Den Schreibstil des Autorenduos, das aus Elle Kennedy und Jen Frederick besteht, kannte ich ja bereits und hatte deshalb nur wenig Sorge, dass sich in „One Small Thing“ irgendwas an der Art, wie die beiden Bestseller-Autorinnen Geschichten erzählen, ändern könnte Wieder setzt Erin Watt auf authentische Sprache, glaubhafte und ungezwungene Dialoge und bildhafte Beschreibungen. Ich hatte keinerlei Probleme, dem Geschehen zu folgen und war wieder einmal positiv überrascht davon, wie schnell und flüssig ich voran kam beim Hören.
Doch während die Paper-Reihe stets aus zwei Sichten geschrieben wurde, begleiten wir in diesem Werk hier lediglich die weibliche Protagonistin. War für mich aber vollkommen in Ordnung, denn so blieb das mysteriöse bei Chase erhalten.
Die Sprecherin, die mir bis zu diesem Buch unbekannt war, hat aber ebenfalls einen tollen Job gemacht. Ihre Stimmfarbe war angenehm, ich konnte mich von ihren Betonungen und Tempi-Wechsel mitreißen lassen und fand, dass sie auch die emotionalen Passagen gut transportierte. Meiner Meinung nach klang ihre Stimme ein wenig reifer, fast älter – aber genau das war mal eine gelungene Abwechslung zu den ansonsten sehr hellen, fast jugendlichen Stimmen, die ich zuletzt gehört habe. Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, dass ich mir noch mehr von Dagmar Bittner vorlesen lasse.
Die Idee ist an und für sich sehr gut – vor allem, weil diese YA-Geschichte genau da anfängt, wo andere aufhören; nämlich an dem Punkt, an dem das Geheimnis des männlichen Protagonisten gelüftet wird. Ja ganz richtig, schon auf den ersten Seite erfahren wir, was Chase verbirgt. Demnach empfinde ich den Klappentext auch als ein wenig irreführend, denn der beschreibt viel eher die Handlung, die sich vor dem Beginn des Buches abspielt und nicht die, die sich tatsächlich abspielt.
Grundsätzlich ist die Idee also erstmal nicht schlecht. Doch sehr schnell tat sich die Frage auf: auf was soll ich denn jetzt hinfiebern? Oder: Worauf soll die Geschichte denn jetzt hinauslaufen? Und exakt das war dann auch das große Probleme. Dieser Einfall, schon zu Beginn alles aufzuklären, killte jegliche Form von Spannung. Es gab nichts mehr, was noch hätte gelüftet werden können; stattdessen gab es sehr viel Hin und Her; sehr viel Leerlauf, nicht nachvollziehbare Handlungen von Seiten der Figuren und das alles strapazierte bald dann auch schon meine Nerven – und zwar ziemlich stark. Als Leser muss man Partei ergreifen – endlich man ist für Beth und Chase, oder man ist gegen sie. Doch egal für was man sich auch entschied, so richtig zufriedenstellen konnte einen das Geschehen nicht. Ständig hatte ich das dringende Bedürfnis, mir die Hand vor die Stirn zu hauen und fühlte mich einfach wie in einem schlechten Film. Die Handlung plätscherte träge dahin, es geschah, bis auf viel unnötiges Drama (das hätte leicht vermieden werden können), mehr oder weniger nichts und die Eltern von Beth ruinierten den letzten, kläglichen Rest an Wohlfühl-Faktor, der immer wieder aufzukeimen versuchte. Im Grunde genommen hat die Handlung einige wichtiger Botschaften, doch aufgrund der weniger geglückten Umsetzung gingen auch die letztlich unter. Man kann lange prophezeihen, dass Vergeben ein Teil des Lebens ist und dazu gehört, wenn die Charaktere sich selbst nicht daran halten. So habe ich einiges an Nerven in dem Buch gelassen und muss rückblickend sagen, dass die sich ständig wiederholenden Aktionen und Reaktionen einfach nicht glaubhaft auf mich wirkten und der Lesespaß enorm darunter gelitten hat.
