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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.11.2021

Morde im Palast der Queen

Die unhöfliche Tote
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Wie auch schon das Cover des ersten Bandes dieser Cosy Crime Serie (alles in rosa gehalten), sticht das strahlend blaue Cover ins Auge. Man weiß sofort, um wen es sich handelt, denn die Queen trägt meistens ...

Wie auch schon das Cover des ersten Bandes dieser Cosy Crime Serie (alles in rosa gehalten), sticht das strahlend blaue Cover ins Auge. Man weiß sofort, um wen es sich handelt, denn die Queen trägt meistens einfarbige Ensembles vom Hut bis zum Mantel. Der kleine Corgy darf natürlich nicht fehlen. Der Titel gefällt mir nicht besonders gut, aber ein verkaufsfördernder Effekt ist sicherlich einkalkuliert, denn das Kopfkino der Interessenten wird in Gang gesetzt.
Auf dem Hintergrund des nahenden Brexits und der US-amerikanischen Wahlen, ist die Queen “not amused”. Hinzu kommt, dass sie ein verschwundenes Bild bei einer Ausstellung entdeckt, an dem sie aus sentimentalen Gründen sehr hängt. Es ist eher unbedeutend, aber zeigt “Die Britannia” in strahlenden Farben. Die Queen kennt alle ihre 7000 Gemälde ziemlich genau. Somit ist sie sich sicher, dass es sich nicht um eine Kopie handelt. Wie auch schon in Band 1, setzt sie ihre Privatsekretärin Rozie auf die Aufklärung an, denn sie selbst agiert nur im Hintergrund, zieht die Fäden, überlässt die offizielle Detektivarbeit aber den dafür verantwortlichen Polizisten oder Angestellten. Die Handlung wird vielschichtiger, als die Leiche der Haushälterin am Pool des Palastes gefunden wird. Es kommt zu einem weiteren Mord, Drohbriefe und Mobbing unter den Palastangestellten kommen ans Licht, ebenso wie langjähriger Diebstahl.
Die Queen ist sehr sympathisch gezeichnet, und es gefällt mir gut, dass man häufig an Ihren Gedankengängen teilhaben kann. Besonders ist auch ihr Ehemann, Prinz Philip (2016 lebte er ja noch), dargestellt, der mich mit seinen komischen Bemerkungen und seiner ruppigen Art zum Lachen gebracht hat. Aber auch Prinz Charles und einige Höflinge werden leicht, aber mit Sympathie, verspottet.
Vieles wirkt skurril: die Queen seufzt zum Beispiel über die Fledermäuse im Palast und klettert trotz morscher Knie in einem großen Kleiderschrank. Also kommt der britische Humor nicht zu kurz. Alles ist in einem herrlich flüssigen Stil erzählt, sehr unterhaltsam, wobei mich das gut recherchierte Leben am Hofe noch mehr interessiert hat als der Krimifaktor, obwohl es viel Action gibt.
Ein kurzweiliges Buch, welches ich meinen Freunden sehr gerne zu Weihnachten schenken werde. Ein großes Lob auch für den guten Übersetzer.

Veröffentlicht am 31.10.2021

Kampf ums Überleben

Grace – Vom Preisträger des Booker Prize 2023 ("Prophet Song")
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Wir sind im Jahre 1845, dem Jahr der großen Hungersnot in Irland, ausgelöst durch die Kartoffelfäule, denn Kartoffeln sind das Hauptnahrungsmittel der armen Bevölkerung. Mindestens 1 Million Menschen verhungern. ...

