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Veröffentlicht am 20.11.2021

Nicht nur der Eisbär ist gefährlich

78° tödliche Breite
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Was tut ein liebender Vater und Großvater nicht alles, wenn seine Hilfe gebraucht wird! Trond Lie, verwitweter Kommissar im Ruhestand im norwegischen Bergen, gibt seinen vergleichsweise südlichen Standort ...

Was tut ein liebender Vater und Großvater nicht alles, wenn seine Hilfe gebraucht wird! Trond Lie, verwitweter Kommissar im Ruhestand im norwegischen Bergen, gibt seinen vergleichsweise südlichen Standort auf, um seiner alleinerziehenden Tochter Ingvild unter die Arme zu greifen. Die jongliert in einem Dorf auf Spitzbergen drei Jobs gleichzeitig - da bleibt zu wenig Zeit, sich ausreichend um den vierjährigen Bjarne zu kümmern.

Trond Lie verbringt liebend gerne Zeit mit seinem Enkel - die Polarnacht allerdings macht ihm schwer zu schaffen, und das nicht nur, weil er in der Dunkelheit eine beinahe tragisch endende Begegnung mit einem Eisbären hatte. Auch sonst, so fürchtet er, nähert er sich einem Polarkoller, mit Paranoia, Wutausbrüchen, Halluzinationen - nicht die bestens Voraussetzungen für den normalen Alltag, geschweige denn in einer Krise.

Denn der pensionierte Kommissar sieht sich unversehens nicht nur als Babysitter, sondern als Ermittler gefragt in Hanne Kvandals (ein Pseudonym einer deutschen Journalistin ) Spitzbergen Krimi "78 Grad tödliche Breite". Der letzte Mord in Longyearbyen liegt zwar 80 Jahre zurück, an der Tagesordnung sind eher Schlägereien nach zu viel Alkohol - doch dann stößt die niederländische Hundeführerin Frida auf die Leiche eines Schweizer Geologen. Er war Teil eines fünfköpfigen Wissenschaftlerteams aus fünf Nationalitäen, sein Laptop ist verschwunden und die Schusswunde an seinem Kopf war offensichtlich kein Versehen.

Bis Ermittler vom Festland einfliegen können, soll Trond die Ermittlungen führen und findet - mit Frida als Assistentin, zunehmend Gefallen daran, zu den alten Leisten zurück zu kehren. Denn der Mordfall wirft viele Fragen auf. Hier ging es nicht um Eifersucht oder Habgier, sondern möglicherweise um Geheimnisse, aud die der getötete Schweizer sgestoßen war. Es bleibt nicht bei einem Mord, und bald ahnt Trond, dass internationale Interessen, die Bodenschätze im hohen Norden und auch geheimdienstliche Aktivitäten eine unheilvolle Gemengelage bilden könnten. Für Gefahrenmomente sorgen schon bald nicht nur die Eisbären.

Zwischen Polarlichtern und Polarnacht erfährt man beim Lesen einiges über Schlittenhunde und den Svalbardvertrag, über die Geschichte Spitzbergens und konkurrierende Anrainer in der arktischen Region. Kurzweilig-spannende Lektüre nicht nur an Wintertagen - bei trübem Tageslicht und früh einbrechender Dunkelheit aber steigt das Verständnis für Tronds drohenden Polarkoller ungemein.

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Veröffentlicht am 21.10.2021

Zwei Brüder und eine große Trauer

Francis
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Kanada ist das Partnerland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse - eine gute Gelegenheit, AutorInnen kennen zu lernen, die hierzulande noch nicht so bekannt sind wie Margaret Atwood. Das gilt für mich ...

Kanada ist das Partnerland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse - eine gute Gelegenheit, AutorInnen kennen zu lernen, die hierzulande noch nicht so bekannt sind wie Margaret Atwood. Das gilt für mich auch für David Chariandy, von dem ich bisher gar nichts gelesen habe. Sein Buch "Francis" über das Aufwachsen zweier Brüder in einem Einwandererghetto in Toronto, über institutionellen Rassismus und Polizeigewalt. Die Handlung spielt in den 80-er Jahren, das Thema dagegen ist höchst aktuell.

Der Ich-Erzähler ist Francis´ jüngerer Bruder, die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen. Zum einen das Aufwachsen als Kinder einer alleinerziehenden Mutter aus Trinidad, die sich mit zwei, drei Jobs abmüht, die ihre ganze Energie aussaugen. Sie führt ein strenges Regiment, möchte für ihre Söhne ein besseres Leben und weiß doch, dass sie wegen ihrer ständigen Abwesenheit keine Kontrolle darüber hat, wenn sich die Kinder auf der Straße herumtreiben.