Der Schluss stimmte mich aber dann doch nochmal milde, ließ das Gefühl in mir aufsteigen, als würden die Autorinnen ihre eigenen Fehler wieder ausbügeln wollen und obwohl das nicht komplett glückte, schwächte es meine negative Meinung zur Geschichte etwas ab. Da keine Auflösung stattgefunden hat, schloss sich der Schluss nahtlos an die wenig mitreißende Geschichte an und obwohl das Drama etwas zunahm, war von Tempo immer noch nichts zu spüren. Trotzdem (!!) kann sich das Ende, in Hinblick auf die eher maue restliche Story, doch sehen lassen und bringt auch endlich die Botschaften rüber, die Erin Watt schon vorher vermitteln wollte.
Beth als Protagonistin war, für mich, ein totaler Reinfall. Sie glänzt schon während den ersten Sekunden durch eine völlig kindische, naive Aktion und die erhoffte Besserung blieb bis zum Ende aus. Sie nervte mich, fühlte sich immer unfair behandelt, obwohl sie lediglich das Echo ertragen musste, das unweigerlich auf ihr Verhalten folgte. Auch wenn ich bei Rezensionen oft auf solche Beschreibungen verzichte, empfand ich sie als feige, engstirnig und trotzig. Selbst meine 10-jährige Tochter ist erwachsener, als Beth; und sie ist immerhin 17 Jahre alt. Hin und wieder keimte zwar Mitleid in mir auf, was auch ein gewisses Maß an Sympathie ihr gegenüber mit sich brachte – doch kaum dass sie wieder etwas von sich gab oder ich ihre Gedankengänge verfolgen musste, war es auch schon wieder vorbei mit dem Mitgefühl. Mir fehlte die Glaubwürdigkeit bei ihr; das nachvollziehbare Verhalten und einfach das stimmige Gesamtpaket zu ihrer Person. Obwohl es gen Ende auch in der Hinsicht eine kleine Besserung gab, würde ich uns bis zuletzt nicht als Freunde bezeichnen – höchstens als entfernte Bekannte; und ich finde es nicht mal schade.
Bei Chase verhielt es sich anfangs noch etwas anders: da fand ich ihn total interessant durch diese Unnahbarkeit, die er aufwies. Doch bald schon verfiel er auch in eine so melancholische Stimmung, dass er einfach anstrengend wurde. Wenn man sich als Mensch selbst nichts mehr gutes gönnt, dann kann man meiner Meinung nach auch einen Leser nicht mehr von sich überzeugen – und so war es bei Chase. Obwohl er optisch ein echter Hingucker war in meiner Fantasie, konnte er charakterlich nicht begeistern.
Das einzige, was ich positiv anmerken möchte sind die Dialoge, die zwischen Beth und Chase stattgefunden haben. Da gab es zum Teil echt tiefgründige Gespräche, die berührten und nachdenklich machten. Besonders Chase gab immer wieder schöne, hilfreiche und fast poetische Tipps und bewies, dass er im Kopf deutlich reifer war als Beth.
Die Randfiguren, wie Scarlet, Jeff und Co. standen den Protagonisten in nichts nach. Ich fühlte mich in der Klasse von Beth und ihren „Freunden“ wie in der Grundschule und fand die Streiche mehr als fragwürdig. Ach ich kann noch ewig drum herum reden: in diesem Buch handelt keiner vernünftig, realistisch oder auch nur ansatzweise glaubhaft. KEINER!
FAZIT:
„One Small Thing“ von Erin Watt ist eine Geschichte, die bei mir überhaupt nicht ankam. Die Gefühle erreichten mich nicht; die Charaktere nervten ohne Ende; die Handlung empfand ich als träge und langatmig und wenig fesselnd. Kleine Lichtblicke waren der Schreibstil, der eher minderschlechte Schluss und die paar tiefgründigen Dialoge – der Rest, kann meiner Meinung nach weg. Schade. Ich hatte doch recht hohe Erwartungen; vor allen in Anbetracht dessen, dass mir die Paper Reihe so enorm gut gefallen hat. Naja. Ich vergebe lieb gemeinte 2 Sternen.