Wir sind im Jahre 1845, dem Jahr der großen Hungersnot in Irland, ausgelöst durch die Kartoffelfäule, denn Kartoffeln sind das Hauptnahrungsmittel der armen Bevölkerung. Mindestens 1 Million Menschen verhungern. Ein bis zwei Millionen wandern aus. Das düstere Cover führt geschickt in diese Misere ein.
Auf diesem Hintergrund schneidet Grace Coleys Mutter ihrer 14-jährigen Tochter die Haare ab, steckt sie in Männerbekleidung und zwingt sie, das Haus zu verlassen, um auf Wanderschaft durch Irland zu gehen, da sie alle ihre Kinder nicht mehr ernähren könne. Als Junge sei sie geschützter.
Auf ihrer Odyssee begegnet sie Tausenden Bettlern und Arbeitssuchenden und muss erleben, wie sie der Überlebenskampf Grenzen und Regeln überschreiten lässt. Sie stielt und wird bestohlen, ist am Rande ihrer Willenskraft und lebt wie ein Tier. Wenn es ihr besonders schlecht geht, “redet” sie mit ihrem 12-jährigen Bruder Colly, der zwar nur in ihrem Kopf existiert, ihr jedoch in ihrer Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit Trost spendet und Tipps gibt. Besonders hat mich die Hartherzigkeit der wohlhabenden Leute schockiert. Lynch klagt diese geschickt unterschwellig an!” Grace durchlebt die Hölle, arbeitet in sehr unterschiedlichen Jobs und wandelt sich körperlich zur Frau.
Als die Grenze zwischen Mensch und Tier schwindet, liefert der Autor seitenlange Monologe, basierend auf direkten Assoziationen, die ihre kraftlosen Gedanken verdeutlichen und ihren entglittenen Seelenzustand sehr gekonnt beschreiben. Danach folgen 4 schwarze Seiten, die wohl den Tod symbolisieren sollen, jedoch überlebt Grace auch diese Krise.
Lynchs Erzählweise ist unglaublich intensiv, düster und wuchtig, mit ganz eigenem Rhythmus. Die Atmosphäre wir bestimmt durch Aberglauben und Anspielungen auf irische Mythen und Sagen, die teilweise in den Anmerkungen erläutert werden. Wir werden also in eine ganz andere Welt katapultiert, und auch die detailliert beschriebene Grace mit ihrem Nachgrübeln über die Seele und den Sinn des Lebens finde ich sehr authentisch. Bart, ein Weggefährte und Colly werden sympathisch als kritische Denker dargestellt.
Am Ende des Werkes ist Grace fast 19. Ihr geistiger Ausnahmezustand wird gekonnt auf 4 Seiten beschrieben und gesteht dem Leser eine eigene Interpretation zu.
Das Werk hat mich tief beeindruckt und erschüttert, andererseits hat es mich mit einer sehr speziell dargestellten Thematik konfrontiert, meine Kenntnisse über das Irland der damaligen Zeit vertieft und mich dazu animiert, mehr über dieses mystische Land und seine Geschichte zu erfahren.
Man muss sich auf diesen Roman einlassen, denn er ist keine seichte Urlaubslektüre. Er regt stark zum Nachdenken an und kann nur kritischen Personen empfohlen werden, die eine gewisse Affinität Irland gegenüber zeigen. Meine Erwartungen wurden voll getroffen!
Der Übersetzerin ist eine Meisterleistung geglückt, indem sie das typisch Irische hervorkehren konnte.

Veröffentlicht am 24.10.2021

David versus Goliath

Wie schön wir waren
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Das tolle Cover mit den in Naturtönen gehaltenen Afrikafarben stimmt einen perfekt ein auf die Handlung in “Wie schön wir waren”, die uns in ein kleines fiktives afrikanisches Dorf führt, wo die Menschen ...

Das tolle Cover mit den in Naturtönen gehaltenen Afrikafarben stimmt einen perfekt ein auf die Handlung in “Wie schön wir waren”, die uns in ein kleines fiktives afrikanisches Dorf führt, wo die Menschen mit dem Ahnenkult in einer hierarchischen, patriarchalischen Gesellschaft leben. Nach der Schule erlernen die Jungen mit 12 Jahren das Jagen, während die Mädchen von ihren Müttern in die Hausarbeit eingeführt werden. Die Vorbereitung auf ein Dasein als Ehefrau und Mutter ab circa 17 Jahren ist dringend notwendig, und alle Mädchen versuchen schon früh, sich einen potentiellen Ehemann zu sichern. Alle, bis auf Thula, die wissensdurstig und durchsetzungsfähig ist und es schafft, unterstützt durch eine amerikanische Menschenrechtsorganisation, sich gegen die Firma Pexton durchzusetzen, denn das Land, die Luft und das Wasser des Dorfes sind verseucht durch den amerikanischen Ölkonzern Pexton, der, mit Genehmigung der korrupten Regierung, Erdöl in der Gegend des Dorfes fördert, ohne Rücksicht auf die Bewohner. Der Dorfälteste wurde von dem Großkonzern gekauft. Es scheint ihm aufgrund seiner Privilegien egal zu sein, dass die Bewohner seines Dorfes, die unterdrückt und ausgebeutet werden, viele Tote zu beklagen haben. Sie glauben naiv an ihre Rechte und das Gute im Menschen, lernen im Verlauf der Handlung jedoch, sich zu wehren.
Die einzelnen Dorfbewohner sind sehr detailliert gezeichnet und die einzelnen Kapitel werden aus der Sicht unterschiedlicher Personen dargestellt, wodurch man viel über den Alltag im Dorf und die Gebräuche erfährt. Es gibt viele Unterbrechungen im Erzählfluss, Rückblenden und kurze Vorausschauen. Es wird mehrfach von einem brutalen Massaker an vielen Dorfbewohnern berichtet, die Hintergründe werden aber erst später dargelegt. Dadurch wird die Spannung erhöht, und der Leser bleibt tief betroffen zurück, unterstützt durch die kraftvolle, sehr intensive Sprache der Autorin, die es geschickt schafft, das brutale Vorgehen der Starken gegen die Schwachen darzulegen. Andererseits lässt sie die Dorfbewohner oft in einer poetischen, metaphorischen Sprache ihre Gefühle ausdrücken. Dieser sprachlich und inhaltlich gekonnte Ansatz lässt einen die Mentalität der Dorfbewohner besser verstehen.
Kosawa steht natürlich exemplarisch für die sehr aktuelle Umweltproblematik und die Unterdrückung und Ausnutzung von Schwachen in Afrika und anderen unterentwickelten Regionen.
Das Buch hat mich stark gefesselt und meine Erwartungen voll erfüllt.

