieht hier und dort vielleicht das ein oder andere über sie, aber ein Buch über sie war mir bisher unbekannt, wahrscheinlich auch aus dem Grund, dass ich bisher nie bewusst danach gesucht habe.
'In all seinen Farben' hat mich daher unerwartet stark bewegt und aus den Latschen gehauen. Ich hätte nicht gedacht, dass mich die Geschichte so in ihren Bann ziehen und mitfühlen lassen würde, es war ein erstaunliches Leseerlebnis. Ich war verblüfft über das Tempo, in dem ich das Buch verschlungen habe, denn auch wenn ich zu Beginn noch ein paar mehr Pausen gemacht habe, habe ich die zweite Hälfte der Story in einem Rutsch hinter mich gebracht.
Robin ist ein außergewöhnlicher Protagonist. Ich habe ihn für seinen Mut und seinen Ehrgeiz bewundert, sein Talent und sein großes Herz. Er war zwar nicht immer ehrlich zu seinen Mitmenschen, aber das konnte ich persönlich ihm sehr schnell verzeihen. Anders sah es leider bei seinen Freunden aus, was auch der einzige Kritikpunkt ist, den ich an der Geschichte hatte.
Seine Clique wirkte auf den ersten Blick sehr verständnisvoll und bestärkend, im Laufe der Zeit türmt sich allerdings ziemlich viel Zoff auf. Ich schwanke stets zwischen den Fronten, in vielen Fällen konnte ich den genauen Grund des Streits auch gar nicht zu 100% verstehen. Jeder kämpfte irgendwie seinen eigenen Krieg, aber vielleicht war genau das der Punkt. Sowohl Kritik von Robin an seinen Freunden als auch umgekehrt habe ich persönlich manchmal nicht so eng gesehen. Das Drama fand ich sehr schade, da es meine Freude über die Drag Thematik sehr getrübt hat.
Zu sehen, wie Robin in der Welt der Drags aufblüht, fand ich nämlich wirklich fantastisch. Man wurde als Leser zusammen mit ihm langsam in alles eingeführt und konnte dadurch, dass er aus seiner Ich-Perspektive erzählt, an seinen Emotionen und Gedanken unmittelbar teilhaben. Ich habe gefühlt, was er fühlt und es hat mich begeistert. Zu sehen, wie sehr ihn all das bewegt und aufwühlt, war enorm fesselnd und ich konnte und wollte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Besonders am Ende standen mir die Tränen in den Augen!
Was das Ganze (leider) sehr realistisch gemacht hat, ist, dass trotz vieler queerer Figuren auch Mobbing und Homophobie im Raum stehen. Es ist nicht die offene, tolerante Welt, wie man sie sich wünschen würde, die hier beschrieben wird, sondern das durchwachsene, zu oft durch Feindlichkeit geprägte Leben eines heranwachsenden homosexuellen Jungen. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass Robin abseits seiner Zukunftssorgen nicht auch noch mit so etwas zu kämpfen haben muss, aber andererseits ist es wahrscheinlich auch richtig, die Schattenseiten der Drag-Szene zu benennen und nicht alles rosarot zu verzerren. Das hat einen stets an den Boden der Tatsachen gebunden, aber trotzdem wie ich fand den Zauber des Drags nicht allzu sehr gebrochen.
Mein Fazit:
Alle Aspekte, die sich mit Drag beschäftigen, fand ich genial umgesetzt und ich habe die Geschichte auch echt genossen. Nur die zwischenmenschliche Querelen zwischen Robin und seinen Freunden bzw. seiner Familie haben dem Ganzen einen Dämpfer verpasst. Ich kann daher keine volle Sternzahl geben, aber es werden dennoch sehr gute 4,5 von 5 Sternen.