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Veröffentlicht am 26.09.2021

"Ausweglos" - An welchem Mord möchtest du schuld sein?

Ausweglos
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Krimi und Thriller sind für mich ja immer so eine Art Ausgleich. Gerade, wenn mich ein Roman sehr gefordert hat und ich nicht gleich in ein neues, ähnlich forderndes Abenteuer starten mag oder kann, schiebe ...

Krimi und Thriller sind für mich ja immer so eine Art Ausgleich. Gerade, wenn mich ein Roman sehr gefordert hat und ich nicht gleich in ein neues, ähnlich forderndes Abenteuer starten mag oder kann, schiebe ich etwas spannendes dazwischen. Doch die Qual der Wahl macht es da gar nicht so einfach... Auf Henri Fabers "Ausweglos" bin ich vor kurzem über ein Insta-Live mit ihm und Romy Hausmann gestolpert und war irgendwie sofort fasziniert. Die Grundidee, dass jemand bedroht wird und den Täter zu seiner Wohnung und Frau führen soll, dann aber aufgrund des Schlüssels zur Nachbarwohnung zwischen zwei Türen entscheiden kann und was dann folgt, finde ich gedanklich total spannend und gleichzeitig völlig perfide. Über das Unglück eines Menschen zu entscheiden, sich so oder so schuldig zu machen, ohne Ausweg... puh.

"Wenn Noah Klingberg wusste, dass Emma zu Hause war, hat er den Killer bewusst zu ihr geführt. Er hat eine wehrlose Frau einem Psychopathen ausgeliefert, vorsätzlich. Das ist Beihilfe zum Mord. Aber macht ihn das tatsächlich zum Monster? Zwei Schlüssel in seiner Hand, in der einen Wohnung Emma Falk, in der anderen seine Frau. Bekannte gegen Ehefrau - natürlich führt er den Angreifer nicht in die eigene Wohnung, jeder hätte so gehandelt."

Wirklich? Vor einigen Jahren hielt eine Mordserie in Hamburg nicht nur die Stadt in Aufruhr, sondern ließ die Ermittlungen der zuständigen Kriminalbeamten immer wieder ins Leere laufen. Der berüchtigte Ringfinger-Mörder, so wie ihn die Medien damals tauften, treibt nun scheinbar wieder sein Unwesen. Vier Frauen hat er auf dem Gewissen. Vier Frauen, die hinterlistig in ihrer Wohnung mit einem Schnitt durch die Hauptschlagader am Hals getötet, mit weiteren Stichen versehen und dem Ringfinger beraubt wurden. Doch dieses Mal ist einiges anders, denn der Täter hat zusätzlich einen Mann bedroht, bevor er seine Tat ausführen konnte. Es gibt somit einen Zeugen. Dumm nur, dass dieser bis auf die ungefähre Statur und zahlreiche eigene Blessuren sehr wenig zu berichten weiß. Sind die Ermittlungen also schon bevor der Fall erneut aufgerollt wird, wieder zum Scheitern verurteilt? Woher kannte der Täter die Frau? In welchem Zusammenhang steht dieser Fall mit den vorherigen und warum taucht er ausgerechnet jetzt wieder auf? Fragen über Fragen und mittendrin ist Elias, dessen Leben seit den damaligen Geschehnissen auf anderen Wegen verläuft, da sie ihn den Job in der Mordkommission gekostet haben und ihn, vor allem die Bilder von damals, nie wieder losgelassen haben.