Veröffentlicht am 03.10.2021

Anonyme Leichenteile

Abgetrennt
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Durch eine Fernsehsendung bin ich auf Michael Tsokos und seine Werke aufmerksam geworden. Somit ist “Abgetrennt” mein erster Tsokos -Thriller, aber auch ohne Kenntnis der zwei Vorläuferbände kann man sich ...

Durch eine Fernsehsendung bin ich auf Michael Tsokos und seine Werke aufmerksam geworden. Somit ist “Abgetrennt” mein erster Tsokos -Thriller, aber auch ohne Kenntnis der zwei Vorläuferbände kann man sich gut in die Geschichte einfühlen und lernt gleich zu Beginn alle wichtigen Charaktere kennen. Besonders gut hat mir der Rechtsmediziner Dr. Paul Herzfeld gefallen, der sehr authentisch rüberkommt, gepflegte Sprache verwendet und voller Akribie in seiner Arbeit aufgeht. Sehr detailliert werden Obduktionen beschrieben, die aber immer so formuliert werden, dass man sie als Laie auch problemlos verstehen kann. Das Ganze ist in die sehr spannende Handlung eines Thrillers integriert. Der aufreibende Arbeitsalltag eines Rechtsmediziners wird umso bedeutsamer, da Michael Tsokos, Professor für Rechtsmedizin und international anerkannter Experte auf dem Gebiet der Forensik, in seinem Nachwort erklärt, dass die Handlung auf wahren Begebenheiten beruht, die meist genauso abgelaufen sind.
Die kurzen Kapitel und die wunderbar leichte und flüssige Sprache des Autors ließen mich durch die Seiten fliegen, dabei werden parallel stattfindende Ereignisse in aufeinander folgenden Abschnitten beschrieben und mit Zeit- und Ortsangaben versehen.
Der abgetrennte Arm, der auf dem Cover abgebildet ist, führt in die Kieler Rechtsmedizin, und die Recherchen finden in der Kieler Umgebung und sogar, zum Schluss, in Bad Segeberg bei den, von mir sehr geliebten, Karl May Festspielen statt.
Auch das Cover fasziniert mich. Es evoziert eine düstere und geheimnisvolle Atmosphäre mit dem Männerarm und der haptischen Narbe. Es erzeugt Neugier, denn man fragt sich, was wohl abgetrennt wurde, und liest dann den Klappentext.
Eine klare Kaufempfehlung für die Leser, die das Besondere lieben, denn die Mischung aus spannendem Thriller und interessantem Rechtsmedizineralltag ist prima geglückt.
Sicherlich werde ich die Vorläuferbände noch lesen, wie auch alle zukünftigen Tsokos- Fans.

5 Punkte

Veröffentlicht am 26.09.2021

Hassliebe

SCHWEIG!
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Das Cover des Thrillers von Judith Merchant ist sehr minimalistisch, fast ausschließlich in schwarz-weiß Tönen gehalten. Es hätte mich nicht zum Kauf des Werkes bewogen, der imperativ “Schweig” schon, ...

Das Cover des Thrillers von Judith Merchant ist sehr minimalistisch, fast ausschließlich in schwarz-weiß Tönen gehalten. Es hätte mich nicht zum Kauf des Werkes bewogen, der imperativ “Schweig” schon, denn das einzelne Wort hat eine große Ausstrahlungskraft!
Die beiden Schwestern stellen Contrapunkte bezüglich ihres Charakters und ihrer Lebensgeschichte dar.
Esther, verheiratet, zwei Kinder, finanziell recht einfach ausgerichtet. Sue, sehr vermögend, geschieden und psychisch scheinbar angeschlagen, dazu äußerst penibel und ruhebedürftig.
Esther kümmert sich seit der Kindheit um ihre kleine Schwester, macht sich ständig Sorgen, kontrolliert, manipuliert und maßregelt sie. Sue ist davon völlig genervt und möchte auf gar keinen Fall ein Treffen mit ihrer Schwester zu Weihnachten. Diese erzwingt es und es kommt zu einem Psychospiel mit hochkochenden Emotionen. Der Plot zieht den Leser immer mehr in seinen Bann. Die beiden Protagonistinnen berichten aus ihrer jeweiligen Perspektive und es wird zu einem Familiendrama als Martin, Esthers Ehemann, involviert wird.
Wir finden zwei Erzählerinnen in kurzen Kapiteln vor, und der Leser weiß oft nicht, auf wessen Seite er sich schlagen soll.
Der Schreibstil ist klar, und durch die unterschiedlichen Perspektiven sehr kontrastreich und lebendig.
Die Charaktere sind sehr differenziert und realistisch abgebildet, so dass man mitfiebert und von dem Werk gefangengenommen wird. Leider geschieht auch noch ein Unglück!
ich finde diesen Thriller sehr spannend und gelungen. Ein tolles Weihnachtsgeschenk für Freunde!