Platzhalter für Profilbild

whatbabsreads

aktives Lesejury-Mitglied
offline

whatbabsreads ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit whatbabsreads über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.05.2022

Mitreißende Neuauflage der Tell-Saga

Tell
0

Joachim B. Schmidt hat die Sage rund um Wilhelm Tell neu aufgerollt und interpretiert. Der Autor präsentiert uns die alte Geschichte um Wilhelm Tell und den Apfelschuss in neuem Gewand. Dabei hat er ein ...

Joachim B. Schmidt hat die Sage rund um Wilhelm Tell neu aufgerollt und interpretiert. Der Autor präsentiert uns die alte Geschichte um Wilhelm Tell und den Apfelschuss in neuem Gewand. Dabei hat er ein äußerst interessantes Konzept geschaffen. Die Lektüre fand ich nicht nur sehr unterhaltsam und lebendig, sondern auch äußerst rasant und kurzweilig! Trotz der Kürze der Kapitel und auch der Lektüre insgesamt schafft es Joachim B. Schmidt interessante und authentische Charaktere zu kreieren, die sich insgesamt in ein sehr stimmiges Bild zusammenfügen. Gekonnt bringt er historische Zusatzinfos bzw. Hintergründe in die Hauptstory ein (z.B. die Habsburger Herrschaft, Schweizer Bauernaufstand, etc.). Die ständig wechselnden Perspektiven haben mich bei dieser Lektüre keineswegs überfordert, sondern im Gegenteil für einen tollen Lesefluss gesorgt und immer wieder neue Einblicke geschaffen. Auch der Schluss war für mich stimmig und versöhnlich. Der Kreis schließt sich und es werden Bilder vom Anfang wieder aufgegriffen. Ich werde auf jeden Fall noch weitere Bücher von Joachim B. Schmidt lesen, da mir „Tell“ unglaublich gut gefallen hat. Daher gibt es von mir eine ausdrückliche Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.11.2021

In the dreamhouse...

Das Archiv der Träume
0

Ein derart einzigartiges Konstrukt ist mir bisher in der Literatur noch nie begegnet und ich wüsste kein Buch, mit dem ich diesen autobiographischen Roman vergleichen könnte. Carmen M. Machado hat ein ...

Ein derart einzigartiges Konstrukt ist mir bisher in der Literatur noch nie begegnet und ich wüsste kein Buch, mit dem ich diesen autobiographischen Roman vergleichen könnte. Carmen M. Machado hat ein richtiges Kunstwerk geschaffen, das sich beim Lesen nach und nach aus den verschiedenen Fragmenten und Kapiteln zu einem stimmigen Ganzen zusammensetzt. Sie benutzt dafür Züge unterschiedlichster Genres (Roman, Sachbuch, Biographie) und experimentiert mit verschiedenen Darstellungsmitteln (Metaphern, Märchen-Motivkatalog, interaktive Sequenz etc.). Was mir auch besonders gefallen hat, waren die eher analytischen Kapitel zu verschiedenen Filmen und Büchern, die queere und lesbische Beziehungen beinhalten bzw. deren Stereotypen thematisieren. Die Autorin verwendet auch zahlreiche wissenschaftliche Artikel zu diesem wichtigen Thema als Background-Info. Wer sich näher damit beschäftigen möchte, findet hier zahlreiche Quellen und Denkanstöße.

Machado beschreibt durch ihre Erinnerungen den grauenvollen Teufelskreis ihrer toxischen Beziehung, die sehr schnell eskaliert und zunehmend von häuslicher Gewalt geprägt ist. Willkommen in ihrem „Traumhaus“ in Bloomington (Indiana). Ihre Beziehung entpuppt sich schon bald als düsterer Alptraum. Krankhafte Eifersucht, plötzliche Wutausbrüche und die ständige Unzufriedenheit sind dabei erst der Anfang. Voller Schmerz und Verletzlichkeit, aber auch gepaart mit sehr viel Mut und Lebensfreude, erzählt die Autorin emotional und mitreißend ihre persönliche Geschichte. Sie nimmt die Leser*innen mit in den schwierigen Prozess der fehlerhaften Wahrnehmung und Verdrängung, des Erkennens und Loslassens. Ihre Stimme ist von solcher Wucht, dass man sich dem Sog nicht entziehen kann.