Ja, ich glaube so kann man es grob zusammenfassen, ohne wirklich viel von diesem Fall zu erzählen, denn gefühlt ist auch hier jeder Hinweis ein Spoiler. Und auch wenn das nun alles schon recht spannend normal (für einen Thriller) klingt, so muss ich sagen, gibt es hier Wendungen und gerade durch das betroffene Paar, dass sich so sehnlichst ein Kind wünscht und dadurch auf vieles verzichten muss, weitere Verstrickungen und und und in dieser Form alles außer Standard ist. Aber auch dieses Buch hat so seine Höhen und Tiefen - so muss man es leider sagen, denn schon nach den ersten 50 bis 100 Seiten war ich kurz davor diesen Thriller wieder wegzulegen. Es gibt immer mal wieder so spannende Einwürfe, die sich ein paar Seiten lang halten, aber mit dem Sprung zu einer anderen Perspektive/ zu einereinem anderen Protagonistin, sofort wieder verloren gehen und dann so ein bisschen ins Langweilige abdriften. Dieser Erzählungswechsel zwischen Linda (der Partnerin des bedrohten Mannes), Noah (ihrem Freund) und dem Ermittler Elias, der in seiner Vergangenheit auch so einiges verbockt hat und natürlich vor einigen Jahren schon einmal mit dem Fall des Ringfinger-Mörders zutun hatte und über Umwege nun auch Teil des aktuellen Ermittler-Teams ist, hat mich an manchen Stellen so genervt, aber an den überlappenden Stellen auch so begeistert. Gerade Lindas Perspektive habe ich stellenweise nur noch überflogen, Noahs ähnlich und Elias hat mich quasi durch das Buch gerettet bis dann alles mehr aufeinander aufbaut und die Spannung erhalten bleibt. Und dafür bin ich ihm dann tatsächlich sehr dankbar, denn am Ende kommt hier so einiges zusammen, die Spannung schwappt über, eins führt zum anderen, zu etwas noch größerem und dann hat mich dieser Thriller gleich auf mehreren Ebenen begeistern können... aber bis dahin ist auch ein weiter Weg. Leider darf ich nun wenig über den besten Teil bzw. die Auflösung selbst verraten, aber damit hatte ich nur bedingt gerechnet, dachte zwischenzeitlich die ganze Geschichte würde sich in eine komplett andere Richtung entwickeln und dann hat die Falle plötzlich zugeschlagen und die letzten 100 - 150 Seiten haben mich voll und ganz in Beschlag genommen. Ob dies nun so wie es geschildert wurde möglich erscheint oder doch recht konstruiert, sei mal so dahingestellt, für mich ist jeder Krimi in irgendeiner Form etwas abstrus, aber wie Faber am Ende alle Stricke zusammenführt, das ist schon ganz gut und spannend. Also alles in allem eine gute Unterhaltung mit etwas Ausbaupotenzial.

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Veröffentlicht am 31.03.2021

Die Geschichte eines unvergesslichen Sommers

Der große Sommer
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Eigentlich hatte der 16 jährige Friedrich sich seinen Sommer ganz anders vorgestellt. Doch aus dem geplanten Urlaub mit der Familie wird es nichts, dafür sind seine Noten in der Schule einfach zu schlecht. ...

Eigentlich hatte der 16 jährige Friedrich sich seinen Sommer ganz anders vorgestellt. Doch aus dem geplanten Urlaub mit der Familie wird es nichts, dafür sind seine Noten in der Schule einfach zu schlecht. Und nun sitzt er bei seinem strengen Großvater und soll die vollen sechs Wochen für die Mathe und Latein-Nachprüfung nach den Sommerferien lernen. Jackpot. Aber da gibt es ja zum Glück noch seinen Kumpel Johann, seine Schwester Alma, die gerade ein Praktikum in einem Altenheim absolviert und Beate, das Mädchen, das er neulich im Schwimmbad kennenlernte und die ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf geht. Er unternimmt so einiges um ihr näher zu kommen, streift durch die Stadt, verabredet sich mit ihr und seinen Freunden und erlebt einen unvergesslichen Sommer voller Nähe, Liebe, Zusammenhalt bis plötzlich durch ein Unglück alles wegzubrechen droht.



"Wie geschah so etwas? Was bedeutete es denn eigentlich, wenn man sich verliebte? Vielleicht war Verliebtheit ein wenig so wie der Tod. Danach war nichts mehr, wie es vorher gewesen war. Alles andere verlor an Bedeutung und alles, alles wurde plötzlich in Bezug gesetzt zu einem Menschen, den man kurz vorher noch gar nicht gekannt hatte."