Michael, der eher schüchterne und introvertierte jüngere Sohn, bewundert den "coolen" Francis, sucht Anschluss an dessen Clique. Auf der Gegenwartsebene des Buchs ist Michael ein erwachsener Mann und Francis ist tot. Die Mutter leidet unter einer anhaltenden Trauerstörung, ist apathisch, manchmal verwirrt und auch Michael hat sich völlig von der Außenwelt und alten Freunden abgeschottet. Als eine alte Freundin auftaucht und ein Treffen mit Francis´alten Freunden vorschlägt, um gemeinsam zu trauern und zu gedenken. Michael hält das für keine gute Idee.

Chariandy beschreibt das Verhältnis der beiden Brüder, ihr Leben, die Ungleichheit den Rassismus, den sie im Alltag erfahren, etwa bei willkürlichen Kontrollen der Polizei. Daneben geht es um die Frage, wie Menschen mit Trauer und Verlust umgehen, welche Folgen der Tod eines Menschen für die Hinterbliebenen hat, welche Träume und Möglichkeiten ausgelöscht wurden. Die Frage, wie es zum Tod von Francis kam, wird dabei erst gegen Ende der Erzählung beantwortet und auch die Beziehungen der Figuren untereinander werden erst nach und nach aufgelöst.

Zugleich zeigt Chariandy, dass eine Kindheit voller Benachteiligungen nicht automatisch ein Leben ohne Zukunftsperspektive bedeuten muss, sondern vieles eben auch von der jeweiligen Persönlichkeit und ihren Ambitionen abhängt.

Chariandy mag einen Mikrokosmos in Toronto beschreiben, doch vieles lässt sich auf die Einwandererviertel auch unserer Städte übertragen und auf die Situation in Europa. Dabei liegt das persönliche Schicksal und die Entwicklung der Figuren deutlich im Hintergrund vor politischen Forderungen oder polemisierenden Schlagworten. Da Chariandy selbst indisch-karibischen Hintergrund hat, dürfte ihm die Welt seiner Figuren gut vertraut sein. Eine Folge ist ihre Glaubwürdigkeit.

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Veröffentlicht am 14.10.2021

Per pedes unterwegs im Elsass

Mit Geist & Füßen. Im Elsass
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Viele Jahre galt Wandern als ein wenig angestaubt, jedenfalls so lange man nicht zu einem hippen Trecking-Ziel unterwegs war. Corona hat das verändert. In Zeiten von Lockdown, Kontaktverboten, Abstandsregeln ...

Viele Jahre galt Wandern als ein wenig angestaubt, jedenfalls so lange man nicht zu einem hippen Trecking-Ziel unterwegs war. Corona hat das verändert. In Zeiten von Lockdown, Kontaktverboten, Abstandsregeln und geschlossenen Fitness-Studios gewann Bewegung in der eigenen Region plötzlich an Bedeutung. Die Zahl der regionalen Wanderführer hat sich innerhalb von Monaten gefühlt verdoppelt. Auch ich habe so Ziele im Nahbereich erstmals entdeckt und, ja, erwandert und festgestellt, wie entschleunigend das sein kann.

Nachdem nun wieder mehr Mobilität möglich ist, habe ich mich sehr gefreut, Felicitas Wehnerst Buch "Mit Geist und Füßen im Elsaß" kennenzulernen. In dem mit zahlreichen ansprechenden Fotografien und gut lesbaren Routen versehenen Buch - der Einband wirkt praktischerweise ausreichend solide um auch an einem Regentag eine Weile durchhalten zu können - sind 17 Wanderungen aufgeführt.

Angesichts des Titels hatte ich zunächst gedacht, dass die Beschreibungen der Wege im Dreiländereck zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz ein wenig esoterisch angehaucht sein könnten, das ist allerdings nicht der Fall. Das "Geist" im Titel bezieht sich eher auf das Kulturprogramm, das mit dem Wandern verknüpft werden kann, Abstecher zu Museen, Burgen und anderen Sehenswürdigkeiten, die ebenfalls erklärt werden. Die Wanderungen sind daher auch nicht auf Extremmärsche angelegt, sondern auch leicht zu bewältigende Strecken von ca acht bis zwölf Kilometern. Also alles eher kurz und daher leicht mit Besichtigungen ausbaubar. Außerdem - der Elsass steht schließlich für Gaumenfreuden. Auch Wanderer wollen sicher die Zeit für lokale Spezialitäten und Schmankerl haben.