Das Buch hat mich sehr positiv überrascht. Insgesamt war es für mich eine wahnsinnig horizonterweiternde Lektüre, wenn auch keineswegs eine leichte Kost. Ein besonderer Roman, der sprachlos macht und aufwühlt. Ich möchte eine große Leseempfehlung für dieses Buch aussprechen! Für mich definitiv ein weiteres Jahreshighlight!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.09.2021

Mitreißende vietnamesische Familiengeschichte

Der Gesang der Berge
0

Schon das wundervoll gestaltete Cover machte mich neugierig auf diesen einzigartigen Roman. Es sticht einem sofort ins Auge durch die intensiven Farben. Der Einstieg ins Buch ist mir nicht so leicht gefallen, ...

Schon das wundervoll gestaltete Cover machte mich neugierig auf diesen einzigartigen Roman. Es sticht einem sofort ins Auge durch die intensiven Farben. Der Einstieg ins Buch ist mir nicht so leicht gefallen, da ich die vietnamesischen Namen zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig fand. Der Stammbaum auf den ersten Seiten ist da wirklich hilfreich. Aber man findet schnell rein in die Geschichte. Außerdem sind die vietnamesischen Sprichwörter gleich mitübersetzt worden. Es wird abwechselnd aus zwei Zeitebenen erzählt – einmal aus Sicht der Großmutter, die uns in die Erlebnisse aus der Vergangenheit ab 1930 eintauchen lässt – und zum Anderen aus Sicht der heranwachsenden Enkelin Hu'o'ng (auch Guave genannt). Geschickt verbindet die Autorin die beiden Zeitstränge am Ende des Buches. Es sind viele eindrucksvolle Geschichten, die von den tragischen Vorkommnissen in Vietnam erzählen.
Der fast schon poetische Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Die Autorin hat mich mit ihrer wunderschönen, bildgewaltigen Sprache direkt in ihren Bann gezogen. Ich war komplett in der tiefgründigen Familiengeschichte gefangen. Man merkt beim Lesen sehr deutlich, wie viel Zeit, persönliche Erfahrungen und Recherche die Autorin in den Roman gesteckt hat. Mir hat das Buch zudem einen tiefen Einblick in die vietnamesische Geschichte und Kultur gegeben (z.B. hatte ich zuvor nichts über die sogenannte Landreform gewusst, bei der reiche Grundbesitzer teilweise grundlos enteignet und brutal ermordet wurden). Die Protagonisten sind insbesondere starke Frauen, die alles für ihre Familie tun und über Generationen versuchen die unterschiedlichsten Gräueltaten und Schicksalsschläge zu überstehen. Die Familie wird durch den Krieg komplett auseinander gerissen. Kinder müssen bei Fremden zurückgelassen werden. Ich möchte dabei nicht zu sehr ins Detail gehen, aber neben Bombenangriffen, Hungersnöten, brutalen Hinrichtungen, Misshandlungen und Krankheit wird die Familie von fast keinem Schicksalsschlag verschont. Ich konnte mich stark mit der Großmutter und der Enkelin Hu'o'ng identifizieren und habe mitgelitten. Die Figuren sind durchwegs sympathisch, man empfindet starkes Mitgefühl und kann die Handlungen und Reaktionen komplett nachvollziehen. Immer wieder wird die Geschichte von einzelnen Lichtblicken und friedvollen Momenten mit Hoffnung bereichert und lässt einen weiter an das Gute im Menschen glauben.

Fazit: Ein sprachgewaltiger, intensiver und fesselnder historischer Roman, der für mich ein absolutes Jahreshighlight darstellt – ich kann diesen definitiv weiter empfehlen und wünsche dem Buch viele begeisterte Leser.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.02.2023

Game over (Start again?)

Morgen, morgen und wieder morgen
0

Ein unterhaltsames Buch rund um die Freundschaft zwischen Sam Masur und Sadie Green - eine Geschichte, die zwischen Los Angeles, New York und Boston pendelt - und im Zentrum dreht sich alles um Videospiele. ...