Ach, diese Jugend. Diese vielen Erinnerungen, die beim Lesen hochkommen und an die schönen, unbeschwerten Zeiten von früher erinnern. Dieser Roman erzählt von so vielen ersten Malen, von den Überraschungen des Lebens und der Liebe und das so locker, leicht, dass es eindeutig ein großartiges Buch für die wärmere Zeit ist. Ich habe mich von Anfang bis zum Ende super unterhalten gefühlt, doch jetzt so im Nachhinein frage ich mich, ob es das ist, was ein gutes Sommerbuch für mich ausmacht? Gute, lockere Unterhaltung mit vielen Themen des Lebens, Liebe, Freundschaft, Drama und Vergnügen bietet Arenz mit "Der große Sommer" voll und ganz, aber so wirklich begeistern kann er mich mit dieser Geschichte rund um Frieders Sommer mit seinen Freunden trotzdem nicht. Zumindest war es mir im Zwischenteil viel zu verrückt und abstrus, ein Großvater, der als Arzt der Bakteriologie im Labor arbeitet und ehrwürdig doktorlike einen Abstrich von einem Tiger im Zoo nimmt und natürlich dürfen sein Enkel und seine neue Freundin ihn spontan begleiten und hautnah neben dem Tier sitzen. Und natürlich gibt es plötzlich ein großes Drama, Schusseligkeiten, jugendliche Eskapaden, Liebeskummer, dies, das, jenes und dann wieder Friede, Freude, Eierkuchen.

Arenz vermittelt trotz aller Vorkommnisse die Leichtigkeit des Lebens, zumindest, wenn man so tolle Großeltern besitzt, die sich um alles kümmern, aber sonst bleibt doch recht wenig übrig. Des Weiteren haben mir meine eigenen Gedanken oft das Bein gestellt, denn bei Aussagen wie "Sie klang ein bisschen atemlos und das fand ich unglaublich erotisch." oder "Sie war ganz heiß." habe ich häufig an den Autor und nicht an Frieder, der es eigentlich dachte, gedacht und das hat mich dann ehrlich gesagt immer wieder verstört, zumal Beate auch noch ein Mädchen ist und es sich bei ihnen scheinbar um die erste große Liebe handelt. Und so komme ich dann am Ende auch eher zu einer durchschnittlichen Bewertung. Ich hoffe nun, dass mich andere Erzählungen nochmal etwas mehr und realistischer in Sommerfreude versetzen und begeistern können, aber der Sommer fängt ja auch erst an und dafür war es schon mehr als okay.

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Veröffentlicht am 03.02.2020

Helge Timmerberg – ein Hippie und der Glaube an die Kraft der Worte

Das Mantra gegen die Angst oder Ready for everything
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“Bereit für alles zu sein bedeutet, keine Angst mehr zu haben, und wer keine Angst hat, keine einzige, auch nicht die klitzekleinste, ist frei, und wer frei ist, hat alle Kräfte, die von der Angst absorbiert ...

“Bereit für alles zu sein bedeutet, keine Angst mehr zu haben, und wer keine Angst hat, keine einzige, auch nicht die klitzekleinste, ist frei, und wer frei ist, hat alle Kräfte, die von der Angst absorbiert werden, zur freien Verfügung.”