Die Wegerklärungen sind ausführlich und nachvollziehbar und angereichert mit historischem Hintergrund in der geschichtsträchtigen Region. Ich bin noch keine der Strecken gelaufen, da die Region nicht vor meiner Haustür liegt, will das aber bei nächster Gelegenheit gerne nachholen. Einen Wermutstropfen gibt es dabei allerdings für alle, die wie ich kein Auto haben: Die ganz überwiegende Zahl der Wanderungen enthält nur Anfahrtswege/Startpunkte für Autofahrer, nach ÖPNV-Angebote sucht man, abgesehen von zwei Wanderungen, vergeblich. Nun mag es ja sein, dass gerade in der Grenzregion der ÖPNV-Ausbau zu wünschen übrig lässt. Dennoch würde ich erwarten, dass bei einer umweltfreundlichen Art der Freizeitgestaltung auch mehr Nachhaltigkeit in Sachen Verkehr und Mobilität berücksichtigt wird.

Veröffentlicht am 29.09.2021

Ein klassiker kommt als Hörspiel zurück

Krabat
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Ich vermute, jeder von uns hat ein paar Bücher, die ihn oder sie von Kindheit an durchs Leben begleiten, immer wieder mal erneut aufgenommen oder an die eigenen Kinder weitergereicht werden in der Hoffnung, ...

Ich vermute, jeder von uns hat ein paar Bücher, die ihn oder sie von Kindheit an durchs Leben begleiten, immer wieder mal erneut aufgenommen oder an die eigenen Kinder weitergereicht werden in der Hoffnung, dass sie dieses Buch genauso lieben werden. Und/oder sie sind so zeitlos, dass sie auch im fortgeschrittenen Erwachsenenalter noch Freude bereiten, weil sie so alterslos gut sind. Eines dieser Bücher ist für mich "Der kleine Prinz" von Antoune de Saint-Exupery, das andere Ottfried Preußlers "Krabat"

zum 50. Jahr der Ersterscheinung (ist Krabat tatsächlich schon so alt???) ist nun ein Hörbuch erschienen. Für mich war ganz klar, ungeachtet des existierenden Bücherstapels und noch nicht gehörter Hörbücher muss das gleich gehört werden. Mit einer Länge von 181 Minuten handelt es sich ohnehin um eine kompakte Angelegenheit. Tatsächlich wurde wohl einiges gestrafft, aber die Geschichte über den sorbischen Müllerburschen Krabat, der bei einem geheimnisvollen Meister nicht nur sein Handwerk lernt sondern auch in einer "schwarzen Schule" in die Zauberei eingeführt wurde, entfaltet immer noch ihre Magie.

Jahrzehnte bevor Harry Potter Zauberfans in aller Welt inspirierte, geht es auch in der alten Legende bereits um den Kampf zwischen Gut und Böse, um den Preis, der ganz faustisch für Wissen und die Möglichkeit von Macht gezahlt werden muss. Der Waisenjunge Krabat, dem erst nach und nach und beinahe viel zu spät klar wird, dass er als Musterschüler des Meisters in tödlicher Gefahr schwebt, kann nur auf die Liebe der Kantorka vertrauen, deren Stimme ihn bereits verzauberte, ehe er den Versuch machte, die Vorsängerin der jungen Frauen des nahen Dorfes kennenzulernen.

Max Mauff gibt als Ich-Erzähler Krabat die Stimme, lässt ihn zweifeln und wundern, innere wie äußere Kämpfe ausfechten und vollzieht die Wandlung vom Jungen zum Mann glaubwürdig. Michael Mendl spricht den Meister mit einem aggressiven Timbre, das klar macht, das von diesem Mann nichts Gutes zu erwarten ist und Wanja Mues bringt als Altgesellse Tonda sowohl die Ruhe zu Ausdruck, die Tonda Krabat in der schweren Anfangszeit in der Mühle vermittelt, als auch den traurigen Ernst, dessen Grund Krabat erst spät klar wird.

