Das Denkmal einer tüchtigen, einfachen Frau
Heute Nacht wurde meine Nichte geboren und während des freudigen (Er)Wartens habe ich mich an die Geburten meiner eigenen Kinder erinnert, an diese einschneidenden Momente, in denen ich mich mir selbst ...
Heute Nacht wurde meine Nichte geboren und während des freudigen (Er)Wartens habe ich mich an die Geburten meiner eigenen Kinder erinnert, an diese einschneidenden Momente, in denen ich mich mir selbst so nah wie nie gefühlt habe, verletzlich, fast roh, dabei so stark und unangreifbar. Es erscheint mir jedes Mal aufs Neue wie ein großes Wunder, macht mich ehrfürchtig, zu erleben, wie wir Frauen Leben schaffen, wie zutiefst archaisch eine Geburt ist, was für eine unfassbare Naturgewalt. Wie schmal der Grat zwischen Leben und Tod sein kann, auch heute noch, trotz modernster Medizin und Technik, trotz unseres Gefühls, alles in der Hand zu haben und kontrollieren zu können, ist mir dabei sehr bewusst. Marta Kristine Andersdatter Nesje wusste das ganz genau. Sie war vor 200 Jahren eine der ersten Hebammen Norwegens, eine Pionierin, unbestreitbar, ausgestattet lediglich mit ein paar wenigen Utensilien, einer kurzen Ausbildung und ihrer Intuition - und einer gehörigen Portion Durchsetzungskraft. Edvard Hoem hat dem Leben seiner Ururgroßmutter mit „Die Hebamme“ einen literarischen Rahmen gegeben, dieser so einfachen wie eindrucksvollen Frau ein angemessenes Denkmal gesetzt. Nicht stattlich und prunkvoll, nein, bodenständig ist dieser Roman, besonnen und bedächtig, feinfühlig und klug. Denn es lohnt sich bisweilen zurückzuschauen, nicht nur nach vorne zu preschen, innezuhalten, zu lauschen, zu fühlen. Es steckt eine Weisheit in dem alten Wissen, eine Sicherheit im Handeln, die ich heute manchmal schmerzlich vermisse. Eine Ruhe in ehrlicher, tüchtiger Arbeit, dem einfachen Leben, die mich anrührt. Große Leseempfehlung!