Helge ist Autor, Journalist, Reiseschriftsteller und selbst ernannter Hippie. Als er vor Jahren im Annapurna-Massiv pilgerte und sich einem Yogi anvertraute, schenkte dieser ihm ein Mantra gegen seine Angst. Und seine Ängste, Aufregung, Lampenfieber waren tatsächlich recht häufig präsent – sei es durch einen nahenden Hund, einen Türsteher oder eben eine Lesung. Jedenfalls murmelt er sich nun seit etwa 15 Jahren vor schwierigen Situationen, die ihn in Stress und Angst versetzen, das Mantra vor, sein Geist beruhigt sich und er ist für diesen Moment von den bösen Gedanken befreit. Als er nun auf Lesungen immer wieder davon erzählt, würden seine Zuhörer auch gerne von diesem Mantra profitieren. Doch einfach so weitergeben, darf Timmerberg es nicht, denn das könnte das Mantra unwirksam machen.
Dies führt den Autor nun wieder zurück nach Kathmandu. Hier begibt er sich nun auf die Suche nach dem Yogi Kashinath, um ihm zu danken und gleichzeitig zu fragen, wie geheim das Mantra eigentlich ist und ob er jenes mit anderen teilen darf. Timmerberg möchte weiter gehen und darüber ein Buch veröffentlichen und genau das hält man dann mit Das Mantra gegen die Angst oder Ready for everything in den Händen. Dies ist seine Reise, seine Geschichte, einige Begegnungen, Gedanken, neun Tage, Kathmandu.



“Alle wissen, dass ein Mantra kein Opel ist, Mantras sind Worte, die wirken. Nicht durch ihren Inhalt, sondern ihre Lautschwingungen. Sie massieren das Gehirn von innen, sie schwingen die Stressneuronen raus, andere machen das genaue Gegenteil und putschen auf, für jeden ist etwas dabei, sie haben sogar ein Mantra, um Tiger ruhigzustellen.”



Ich gebe zu, dieses Buch entspricht nicht ganz meinen Erwartungen. Ich hatte mit einer Mischung aus spannender Reiselektüre und Weisheit fürs Leben gerechnet und wurde in dieser Hinsicht dann eher enttäuscht. Und dennoch, ist dieses Buch so unbestimmt wie das Leben selbst. Timmerberg schreibt eher locker, direkt und eigenwillig, eben so, wie es ihm gerade in den Sinn kommt. Er schreibt über seine Gedanken, seine Reise, die ursprünglich auf 4 Wochen festgelegt wurde und die er dann abbrechen und auf neun Tage reduzieren möchte. Alles ist sehr ungewiss und so hat man dann auch das Gefühl, dass es für dieses Buch eigentlich keinen roten Faden gibt und doch erzählt er mit einigen Rückblenden seine Geschichte und wie ihn der Glaube an die Kraft des Mantras geholfen hat. Timmerberg macht dem Leser deutlich, dass zu viele Gedanken für eine Entscheidung nie von Vorteil sind, es eigentlich nie eine richtige Entscheidung gibt und dass alles meistens ganz anders kommt, als urpsrünglich geplant. Der Autor hatte scheinbar schon immer ein aufregendes Leben mit einigen Höhen und mehreren Tiefschlägen und doch hat er seinen Weg gefunden. Diese Geschichte ist daher ein Teil von ihm, so eine Mischung aus autobiographischem Auszug und Mantra. Sie enthält einige sehr tiefsinnige Bemerkungen, gespickt mit Witz, Leichtigkeit und einer Prise Abenteuer. Es ist ein Buch, das man locker nebenbei lesen kann, einem die Hand reicht und in seiner ganzen Ungewissheit leitet – raus aus der Gedankenspirale, hinein in die Freiheit.
Wer bei diesem Roman einen Reiseroman oder einen tiefsinnige Reise ins Land Buddhas, sowie Anleitungen Ängste abzulegen, erwartet, der ist hier sicherlich falsch aufgehoben. Für mich war es eher ein spezielles Experiment, denn wie schon gesagt, lese ich diese Art von Buch eher seltener und trotzdem hat Timmerberg mich irgendwie fasziniert und mit auf seine Reise genommen, ohne mich in irgendeiner Art und Weise zu überfordern. Das ‘beigelegte’, gesungene Mantra ist vielleicht das Highlight des Buches, aber die Geschichte lässt gerade Vieldenker, wie mich, etwas zur Ruhe kommen.



“In 30 Minuten kann viel geschehen. Sogar ein klarer Gedanke.”

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Veröffentlicht am 27.09.2019

Die Hoffnung ist ein gutes Frühstück, aber ein schlechtes Abendessen

Vielleicht wird morgen alles besser
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Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich damals das Buch "Im Meer schwimmen Krokodile" zu Weihnachten geschenkt bekommen habe. Es war mein erstes Buch von Fabio Geda und ich mochte es wirklich ...

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich damals das Buch "Im Meer schwimmen Krokodile" zu Weihnachten geschenkt bekommen habe. Es war mein erstes Buch von Fabio Geda und ich mochte es wirklich sehr gern. Umso mehr freute ich mich nun, auf seinen neuen Roman "Vielleicht wird morgen alles besser" gestoßen zu sein.

"Meine Oma starb auf dem Großmarkt, wo sie von einem Gabelstapler überfahren wurde: Ich habe sie sehr geliebt, weil sie mir das Zeichnen beigebracht hat, und obwohl ich sie erst im Sarg wiedersah, als ihr das halbe Gesicht fehlte, durfte ich ihr ein Pokémon in die Hand drücken: Squirtle. Und sonst?"

Ercoles Leben war noch nie einfach, von gut situiert, meilenweit entfernt. Seine Großeltern leben nicht mehr und auch seine Mutter hat sich eines Tages aus dem Staub gemacht. Sein Vater trinkt gerne mal einen zu viel und seine Schwester Asia schmeißt mehr oder weniger den gesamten Haushalt. Sie versuchen irgendwie den Schein einer funktionierenden Familie aufrecht zu erhalten, um nicht aufzufallen und dem Jugendamt zu entgehen. Doch eines Tages scheint alles ins Wanken zu geraten. Seine Schwester möchte ausziehen, sein Vater wird von der Polizei festgenommen und mit seiner neu gewonnenen Freundin verbockt er es. Das mühsam errichtete 'Kartenhaus' schein einzustürzen. Ercole flüchtet und macht sich anhand von Postkarten auf die Suche nach seiner Mutter, doch was er findet ist mehr, als er je erwarten konnte. Zwischen Flucht, Liebe und Unverständnis.

"Aus meiner Sicht erinnert das Leben oft an die Garderobe eines Clowns: Es hält die wildesten Farben parat - und Boxhandschuhe, die hervorschnellen, wenn man es am wenigsten erwartet. Manchmal grinse ich auch, wenn es sich eigentlich nicht gehört, und dann denken die Leute, ich würde sie auf den Arm nehmen."

Auch wenn die ursprüngliche Geschichte recht vielversprechend klang, war dieser Roman für mich kein Highlight. Neben Ercoles manchmal recht unverständlichen Reaktionen, die man vielleicht noch irgendwie aufgrund von Verlustängsten deuten könnte, machten Szenen wie die Fluchtfahrt mit dem Transporter einfach keinen Sinn. Auf einem kurzen Ausflug hatte er gerade erst das Fahren gelernt und kann bereits am Abend das Auto ganz leise von Hof stehlen und soll nun auch noch unbeschadet eine Verfolgungsjagd durch die Stadt überstehen? Vielleicht habe ich mich selbst als Fahrschüler auch nur dumm angestellt, ich konnte das jedenfalls nicht. Und so geht es dann auch weiter, im Wust der Zufälle und Möglichkeiten.
Ich hätte dieses Buch wirklich gerne gemocht, zumal ich Gedas Art zu schreiben sehr mag, aber hier fand ich dann weder die durch das Titelbild assozierte Geschichte, noch einen lange nachhallenden, im Gedächtnis bleibenden und realistischen Roman vor. Sehr schade!

Veröffentlicht am 27.09.2019

Ein Film, eine Erinnerung an eine scheinbar perfekte Familie und Kindheit

Sommer in Super 8
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"Wenn das Haus brennt, werde ich nach euch Kindern die Filme als Erstes retten!

"Wenn das Haus brennt, werde ich nach euch Kindern die Filme als Erstes retten!<, sagte Mama, und ich zweifelte nicht eine Sekunde an ihren Worten. Unsere Mutter, die Retterin des von Papa geschaffenen Famlienheiligtums."

"Sommer in Super 8" von Anne Müller - Ein Buch, dass für viele die 70er Jahre samt Tritop und Super-8-Filmen neu aufleben lässt. Auch wenn es nicht ganz meine Zeit war und ich somit kaum Erinnerungen an die 70er mitbringe, hat mich die Geschichte rund um Clara und die Filmerei zunächst sehr interessiert.
Nach außen hin sind sie eine ganz normale Landarztfamilie. Clara ist eins der 5 Kinder der Familie König. Eine scheinbar eher gut situierte und geschätzte Familie. Es geht um Ausflüge, den ganz normalen Alltag innerhalb der Familie, die Schule und natürlich das Schwelgen in Erinnerungen in Form von selbst gedrehten Filmen. Clara erzählt von ihren Gedanken, Wünschen, Empfindungen und wächst wortwörtlich mit jeder Seite. Irgendwann sollte allerdings alles anders werden. Ihr Vater hat Depressionen und verfällt dem Alkohol. Der glänzende Schein nach außen beginnt nach und nach zu bröckeln und einzelne Gerüchte werden laut.
Clara verliebt sich, ihr erster Kuss, ihr erster Freund. Und dann geschieht es. Es war an einem Mittwoch oder generell passiert alles bewegende in Claras Leben an einem Mittwoch und es sollte ihr 14. Lebensjahr beinahe unvergesslich machen...

"Wir Kinder ahnten nicht, dass unser so spendabler Vater mit dem weißen kurzärmeligen Hemd und unsere Mutter im neu geschneiderten Kleid dieses Jahr nicht einfach nur so mit uns über den Jahrmarkt gingen, sondern eine verzweifelte Inszenierung der Normalität lieferten..."

Am Ende muss ich dann leider sagen, ist es nicht ganz das, was ich erwartet hatte. Die Idee hinter den super 8 Filmen fand ich nämlich sehr faszinierend, zumal laut Klappentext von 5 Kindern, Ausflügen an die Ostsee, abendliche r Hausmusik und aufregenden Filmen die Rede war. Aufregend war's für die damalige Zeit sicher, aber beim Lesen war es nun nicht DIE packenste Geschichte rund ums Filmemachen, Abspielen und aufwühlende Eskapaden. Es handelt sich eher um eine leichte, lockere Mädchengeschichte, zumindest hatte ich ständig das Gefühl, als es um Claras Jugendprobleme, Freundinnen und Knutschgeschichten ging, dass es eben kein Roman für mich ist und die Zielgruppe ganz klar wo anders liegt. Die wirklich erschütternden Dinge passieren eher beiläufig und ich hätte mir da ganz klar einen etwas anderen Fokus gewünscht. Das heißt nun nicht, dass es hier hauptsächlich um das harte Leben als solches gehen sollte, dennoch war die kindliche Erzählung teils recht fad und anstrengend. Es ist ein eher fluffiges Buch, ohne große Spannungsbögen. Ein Buch, über die Jugend eines Mädchens in den 70ern.
Ein Buch das recht weich, toll, schwärmerisch und schön daherkommt und doch teilweise genau das Gegenteil beinhaltet. Eine schwierige Familiengeschichte in schön quasi. Ein Film, der nur selten hinter die eigentlichen Kulissen blicken lässt und doch recht viel zeigt.
Mich selbst konnte dieser Roman nicht ganz so begeistern, noch packen. Eine kurzweilige Unterhaltung für Zwischendurch mit viel Geplänkel. Einzig mit dem letzten Kapitel konnte Anne Müller mich endlich emotional erreichen, doch alle anderen Erwartungen blieben leider in diesem Fall weiterhin unerfüllt.

"Seht her, das war euer Leben. Wir haben uns Mühe gegeben. Wir haben es versucht, eine glückliche Familie zu sein. Der Film ist wie ein Abschied. Von der Schärfe, vom Klarsehen, vom Leben, von der Welt."