Da es sich um ein Hörspiel und nicht um ein klassisches Hörbuch hamdelt, dürfte diese Krabat-Version wohl auch mit Blick auf die neueste Generation von Preußler-Lesern und Hörern erarbeitet worden sein. Aber auch für mich war es eine angenehme Erinnerung an das erste Lese-Erlebnis mit Krabat. Mit 50 Jahren kann man sicher sagen: ein moderner Klassiker

Veröffentlicht am 10.09.2021

Schulden, Immmobilienblase, Korruption

Todsünde
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Touristen aus aller Welt wollen im südafrikanischen Stellenbosch malerisch gelegene Weingüter und heile Welt am Kap kennenlernen. Für die Menschen vor Ort kann die Idylle trügerisch sein. So auch in Deon ...

Touristen aus aller Welt wollen im südafrikanischen Stellenbosch malerisch gelegene Weingüter und heile Welt am Kap kennenlernen. Für die Menschen vor Ort kann die Idylle trügerisch sein. So auch in Deon Meyers neuem Roman "Todsünde" um die Ermittler Bernie Griessel und Cupido Vaughn. Auch diesmal bewegt sich die Handlung in zwei Strängen, die sich erst weit inmitten des Buches verbinden. Griessel und Vaughn sind bei einem hochrangigen Beamten in Ungnade gefallen wegen ihrer Ermittlungen gegen Korruption. Eigentlich sollen sie nicht nur degradiert. sondern in die entlegene Provinz abgeschoben werden - für Griessel Grund zu Sorge. Der trockene Alkoholiker befürchtet, er könnte vor lauter Frust einen Rückfall erleben, Dann allerdings machen andere Offiziere ihren Einfluss geltend - die beiden Ermittler kommen nach Stellenbosch, einem wesentlich angenehmeren Einsatzort.

Für die Immobilienmaklerin Sandra Steenberg allerdings ist das idyllyische Stellenbosch allerdings zu einer Sackgasse geworden, seit der kriminelle Geschäftsmann Jasper Boonstra mit einem Scheinimperium Träume vom schnellen Reichtum platzen ließ. Die Luxusimmobilien, die Sandra vermittelte, sind plötzlich nicht mehr loszuwerden - und die junge Mutter taumelt selbst immer tiefer in die Schuldenfalle, ausgerechnet in einer Zeit, als ihr Mann ein Sabbatical genommen hat, um einen Roman zu schreiben, Sandra, die aus ärmlichen Verhältnissen stammt und sich von ihren Schwiegereltern nicht akzeptiert wird, will das Steuer unbedingt aus eigener Kraft herumreißen. Als ausgerechnet Boonstra die attraktive Frau mit dem Verkauf eines Weinguts beauftragt, hofft sie auf die ersehnte Wende. Doch Boonstra zeigt nicht nur geschäftliches Interesse an ihr. Die Situation eskaliert.

Bernie und Cupido sollen unterdessen in Stellenbosch einen Vermisstenfall aufklären. Ein Student ist verschwunden, seine Mutter in höchster Sorge. Der junge Mann ist ein Computergenie, konnte mit Hilfe eines Stipendiums studieren und hatte angeblich keine anderen Interessen außer der Universität. Keine Freundin, keine Drogen, keine Parties. Doch was bedeutet die hochwertige Kleidung in seinem Zimmer, die er sich von seinem Stipendium nicht hätte kaufen können? Wieso fehlt seinem Computer die Festplatte und wer ist der Unbekannte, der kurz vor der Vermisstenanzeige mit der Schlüsselkarte des Studenten dessen Zimmer betrat?

Wie die Erzählstränge am Ende zusammenführen, kann hier nicht angedeutet werden, ohne zu spoilern. Doch soviel kann verraten werden: Deon Meyer hat einmal mehr Spannung mit einem kritischen Blick auf das moderne Südafrika verknüpft, ohne dabei in Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen. Die Tatsache, dass auch diesmal die meisten Protagonisten weiß sind und die Mehrheitsgesellschaft Südafrika eher am Rande vorkommt, hat sicher ebenso mit der Tatsache zu tun, dass Meyer weiß und seine Muttersprache Afrikaans ist, zum anderen mit der Zusammensetzung der Bevölkerung in der western Kap-Provinz.

Für leichtere und persönlichere Töne sorgt das Privatleben der beiden Ermittler, die ihre Hochzeit beziehungsweise Verlobung planen. Während Cupido mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hat, seit er Backen als Hobby entdeckt hat, versucht Bernie das Verhältnis zu seinem Sohn zu verbessern, das unter seiner Trinkerei schwer gelitten hat.

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