Ein unterhaltsames Buch rund um die Freundschaft zwischen Sam Masur und Sadie Green - eine Geschichte, die zwischen Los Angeles, New York und Boston pendelt - und im Zentrum dreht sich alles um Videospiele.
Als Sam wegen seines mehrfach gebrochenen Fußes eine lange Zeit im Kinderkrankenhaus verbringen muss, lernt er Sadie kennen, deren Schwester ebenfalls in Behandlung ist (aufgrund von Leukämie). Sadie und Sam freunden sich an und zocken zusammen im Spielzimmer des Krankenhauses Super Mario Brothers. Schon in jungen Jahren bauen sie eine ganz spezielle Beziehung zueinander auf. Die beiden haben jedoch schon bald keinen Kontakt mehr, nachdem Sam herausfindet, dass Sadie sich durch ihre Besuche mehrere Stunden gemeinnützige Arbeit verdient und für ihre Bat Mizwa anrechnen lässt – natürlich ohne ihm etwas davon zu erzählen.
Erst als Studenten treffen die beiden zufällig in einer U-Bahn-Station wieder aufeinander. Mittlerweile studiert Sam in Harvard und Sadie am MIT. Ihre Liebe zum Zocken und zu Computerspielen hat sich weiter verfestigt und die beiden Nerds gehören schon bald zu den hoffnungsvollsten Talenten in der Spielentwickler-Branche. Zum Abschied gibt Sadie Sam eine Diskette mit ihrem selbst entwickelten Spiel „Solution“ mit. Nachdem er es mehrere Male mit seinem Mitbewohner Marx begeistert durchgespielt hat, kommt ihm die Idee, dass sie doch zusammen ein Spiel entwerfen könnten. Gemeinsam arbeiten sie während der Studienzeit an dem Spiel Ichigo, das zum Blockbuster wird und die beiden über Nacht zu Stars in der Gaming-Welt mit nicht einmal 25 Jahren macht. Wir begleiten die beiden über einen Zeitraum von knapp 30 Jahren bis ein Ereignis alle aus der Bahn wirft.

Dieser Coming-of-Age Roman macht verdammt viel Spaß, lässt einen nostalgisch in die 90er zurückblicken, mit den Protagonisten mitfühlen und leiden. Ich kann mich noch gut erinnern, wie viele Stunden ich früher selbst mit Gaming verbracht habe. Viele der erwähnten Titel (Donkey Kong, Commander Keen, Heavy Rain, etc.) habe ich selbst gerne gezockt. Das Buch macht jedoch auch ohne Gaming-Affinität Spaß und bietet beste Unterhaltung mit sehr viel Liebe zum Detail. Es geht um Freundschaft und Liebe, Familie, Kreativität und Leidenschaft, Eifersucht und Rivalitäten. Gabrielle Zevin schafft es in ihrem Roman auf besondere Weise, die Realität mit virtuellen Spiele-Welten verschmelzen zu lassen. Insbesondere das letzte Drittel hat mich ganz besonders berührt. Ich bin schon sehr auf die Verfilmung dieses 560-Seiten-Wälzers gespannt und kann dieses Buch nur jedem ans Herz legen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.04.2022

Die Schattenseiten von Social Media

Die Kinder sind Könige
0

Delphine de Vigan greift in ihrem aktuellen Roman ein aktuelles und kontroverses Thema auf. Auf der einen Seite haben sich für viele Menschen neue Möglichkeiten ergeben durch zahlreiche neue Kanäle (wie ...

Delphine de Vigan greift in ihrem aktuellen Roman ein aktuelles und kontroverses Thema auf. Auf der einen Seite haben sich für viele Menschen neue Möglichkeiten ergeben durch zahlreiche neue Kanäle (wie Instagram und Youtube), mit denen sie Einnahmen erzielen können. Auf der anderen Seite stehen die Präsenz in der Öffentlichkeit und Zurschaustellung des persönlichen Lebens. Was dies für Auswirkungen haben kann, zeigt die Autorin am Beispiel der Familie um Mélanie Claux, die ihre beiden Kinder Kimmy und Sammy (6 bzw. 8 Jahre alt) auf dem Youtube-Kanal „Happy Récré" einem Millionenpublikum präsentiert. Sie teilt das Leben ihrer Kinder öffentlich und bietet tägliche Einblicke in das Privatleben der Familie. Mélanie steht unter einem enormen Druck ständig neue Videos zu posten und die Fans zufrieden zu stellen. Ihre Kinder dienen dabei als Mittel zum Zweck für Werbekampagnen und werden für diese Scheinwelt in den Mittelpunkt gestellt. Sie sind die „Stars“ des Youtube-Kanals. Ihre Kinder übernehmen somit die Rolle von Influencern. Alles läuft gut bis Kimmy beim Versteckspielen verschwindet und entführt wird. Ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen, aber ab diesem Zeitpunkt war ich komplett gefesselt.

Auf erschreckende Weise macht die Autorin deutlich, welche Auswüchse die kommerzielle Ausbeutung von Kindern in den sozialen Medien annehmen kann. Ich mochte besonders den intensiven, klaren und nüchternen Schreibstil sowie die wechselnden Perspektiven bzw. die Beleuchtung des Themas von unterschiedlichen Seiten. Das Thema wurde sehr fesselnd dargestellt und ich war ziemlich schockiert, da das Buch so real ist. Nach „Loyalitäten“ konnte mich Delphine de Vigan erneut überzeugen und ich kann auch für ihren neuen Roman eine absolute Leseempfehlung aussprechen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere